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Im Fokus: Die Stufenvertretung

© AdobeStock | New Africa
SBV
Stand:  13.2.2023
Lesezeit:  03:00 min
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Welche Rolle und Aufgaben haben Gesamtschwerbehindertenvertretungen und Konzernschwerbehindertenvertretungen?

Nach der Wahl ist vor der Wahl …
Kaum waren die Wahlen zur örtlichen Vertrauensperson im letzten Herbst abgeschlossen, ging es auch schon weiter: Die Gesamt-Schwerbehindertenvertretungen (GSBV) wurden im Dezember und Januar gewählt, aktuell laufen noch die Wahlen zur Konzern- Schwerbehindertenvertretung (KSBV). Grund genug, sich einmal näher mit den Stufenvertretungen zu beschäftigen. Wir haben dazu mit unserer langjährigen Referentin Gudula Völkel, Fachanwältin für Arbeitsrecht und für Sozialrecht gesprochen.

Gudula, zu Beginn gleich eine Frage, die sich viele Vertrauenspersonen stellen: Ist die örtliche SBV gegenüber ihrer Stufenvertretung eigentlich „weisungsgebunden“?

Gudula: Nein, die auf der höheren Unternehmens- oder Konzernebene errichteten Vertretungen sind den örtlichen Vertretungen nicht rechtlich übergeordnet. Daher besteht auch keine Weisungsgebundenheit der örtlichen Vertrauenspersonen gegenüber der GSBV bzw. KSBV.

Und so ist es im Übrigen auch im Verhältnis der SBV-Stufenvertretungen zum Gesamt- oder Konzernbetriebsrat (GBR/KBR): Die Stufenvertretungen sind als „Gegenpart“ zum GBR und KBR als jeweils eigenständige Interessenvertretungen installiert und nicht weisungsgebunden.

Durch die Wahlen der jeweiligen Stufenvertretungen werden auf der für die Unternehmensleitung maßgebenden Entscheidungsebene Partner auf Arbeitnehmerseite geschaffen. Sie grenzen sich nur ab durch ihre unterschiedlichen Zuständigkeiten.

Wichtig in diesem Zusammenhang: Die SBV-Stufenvertretungen haben ein Teilnahmerecht an den GBR- und KBR-Sitzungen und können so auf deren Entscheidungsfindung Einfluss nehmen. 

Stimmt die weit verbreitete Meinung, dass es eine pauschale Freistellung der Gesamt-SBV gibt, wenn in den zugeordneten Betrieben in der Regel wenigstens 100 schwerbehinderte/gleichgestellte Menschen beschäftigt sind?

Gudula: Nein, das ist ein Irrtum. Ein pauschaler Anspruch auf Freistellung ergibt sich nicht aus der Anzahl der beschäftigten schwerbehinderten bzw. gleichgestellten Mitarbeiter. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall die Erforderlichkeit für eine Freistellung zu prüfen: Dieser Prüfung ist der Zeitrahmen für die zu erfüllenden Aufgaben als GSBV, für zurückzulegende Wegstrecken und die Anzahl der betreuten Beschäftigten zugrunde zu legen. 

Erstmals gewählte Vertrauenspersonen fragen sich vielleicht: Wofür braucht es überhaupt eine Stufenvertretung?

Gudula: Nur so wird gewährleistet, dass auch auf überörtlicher Ebene beim GBR und KBR die jeweilige Stufenvertretung ihr Teilnahme- und Beratungsrecht an den Sitzungen nach § 178 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ausüben kann. Und dies wiederum stellt sicher, dass die Interessen der schwerbehinderten und gleichgestellten Arbeitnehmer auf allen Ebenen des Unternehmens/Konzerns berücksichtigt werden. 

Die Stufenvertretung ist zuständig in Angelegenheiten, die nicht von den Vertrauenspersonen der einzelnen Betriebe geregelt werden können (§ 180 Abs. 6 SGB IX). Wie ist das zu verstehen?

Gudula: Es muss ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche bzw. betriebsübergreifende Regelung bestehen. Allein das Kosteninteresse begründet noch keine solche Zuständigkeit. Die Gründe können z. B. technischer Natur sein, um einheitliche Produktionsabläufe sicherzustellen. Auch aus rechtlichen Gründen kann eine Zuständigkeit auf überörtlicher Ebene erforderlich sein, z. B. unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer bei Maßnahmen des Unternehmens, die über einen einzelnen Betrieb hinausgehen.

Kannst Du uns zur Verdeutlichung Beispiele nennen für Maßnahmen von betriebsübergreifender bzw. konzernübergreifender Auswirkung?

Gudula: Überbetriebliche Belange liegen dann vor, wenn die Angelegenheit das gesamte Unternehmen bzw. mehrere Betriebe betrifft. Die örtliche SBV ist dann nicht zuständig. Welche der jeweiligen Stufenvertretungen zuständig ist, ergibt sich (wie auch in § 50 Abs. 1 und § 58 Abs.1 BetrVG auf GBR- bzw. KBR-Ebene) aus dem auch im SGB IX geltenden Grundsatz der Aufgabentrennung: Die jeweilige Stufenvertretung darf nur in Angelegenheiten tätig werden, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe (GBR/GSBV) bzw. den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen (KBR/KSBV) betreffen und nicht auf der jeweils unteren Ebene geregelt werden können. 

Folgende Beispiele sind betriebsübergreifend:

  • Einführung allgemeiner Reiserichtlinien für das Unternehmen/den Konzern. 
  • Installation einer computergesteuerten Telefonanlage für das gesamte Unternehmen 
  • Implementierung einer elektronischen Akte in allen Betrieben
  • Einführung von Ethikrichtlinien im gesamten Konzern
     

Die Gesamt-SBV ist auch für diejenigen schwerbehinderten und gleichgestellten Arbeitnehmer in Betrieben zuständig, in denen es keine örtliche SBV gibt. Gilt dieser Grundsatz eigentlich auch für die die Konzern-SBV?

Gudula: Diese sog. Auffangzuständigkeit der GSBV ergibt sich aus § 180 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 SGB IX. Auch die KSBV hat eine solche Auffangzuständigkeit in Betrieben, in den es keine örtliche SBV, aber aufgrund der Organisationsstruktur auch keine GSBV gibt. So soll sichergestellt werden, dass die vertretungslosen schwerbehinderten Menschen nicht ohne Beistand bleiben.

Hier kann sich dann auch eine pauschale Freistellung ergeben, wenn die Stufenvertretung aufgrund ihrer Auffangzuständigkeit in der Regel wenigstens 100 schwerbehinderte/gleichgestellte Kollegen betreut. 

Stichwort Informationspflicht: Arbeitgeber müssen auch die Stufenvertretungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe betreffen, informieren. Wie kann dieser Informationsfluss sichergestellt werden?

Gudula: Wenn der Arbeitgeber seinen Informationspflichten nicht nachkommen sollte, erfahren die Stufenvertretungen spätestens in den GBR- bzw. KBR-Sitzungen von geplanten Maßnahmen und können sofort aktiv werden. Auch verweise ich gerne auf § 182 SGB IX, der eine enge vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und den jeweiligen Stufenvertretungen und natürlich auch den Organen des BetrVG fordert.

Können die Stufenvertretungen auch verlangen, dass ihnen schriftliche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, damit sie ihre Aufgaben entsprechend wahrnehmen können?

Gudula: Ja! Die Stufenvertretungen können die Überlassung schriftlicher Unterlagen bzw. ein Einsichtsrecht fordern. Der Arbeitgeber hat diejenigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, deren Kenntnis die jeweilige Stufenvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt. Ich rate immer, den Informationsanspruch so konkret wie möglich zu formulieren. Aber auch schriftsätzlich aufzunehmen, dass ggf. noch weitere Informationen angefordert werden, wenn dies zur Entscheidungsfindung erforderlich sein sollte. 

Gudula Völkel

Fachanwältin für Arbeitsrecht & Sozialrecht

Gudula Völkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht & Sozialrecht. Für das ifb referiert sie seit dem Jahr 2000 zu vielen Themen der Schwerbehindertenvertreter. Sie vertritt als Rechtsanwältin ausschließlich Arbeitnehmerinteressen.

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