Tips zur Durchführung - Bietriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes

  • Hallo Hubertus,

    vielen Dank für Deine rasche Antwort und den Link. Ich will offen und direkt sein: wir haben die gesamte Literatur durchstöbert und bearbeitet. Uns fehlt schlicht und ergreifend an Erfahrung, wie man konkret die Versammlung durchführt. Ich frage also für manche von Euch banalen Tipps, die aber für uns als absolute Neulinge sehr wichtig und uns Sicherheit bei der Durchführung der BV geben.

    Leider lehnt unsere Gewerkschaft eine Unterstützung und Anwesenheit ab. Wenn Ihr meine Fragen gelesen habt, werdet Ihr sagen, nehmt Euch eine Fachkraft. Ja, würden wir gerne. Aber wen? wo bekommt man die

    Nehmen wir also z.B. eine Muster-Tagesordnung aus dem Internet:

    Beginn 09.00 Uhr - Mitte April:

    Raum: muss der Raum geschlossen sein? oder wäre eine offene Halle (Atrium) möglich, bei der evtl. Dritte Ihre Nase reinstecken?

    Getränke: zahlt der AG die Getränke?

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    1. Information zu Zweck und Ablauf der Versammlung

    • wer ergreift hier das Wort, wer fängt an?
    • Was, wenn Fragen zur Rolle und Aufgaben des Betriebsrates kommen? Ein Gewerkschaftvertreter oder ein kompetenter Speaker haben wir nicht. Wir können wir dies "umschiffen"?
    • Wie lange soll dieser Tagesordnungpunkt umfassen?

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    2. Wahl eines Versammlungsleiters und eines Protokollführers

    • sollen diese aus den Einladenden sein, wer wählt, mit welcher Mehrheit?
    • Ist der Versammlungsleiter gewählt, kann er sodann seines Amtes walten und gleich die Wahl des Protokollführers leiten?
    • was macht der Protokollführer - außer Protokoll führen? Gibt es Formvorgaben für das Protokoll, gibt es einen Verteiler? Auch hier: wer wählt, mit welcher Mehrheit?

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    3. Wahl eines Wahlvorstands

    • muss vorher die Versammlung die Anzahl der Mitglieder des Wahlvorstandes festlegen (mindestens 3) und Ersatzmitglieder?
    • Wie wird hier gewählt, per einfacher Mehrheit, per Handzeichen?
    • Müssen Mitglieder- und Ersatzmitgliederanzahl gleich sein?
    • stellen die Einladenden sogleich die Vorschläge der eigenen Kandidaten für den Wahlvorstand vor, wie in der Muster-Einladung i.d.R. angekündigt?
    • nimmt der Versammlungsleiter weitere Kandidaturen der Anwesenden an?
    • Stellen sich die Kandidaten in Persona vor? Was kennt Ihr hier für Angaben - außer Vor- und Zuname?
    • werden die nacheinander gewählt? zuerst alle Hauptmitglieder nacheinander, danach die Ersatzmitglieder nacheinander?
    • wie wird konkret die Abstimmung abgewickelt? Handzeichen? Aufstehen? per Akklamation:-)) - wer zählt, wie viele zählen? (4-Augen-Prinzip?)

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    btw: wie lange dauert denn so eine Betriebsversammlung insgesamt, wenn man die wie oben durchführt?

    Weitere Fragen kommen sicherlich...

    Wenn hier einer sagt, "Ihr habt nun wirklich keine Ahnung" - dann habe Ihr Recht. Aber die früheren Betriebsräte in den Textilfabriken hatten auch keine. Ohne sie gebe es dieses Forum heute nicht..

    Vielen Dank im Voraus

  • Puh... das sind viele Fragen. Und die meisten davon haben letzlich nix mit Arbeitsrecht zu tun.

    Aber probieren wir es mal, da ein wenig Licht reinzubringen.

    Vorweg erlaube ich mir den Hinweis, dass ihr euch da zu viele Gedanken macht!

    (Was prinzipiell besser ist, als sich gar keine zu machen, aber man muss es auch nicht übertreiben!)

    Zitat von Inirimi

    Raum: muss der Raum geschlossen sein? oder wäre eine offene Halle (Atrium) möglich, bei der evtl. Dritte Ihre Nase reinstecken?

    Muss er geschlossen sein? Nein. Besser wäre es, aber letztlich sehe ich hier kein Muss.

    Blöd wäre es aber in der Tat, wenn nicht nur gelegentlich mal jemand durch die Halle muss. (Also das Atrium eines Bürogebäudes mit zig Firmen wäre wohl denkbar ungeeignet.)

    Zitat von Inirimi

    Getränke: zahlt der AG die Getränke?

    Warum sollte er? (Und wie lange wollt ihr die Veranstaltung denn machen?)

    Zitat von Inirimi

    Was, wenn Fragen zur Rolle und Aufgaben des Betriebsrates kommen? Ein Gewerkschaftvertreter oder ein kompetenter Speaker haben wir nicht. Wir können wir dies "umschiffen"?


    Sorry, aber wenn ihr das nicht aus eigenem Antrieb mit Inhalten füllen könnt, solltet ihr euch fragen, ob ihr die Lawine wirklich lostreten wollt.

    Für die meisten deiner anderen Fragen gilt: das legt ihr fest. Und zwar so, wie ihr es für richtig haltet. Der BR später unterliegt diversen rechtlichen Regelungen, aber die Schwellen für die Errichtung sind bewusst niedrig gehalten.

    Ich würde zwar mit Kandidaten im Hinterkopf in die Veranstaltung gehen, aber sie nicht im Vorfeld benennen. a) um die Kollegen nicht dem Druck auszusetzen und b) um nicht das Gefühl zu vermitteln es wäre alles längst geregelt (auch wenn es das faktisch schon eher ist).

    Daraus folgt logisch, dass selbstverständlich sich auch Kollegen auf der Veranstaltung zur Wahl stellen können (oder vorgeschlagen werden).

    Abstimmung geht fantastisch mit Handzeichen wenn sie eindeutig ist. Ist sie nicht eindeutig, muss man abzählen (und ja, mindestens vier Augen) oder Zettel verteilen (vorbereiten)

    Wie groß der Wahlvorstand sei muss ist letztlich abhängig von der Art und Größe des Unternehmens. Bei kleinen Betrieben reichen 3, bei größeren oder verteilten sollte der Wahlvorstand größer sein.

    Das Protokoll sollte festhalten, wer die Veranstaltung geleitet hat, wer als Kandidaten vorgeschlagen wurde und mit welchen Stimmen sie gewählt wurden.

    Das fertige Protokoll erhält der Wahlvorstand und der AG. Der AG zur Information, der Wahlvorstand als demokratische Legitimation. Er wird es zu den Unterlagen nehmen und nach der Wahl dem BR übergeben.

    Ich hoffe, für den Anfang reicht das erst einmal. Ihr könnt bestimmen und zwar so, wie ihr es für richtig haltet. Viel Erfolg!

    Wie lange eine solche Veranstaltung dauert lässt sich pauschal schlecht sagen. Ich kenne Fälle, da hat sie keine 10 Minuten gedauert. Und Fälle, da wurde erst einmal ein eineinhalbstündige Grundsatzdiskussion geführt. (Warum auch immer. § 1 BetrVG schreibt die Wahl von Betriebsräten zwingend vor. Eigentlich bedarf es da keiner Diskussion.)

    Ihr kennt eure Kollegen besser und habt vielleicht eine Idee, was euch erwartet. Wenn ihr schon Kandidaten für den Wahlvorstand im Kopf habt, also auch hier schnell zu einer Abstimmung kommen könnt, sollten 30 Minuten ausreichen. Wenn der Laden aber größer sein und jemand Wert auf schriftliche Abstimmung legen (dem würde ich immer nachkommen), dann kann das auch länger dauern.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Hallo Inirimi

    Ich hab da mal eine Frage aus welchen Grund und mit welcher Gewerkschaft habt ihr da gesprochen?

    Bei uns in Bayern ist die Gewerkschaft Textil und Bekleidung von der IGM geschluckt worden und die hat eigentlich auch kleinst Betriebe unterstützt.

    Gruß aus Franken

    Bergalf

  • Für mich klingt das so, als ob Inirimi sich erhofft hat, dass die Gewerkschaft den Wahlvorstand bestellt, diese wollte dies jedoch wohl nicht tun.

    Jede Geschäftststelle kann ja für sich selbst entscheiden ab welchem Organisationsgrad sie sich bei Betriebsratswahlen mit einbrigt oder dies eben bleiben lässt.

  • Hallo an alle, insbesondere an Moritz,

    vielen herzlichen Dank für die ausführliche Informationen und Hilfsmittel. Das gibt uns Sicherheit bei der Durchführung der Betriebsversammlung.

    Was die Gewerkschaft angeht, so muss ich vorerst höchste Diskretion bewahren, weil die Bemühungen noch laufen.

    Nein, wir wollen nicht dass die Gewerkschaft den Wahlvorstand bestellt. Es hätte gereicht, wenn sich die Sekretärin für das Thema überhaupt interessiert oder nicht so hostil gegenüber gezeigt hätte. Man hat den Eindruck, die Sekräterin (Norddeutschland) sei auf Seiten des AG. Selbst der AG ist dem Vorhaben weniger gegnerisch gegenüber eingestellt.

    Nachdem wir inzwischen gehört haben, dass der AG auch eine BV zur Wahl des Wahlvorstands sabotieren kann, um diese im Nachhinein anzufechten, wäre es uns lieber, wir hätten bei der BV eine Gewerkschaft oder einen Sachverständiger dabei.

    Wisst Ihr, ob es sowas gibt und wo man den/die herbekommt?

  • Die einzigen Externen, denen der AG Zutritt gewähren muss, sind im Betrieb vertretene Gewerkschaften. Ist die aber nicht im Betrieb vertreten (sprich ist kein AN dort Mitglied) oder wollen die nicht, sieht es schlecht aus mit externem Sachverstand.

    Magst du uns vielleicht erzählen wie groß euer Unternehmen ist? (Einfach nur, damit wir besser beurteilen können, ob bei euch das vereinfachte oder das Standardwahlverfahren zur Anwendung kommen kann/muss/darf.

    Und ja, es gibt diverse Fallstricke, aber die meisten davon könnt nicht ihr begehen. Ihr braucht nur drei AN die zur Wahlversammlung einladen. Da könnt ihr nicht viel falsch machen.

    Der Wahlvorstand hat dann wieder Zeit (und vor allem das Recht!) sich sachkundig zu machen um eben keine Fehler zu begehen.

    Also alles Step by Step!

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Hallo Moritz,

    das Unternehmen beschäftigt 900 Mitarbeiter, es kommt als das sog. Normalverfahren zum Tragen.

    Wir machen uns weniger um eigenen Fehler Sorgen. Diese hast Du uns ja gottlob mit Deinen Tipps genommen.

    Die Resonanz in der Belegschaft ist überraschend riesig! Es werdne mehr kommen, als geahnt. Bei 100 oder mehr wird es unübersichtlich. Manche werden Geheimwahlen fordern, leitende Angestellte werden den Raum nicht verlassen wollen, AG-freundliche ANs werden stören... es kann also vieles geschehen, was wir nicht rechtssicher in den Griff bekommen.

    Von den diversen vertretenen Gewerkschaften gibt es wiederum nur eine, die zuständig ist. Die anderen werden nicht kommen, auch wenn sie Mitglieder haben. Es ist wohl eine Absprachen zwischen den Gewerkschaften.

    Deshalb noch einmal die Frage: extener Sachverstand. Schwierig oder unmöglich?

  • Seit Toyota wissen wir ja, dass nichts unmöglich ist. ;)

    Schwierig ist es allemal. Wenn der AG mitspielt geht alles. Wenn ihr den aber außen vor lassen wollt, müsstet ihr erst einmal jemanden finden, der euch kostenlos seinen Sachverstand zur Verfügung stellt (denn es gibt keinen Rechtsanspruch auf Kostenersatz) und den muss der AG dann auch noch auf das Gelände lassen... deswegen wäre meine Einschätzung da eben: schwierig mit Tendenz zu unmöglich... (aber s.o.)

    Was die leitende Angestellten angeht: ja, sie haben kein Teilnahmerecht. Und ja, ich würde sie auffordern die Versammlung zu verlassen. Und wenn sie sie nicht verlassen, ihnen freundlich mitteilen, dass sie gerade die Wahl des Betriebsrates behindern, und dem Wahlvorstand empfohlen wird, sie dementsprechend gem. § 119 BetrVG rechtlich zu belangen. Da ihr ihnen nicht weisungsbefugt seid, könnt ihr sie nicht des Raumes verweisen (gleichwohl könnt ihr den AG auffordern sie abzuziehen!)
    Darüber hinaus würde ich mir an der Stelle überhaupt keinen Kopf machen!

    Wenn Euer Laden so groß ist und ihr über keine geeigneten Räume verfügt, würde ich an eurer Stelle nach geeigneten Räumlichkeiten in der Nähe suchen (Festsaal in einem Hotel o.ä.) und mit denen zumindest schon mal einen Termin und die Kosten absprechen.

    Dann die Einladung so rechtzeitig erstellen, dass man auch den Ort noch ändern kann. Sprich: An dem Tag, vorraussichtlich an der Stelle.

    Und dann mit dem AG sprechen. Bei der Größenordnung sollten die Kosten nicht das Problem sein (ihr braucht den Raum ja nicht für den ganzen Tag und es müssen ja auch nicht alle versorgt werden (obwohl das natürlich dem Raumanbieter lieber wäre)). Aber dann kann der AG zumindest noch sagen: ja ist ok oder nee, lasst uns das doch lieber hier machen...

    Ansonsten habe ich gerade nochmal in die Kommentierung zum § 17 BetrVG geschaut: eine geheime Wahl ist nicht vorgeschrieben, es muss nur am Ende klar sein, wer gewählt ist.

    D.h. bei der Größenordnung würde ich 5 Mann als Wahlvorstand benennen und im Paket abstimmen lassen: Wer ist dafür, dass die 5 den Wahlvorstand mimen?

    Passt.

    Solltet ihr aber mehr Kandidaten haben, müsst ihr über jeden einzeln abstimmen lassen!

    Und sollte, aus welchen Gründen auch immer (und sei es, weil eben zu viele Störer die Versammlung immer wieder unterbrechen) die Versammlung nicht stattfinden oder keinen Wahlvorstand wählen, dann zieht § 17(4) BetrVG, d.h. ihr stellt dann den Antrag bei ArbG den Wahlvorstand zu bestellen. Punkt!

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Hi Moritz,

    Danke für deine Tipps.

    Kostenlos muss der Sachverständiger nicht sein. Also wenn Du oder jemand eine Idee hat, würde ich mich sehr freuen, zu hören, welche Ideen es so gibt.

    LG

  • Zitat von Inirimi

    Kostenlos muss der Sachverständiger nicht sein.

    Achso? Dann schick mir mal 'ne Rechnungsadresse... ;)

    Da tut es jeder Fachanwalt für Arbeitsrecht. Adressen findest du im Internet oder du fragst mal beim ifb an. Die haben eine extra Hotline rund um die BR-Gründung und können dir bestimmt auch Adressen bei dir in der Nähe nennen.

    Und wenn ihr so groß seid, habt ihr doch bestimmt auch den einen oder anderen Kunden/Zulieferer.

    Vielleicht hat von denen einer einen Betriebsrat, der für eine Kiste Bier und eine Lage Grillgut aktiv wird. (So unter Kollegen.)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Inirimi: Bei so einer BR Wahl kann viel schief gehen und egal wie sehr ihr Euch anstrengt, ich wette es wird einen Grund geben (gerne auch mehrere) wegen denen jemand die Wahl anfechten könnte.

    Zum einen sind diese Klagen jedoch recht häufig nicht von Erfolg gekrönt, weil die Gerichte auch wissen, dass ihr keine Anwälte seid. Nur bei den Fristen müsst ihr richtig aufpassen, wenn da was daneben geht wirds gefährlich, dafür gibt es aber mittlerweile diverse Fristenrechner die einem Helfen.

    Zum anderen fehlt es einfach sehr Häufig am Kläger und wo kein Kläger da kein Richter. Du scheinst vorallem Angst davor zu haben, dass der AG irgendwo Klage erheben könnte, der hat in der Regel am wenigsten Interesse daran. Er muss die Gerichtskosten zahlen und selbst wenn er denn erfolg hat, dann wählt ihr einfach nochmal...

    er darf dann nochmal die ganzen Kosten der BR-Wahl tragen inclusive der erneuten Schulung des Wahlvorstandes (Da bei der letzten BR-Wahl ja was schief lief, hatte dieser wohl noch Wissenslücken...) und der Wählerwille wird durch eine erfolgreich angefochtene BR Wahl ja meist nicht geändert, er hat am ende also den Selben BR wie vor der Wahlanfechtung nur etwas später und wesentlich teurer.

    Selbst das etwas später kann der BR umgehen in dem er geschlossen den rücktritt erklärt in der Zeit inwelcher die Klage läuft. Dann ernennt er einen Wahlvorstand und ist im Amt bis die BR wahl durchgeführt wurde. Die zurückgetretenen BR Mitglieder können auch bei der neuen Wahl kandidieren und gewählt werden und die Klage des AG ist nichtig, da der Klagegrund weg gefallen ist.

    Is jetzt viel Kram und das meiste davon wirst du hoffentlich nicht brauchen, ich will damit nur sagen, zieht das nach besten Wissen und Gewissen durch und in der Regel wird es auch dann zu einem BR führen wenn ihr den ein oder anderen Fehler gemacht habt.

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.