Wiederholungs- oder Trotzkündigung?

  • Einem Kollegen wurde die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Die außerordentliche Kündigung wurde vom ArG zugunsten des Kollegen entschieden, die hilfsweise ordentliche Kündigung hatte unser superkluger AG gründlichst verdaddelt (falsche Kündigungsfrist, Ausspruch vor abschließender Stellungnahme des BR). :lol: Daher wurde die Kündigung insgesamt abgewiesen, und bzgl. der ordentlichen Kündigung war eine Prüfung der Gründe gar nicht mehr notwendig. Nach dem Urteil bot der Kollege seine Arbeitskraft an und wurde wieder heimgeschickt.

    Jetzt wird uns die Anhörung zur ordentlichen Kündigung erneut vorgelegt – mit richtiger Kündigungsfrist, aber gestützt auf die gleichen Gründe. Der Hilfsantrag sei ja „allein an Formfehlern gescheitert“ und würde hiermit nachgebessert.

    Ist diese „geheilte Wiederholungskündigung“ statthaft, oder liegt nicht eher eine unzulässige Trotzkündigung vor? War das Gestaltungsrecht nicht durch die erste Kündigung verbraucht?

    Weitere Frage: Im Urteil befindet sich der Satz: Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen, soweit die Berufungssumme nicht erreicht ist. Was heisst das auf volkstümlich?

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Berufungssumme Rechtsmittel im Urteilsverfahren[Bearbeiten]

    Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts kann Berufung eingelegt werden, wenn die Berufungssumme 600 Euro übersteigt oder...

    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/A…ichtsbarkeit_(Deutschland)

    Den Begriff der "Trotzkündigung" gibt es im Arbeitsrecht nicht.

    Der AG kann Euch "theoretisch" jede Woche eine neue Kündigung vorlegen.

    Ihr habt sie halt nach den Gründen in § 99 (2) zu prüfen und könnt die Zustimmung verweigern oder Bedenken äussern.

    Wenn der AG dann trotzdem kündigt, muss der Kollege halt wieder vor Gericht.

  • Zitat von Ohadle

    Ihr habt sie halt nach den Gründen in § 99 (2) zu prüfen und könnt die Zustimmung verweigern oder Bedenken äussern.

    Da meinst du wohl den § 102 (2) BetrVG bei Bedenken, sowie den § 102 (3) bei Widerspruchsgründen.

    In dem beschriebenen Fall, kann der Arbeitgeber erneut mit den identischen Kündigungsgründen anhören, da das Gericht die Kündigungsgründe materiell nicht geprüft hat, bzw. nicht zu prüfen hatte. Also ist in diesem Fall der formelle Fehler des Arbeitgebers heilbar.

    Sind die Kündigungsgründe dagegen vom Gericht geprüft worden und in die Urteilbegründung mit eingebunden, dann ist eine Wiederholungskündigung mit den identischen aufgeführten Gründen unzulässig. (Ausnahme dürfte ein sogenannter Dauertatbestand sein).Dennoch muss der Gekündigte natürlich Kündigungsschutzklage einreichen.

    Im Normallfall müssen sich für eine erneute Anhörung zur Kündigung, die Kündigungsgründe - zumindest teilweise - geändert haben.

    Grüße

    Logistik100

  • Ich werde mal genauer: Dem Kollegen wurde Arbeitszeitbetrug vorgeworfen, aber nicht bewiesen. Die Kündigung wurde als Tatkündigung eingereicht, ebenso die erneute Kündigung. Wir werden unsere zu erwartenden Bedenken gegen die Kündigung wohl auf den unbewiesenen Tatbestand und die Interessenabwägung stützen.

    Das mit der Berufung habe ich aber immer noch nicht kapiert :oops:

    Ginge der Fall erneut vor das ArG müsste der Kollege seine Anwaltskosten selber tragen und er ist weder Gewerkschaftsmitglied, noch rechtsschutzversichert.

    Ginge es dagegen als Berufungsklage vors LAG müsste die unterlegene Partei auch die Anwaltskosten der anderen Partei übernehmen. Ist das richtig so?

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • In der ersten Instanz trägt jede Partei ihre gerichtlichen und außergerichtlichen Anwaltskosten selbst, ganz egal wer obsiegt.

    Ab der zweiten Instanz trägt die Partei, die im Prozess unterliegt, alle Kosten. Also auch den gegnerischen Rechtsanwalt.

    Die Gerichtskosten trägt immer die Partei, die den Prozess verliert. Auch in der ersten Instanz vorm Arbeitsgericht.

    Grüße

    Logistik100

  • Dank dir erstmal, Logistik 100,

    ist dieser Satz Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen, soweit die Berufungssumme nicht erreicht ist jetzt so zu verstehen, dass keine Berufung zugelassen ist, weil die Berufungssumme nicht erreicht wurde oder ist das so eine allgemeine Klausel, die halt immer druntersteht und in jedem Einzelfall auf Anwendbarkeit zu prüfen ist?

    Mir geht es darum, ob die Klage als "Neuklage" wieder vor dem ArG landet (was bedeutet, dass der Kollege für die Dusseligkeit des AG auch noch mit doppelten Anwaltskosten gestraft würde... ) :cry: oder als Berufungsklage vor das LAG geht und dieses hoffentlich ein Machtwort spricht.

    edit: Der Kollege rief gerade an. AG kann lt. Urteil Beschwerde beim LAG einlegen.

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Hallo MdL,

    ich vermute mal das der Satz mit der Berufungssummer mehr eine allgemeine Klausel ist.

    Wenn der AG gegen die alte Kündigung keine Berufung oder Beschwerde einlegt, ist der Alte Fall damit abgeschlossen.

    Die neue Kündigung ist ein neuer "Fall" - wenn auch mit gleichem bzw. ähnlichem Sachverhalt.

    Das könnte der AG quasi auch zu jedem neuen Monatsende neu machen (wenn er schlau wäre mit leicht geänderten / angepassten Gründen).

    von daher wird der kollege erneut Kündigungsschutzklage vorm AG einreichen müssen.

    Man kann ihm nur raten schnellstmöglich der Gewerkschaft beizutreten.

  • Hier auch ein, wie ich finde, relativ guter Link.

    http://www.aok-business.de/bay…ansicht/poc/docid/521575/

    Zitat von Der Mann mit der Ledertasche

    Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen, soweit die Berufungssumme nicht erreicht ist

    verstehe ich so, dass die Berufung nicht zugelassen wird, da der der Beschwerdegegenstand unter 600 Euro ist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erforderlich ist.

  • Hallo Ohadle,

    leider hast du Recht. Die Regelung, dass beim ArG in der 1. Instanz jede Partei ihre Kosten selber trägt, war ursprünglich als Schutz für die AN gedacht, damit der AG sie nicht mit einem sauteuren Anwalt in den Ruin treibt. Leider ist gut gemeint oft das Gegenteil von gut.

    <Jammermodus> Unser AG ist zwar nicht schlau, aber gerissen und die wenigen schmutzigen Tricks, die er selbst nicht drauf hat, bringt ihm sein Unrechtsanwalt bei. In diesem Fall: „Auch wenn ich sämtliche Prozesse verliere, im Gegensatz zum AN kann ich mir das leisten. Irgendwann habe ich ihn so zermürbt, dass er für eine lächerliche Abfindung zu gehen bereit ist. Und den BR bezeichne ich einfach als prozessgeil, wenn man nur genug mit Dreck schmeisst, bleibt schon irgendwann was hängen...“

    Und wenn 9 von 10 Kolleg/innen gekündigt wurden, sagt der/die 10. noch: „Was soll ich denn in der Gewerkschaft trillerpfeifen und rote Fahnen schwenken, ich mache meine Arbeit anständig und kann meinen Kram selber regeln..“</Jammermodus>

    Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich manchmal kotzen könnte... :evil:

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Hallo Ledertaschenmann,

    bei mir sitzen auch regelmäßig Kollegen, die um Rat Fragen.
    Und genauso regelmäßig höre ich, sobald von Klage die Rede ist: " Aber wer soll das bezahlen? Ich bin doch nicht rechtsschutzversichert und auch in keiner Gewerkschaft oder Berufsverband Mitglied."

    Mittlerweile schalte ich da keinen Jammermodus mehr an.
    Das Leben -insbesonderer das Arbeitsleben- ist geprägt von Konflikten. Der intellektuell normal begabte Arbeitnehmer sollte das wissen. Wer sich im Berufsleben nicht gegen bestimmte Risiken absichert und sich stets drauf verlässt, dass schon alles gut gehen wird, kann auf mein Mitleid nicht hoffen.
    Es mag sein das der Arbeitgeber ihn ungerecht behandelt, mobbt und schikaniert. Das ist im Einzelfall tragisch und in keiner Weise zu akzeptieren. Aber sich früh genug für solche Fälle abzusichern, hat jeder selbst in der Hand.
    Ich wünsche Deinem Kollegen, dass er zu seinem Recht kommt. Die Frage scheint allerdings zu sein, ob er sich dass auch leisten kann........:cry:

  • Zitat von Der Mann mit der Ledertasche:

    Die Regelung, dass beim ArG in der 1. Instanz jede Partei ihre Kosten selber trägt, war ursprünglich als Schutz für die AN gedacht, damit der AG sie nicht mit einem sauteuren Anwalt in den Ruin treibt. Leider ist gut gemeint oft das Gegenteil von gut.

    Sorry, aber da gehe ich nicht mit!

    1. gibt es in erster Instanz keine Anwaltspflicht

    2. können AN eine Prozess-/Verfahrenskostenhilfe in Anspruch nehmen, so sie die finanziellen Mittel nachweislich nicht aufbringen können. Dabei wird die Prozesskostenhilfe entweder als kostenlose Hilfe oder als Ratenzahlung gewährt.

    Zitat von Metro

    Die Frage scheint allerdings zu sein, ob er sich dass auch leisten kann........Crying or Very sad

    Naja, das kann ja nicht wirklich ein Grund sein, s.o. oder auch hier. Aber man muss selbstverständlich die Hosen runterlassen. :shock:

    Kein bzw. ein nur sehr geringes Einkommen ist jedenfalls kein Hinderungsgrund, seine Angelegenheiten nicht gerichtlich prüfen lassen zu können. Auch muss man im Sinne von "Waffengleichheit" nicht auf einen Anwalt verzichten, so sich z.B. der AG anwaltlich vertreten lässt.

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.