Mehrarbeitsantrag vs. BV zur Arbeitszeit

  • Hallo,

    ich habe schon wieder ein Frage.

    Was ist mächtiger? Ein genehmigter Mehrarbeitsantrag oder eine Betriebsvereinbarung?

    Der Fall ist dieser. Wir haben eine BV über die flexible Arbeitszeit und da ist geregetl, dass Überstunden in ein Gleitzeitkonto fließen. Glaitzeitguthaben bzw. Gleitzeitschuld können maximal 150h betragen. Der Saldo wird immer zum Monantsende gezogen und sollte das Guthaben eines Mitarbeiters am Monatsende über 150h liegen, dann wird gekappt und alle Stunden über 150h verfallen. (Mit dem BR kann eine Ausnahme vereinbart werden, aber das ist hier nicht das Thema)

    Nun haben wir einen Antrag auf Mehrarbeit für eine Abteilung erhalten. Der sieht vor, dass die geleisteten Mehrarbeitsstunden auf das GLZ-Konto fließen und die tariflich vereinbarten Zuschläge ausgezahlt werden.

    Was passiert jetzt, wenn ein MA während der angeordneten Mehrarbeit an die 150h-Grenze stößt?

    Bis jetzt vertreten wir vom BR den Standpunkt, dann kann der betroffene Mitarbeiter die angeordnete Mehrarbeit nicht leisten und ist davon ausgenommen.

    Ist das aber rechtlich so korrekt? Was hat den höheren rechtlichen Stellenwert? Die BV oder der genehmigte Mehrarbeitsantrag?

    VG

    Rockabilly

  • Zitat von Rockabilly:

    Ist das aber rechtlich so korrekt? Was hat den höheren rechtlichen Stellenwert? Die BV oder der genehmigte Mehrarbeitsantrag?

    Grundsätzlich gilt natürlich die von beiden Seiten abgeschlossene BV.

    Was natürlich geht ist, dass eine Seite - in dem Fall der AG - einen Mehrarbeitsantrag stellt, der im Widerspruch zur BV steht.

    Der BR stimmt diesem abweichenden (Mehrarbeits-)Antrag jetzt zu.

    Damit haben beide Seiten gemeinsam der Abweichung von der Regelung in der BV zugestimmt und damit passt es wieder.

  • Hallo.

    Mit Verlaub, diese BV ist mindestens in diesem einem Passus rechtswidrig und damit nichtig. BR und AG können und dürfen nicht vereinbaren, dass AN für geleistete Arbeit das Entgelt vorenthalten wird, und nichts anderes als das Vorenthalten von Entgelt trotz geleisteter Arbeit bedeutet diese "Kappung".

    Grundlage ist 611 Satz 1 BGB: Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

    Der AG kann und darf also keine Mehrarbeit über diese 150-Stunden-Grenze anordnen, oder aber er kann sie (unter Wahrung der Mitbestimmung des BR) anordnen, muss dann aber die geleisteten Stunden komplett vergüten.

    M.E. muss der BR dem im Rahmen einer Zustimmung über die 150er-Grenze hinaus klar Ausdruck geben. Wobei ich mich frage, warum sollte der BR einer Überschreitung dieser Grenze zustimmen? M.E. wäre eine Zustimmung nur im Rahmen der BV sinnvoll, und auch das sollte der BR klar zum Ausdruck bringen.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zitat von Winfried

    BR und AG können und dürfen nicht vereinbaren, dass AN für geleistete Arbeit das Entgelt vorenthalten wird, und nichts anderes als das Vorenthalten von Entgelt trotz geleisteter Arbeit bedeutet diese "Kappung".

    Winfried, wir haben eine ähnliche (etwas abgefederte) Regelung in unserer BV. Ich halte sie im Hinblick auf die Besonderheiten in unserem Betrieb auch für rechtmäßig. Könnte also sein, dass das im Betrieb von Rockabilly ähnlich ist:

    Bei uns bekommen die meisten Mitarbeiter Aufträge, die sie abarbeiten. Wieviele Stunden sie dafür brauchen, ist nicht immer absehbar. Die Kollegen achten selbst darauf, dass sie die Überstundengrenze nicht überschreiten, indem sie (möglichst rechtzeitig) die Übernahme weiterer Aufträge ablehnen. Die Teamleiter achten ebenfalls auf die Über- bzw. Minusstunden.

    Die drohende Kappung heißt bei uns also: Der Mitarbeiter ist nicht befugt, Mehrstunden oberhalb der Grenze zu machen, und der AG darf sie ihm auch nicht anordnen (vorbehaltlich einer anderen Einzelfallregelung mit Zustimmung des BR).

    @ Rockabilly: Ob Winfrieds Bedenken bei Euch zutreffen, kann ich nicht sagen.Grundsätzlich hat er sicher Recht.

    Ob bei Euch die Einzelabrede für die Abteilung die Regeln der BV schlägt, liegt an der genauen Formulierung. Aber wenn die Regelung der BV nicht ausdrücklich ausgesetzt ist, dann dürfte sie auch bei der genehmigten Ausnahme wirken.

  • Ja das war ja genau meine Frage.

    Wir vom BR vertreten den Standpunkt, dass Mitarbeiter die die Grenze des Gleitzeitkontos erreicht haben, auch keine angeordneten Überstunden mehr ableisten müssen, weil sie sonst gegen die BV verstoßen würden.

    Daher die Frage was mächtiger ist, die BV oder der Mehrarbeitsantrag.

    Die andere Frage wäre jetzt, müssen die Kollegen die angeordnete Mehrarbeit trotzdem durchführen und werden dann die entsprechenden Überstunden, die dei Grenze des Gleitzeitkontos übersteigen, direkt ausbezahlt?

    Nochmal zur allgmeinen Kappung bei erreichen der 150h Grenze. Die BV sieht einen Gleitzeitrahmen vor. Und wenn der erreicht ist und weder der betreffende Mitarbeiter, noch sein Vorgesetzter, noch der BR haben es mitbekommen (warum auch immer). Wie willst du dann verfahren? Nachträglich den Gleitzeitrahmen öffnen? Dann braucht man so eine Vereinabrung auch nicht machen, weil die dann ja leicht korrumpiert werden kann.

    Genauso wird ja auch nach 10h Arbeitszeit am Tag gekappt, damit das ArbZG eingehalten wird. Das ist ja so Gang und Gäbe nach meinen Erfahrungen...

  • Zitat von Rockabilly

    Genauso wird ja auch nach 10h Arbeitszeit am Tag gekappt, damit das ArbZG eingehalten wird. Das ist ja so Gang und Gäbe nach meinen Erfahrungen...

    Richtig, das geht hier aber ohne weiteres, weil es eine gesetzliche Regelung gibt, die besagt, dass längere Arbeitszeiten unzulässig sind und der AG damit klar macht, dass er weder gewillt ist die Überschreitung hinzunehmen, noch sie zu vergüten.

    Eure 150-Stunden-Grenze ist eine rein willkürliche und die Kernaussage am Ende bleibt (mal so ganz plakativ!): Es hat doch bisher auch keinen interessiert, dass du in Arbeit ersäufst. Also jammer gefälligst leise und mach die Arbeit für umme...

    Ich hoffe zumindest, dass das nicht das war, was ihr ausdrücken wolltet!

    Unser AG wollte es fast genauso. Und wir haben ihm klar gemacht, dass wir es nicht akzeptieren, wenn der AG seine Häuptlinge nicht im Griff hat, dass die Indianer dann die Zeche zahlen.

    Deswegen gibt es jetzt ein Ampelmodel. Grün heißt: der AN kann frei entscheiden (nach Absprache in der Abteilung, schon klar) wann und wie er Überstunden abbaut. Gelb bedeutet: AN und Führungskraft müssen einen Plan erarbeiten, wann und wie die Stunden abgebaut werden (es gibt z.B. Fälle, da kommen zwar keine neuen Stunden hinzu, aber es passt gerade nicht mit dem Abbau. Kein Problem, solange festgelegt ist, wann sie denn abgebaut werden). Und erst bei Rot kann die Führungskraft auch einseitig den AN nach Hause schicken und freie Tage anordnen oder, mit besonderer Genehmigung der GF, die Stunden auszahlen lassen.

    Zitat von Rockabilly

    Wir vom BR vertreten den Standpunkt, dass Mitarbeiter die die Grenze des Gleitzeitkontos erreicht haben, auch keine angeordneten Überstunden mehr ableisten müssen, weil sie sonst gegen die BV verstoßen würden.

    Und aus genau dem Grunde sollte es klar sein, dass ein BR einen solchen Überstundenantrag nicht genehmigen kann/darf/soll.

    Und wenn ihr den aktuellen Stand des Überstundenkontos nicht kontrollieren könnt (oder meinetwegen auch nicht wollt), dann solltet ihr eine bedingte Zustimmung aussprechen: der Mehrarbeit wird zugestimmt unter der Maßgabe, dass die BV eingehalten wird und die 150 Stunden nicht überschritten werden. Sollten die 150 Stunden durch diesen Antrag überschritten werden, sind die, die 150er Grenze überschreitenden, Stunden sofort auszuzahlen. Andernfalls gilt der Antrag als nicht genehmigt.

    So wie ihr es macht, werden die Stunden von euch genehmigt, was alleine aber die BV nicht aushebelt, und somit die Stunden gekappt. Sprich, ihr lasst hier eure Kollegen ganz schön im Regen stehen! (Wärt ihr mein Betriebsrat, solltet ihr nach so einer Aktion schnell rennen können!)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Hallo.

    Ich kann Moritz hier nur allervollumfänglichst zustimmen.

    Das Risiko des Überschreitens des Zeitrahmens vom AG auf die AN abwälzen? Meines Erachtens ein No-Go. Wie man so eine Vereinbarung dann hält? Indem man bei Verstößen den AG angeht und nicht die AN, notfalls muss man den AG nach 23 III BetrVG verklagen.

    Und da Du nochmals nachgefragt hast, wie es rechtlich für die AN läuft, ich wiederhole gerne, was ich schon geschrieben hatte: "Der AG kann und darf also keine Mehrarbeit über diese 150-Stunden-Grenze anordnen, oder aber er kann sie (unter Wahrung der Mitbestimmung des BR) anordnen, muss dann aber die geleisteten Stunden komplett vergüten. M.E. muss der BR dem im Rahmen einer Zustimmung über die 150er-Grenze hinaus klar Ausdruck geben. Wobei ich mich frage, warum sollte der BR einer Überschreitung dieser Grenze zustimmen? M.E. wäre eine Zustimmung nur im Rahmen der BV sinnvoll, und auch das sollte der BR klar zum Ausdruck bringen." Irgendwie wirkt das hier so, als wolle der BR seine Hausaufgaben nicht machen.

    Grüsse Winfried

    P.S., übrigens ist auch eine Kappung bei Überschreiten der 10 Stunden am Tag nicht rechtens, zumindest dann, wenn der AG Arbeit über diese Grenze hinaus angewiesen oder wissentlich angenommen hat.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Puhh.... :oops:

    Okay, um das mal klar zu stellen. Grundsätzlich werden bei uns erstmal keine Stunden gekappt, wenn ein Kollege die 150h Gleitzeitguthaben überschreitet. Auch wenn ich das in meinem Anfangspost anders ausgedrückt habe. Wir haben da zum Glück eine gute Zusammenarbeit mit unserer Personalabteilung. Diese informiert uns, wenn ein AN die Stundengrenze erreicht und bespricht mit uns, wie dann zu verfahren ist, wenn wir nicht selbst darüber stolpern. In so einem Fall wird normalerweise von uns eine Überschreitung genehmigt, mit der Maßgabe, dass es einen Plan von Vorgesetztem und Mitarbeiter gibt, diese Überstunden in einem vertretbaren Zeitraum wieder abzubauen. Allerdings hat das bei uns in letzter Zeit etwas überhand genommen, dass der Antrag erst kurz vor Monatsende kommt und dem BR dann die Pistole auf die Brust gesetzt wird, da wir natürlich auch nicht die Intention haben, den Kollegen für ihre geleistete Arbeit etwas wegzunehmen. Ich meine ein Gleitzeitrahmen von 150h ist eh sehr viel. Das ist fast ein kompletter Mannmonat...

    Mittlerweile haben wir auch so ein Frühwarnsystem eingerichtet, dass die Personalabteilung die entsprechenden Führungskräfte informieren soll, wenn ein Mitarbeiter über 100h im Plus oder im Minus ist, um rechtzeitig gegensteuern zu können. Im Moment funktioniert das allerdings noch nicht hundertptozentig, weil das System auch relativ neu ist.

    Wir haben auch ein Auszahlmodell, dass es den AN erlaubt, einmal pro Quartal zu festgelegten Zeitpunkten Überstunden auszahlen zu lassen. Das ist immer im März, Juni, September und Dezember. Allerdings ist das auf freiwilliger Basis für die AN. Der AG kann nicht verweigern, wenn der AN die Überstunden auszahlen lassen will (einzige Bedingung, er darf nach dem Auszahlen auf seinem Gleitzeitkonto nicht im Minus sein). Allerdings bin ich da nicht wirklich ein Freund davon, weil dadurch ja auch der Tarifvertrag grundsätzlich umgangen wird, der eine feste Wochenarbeitszeit vorsieht...

    Was bei uns nicht geht ist ein einseitiges Nach-Hause-schicken durch den AG. Das bedarf immer der Zustimmung des BR.

    Wenn wir einen Mehrarbeitsantrag genehmigen, kommunizeiren wir auch den entsprechenden Vorgesetzten, dass Mitarbeiter die 150h Grenze nicht überschreiten dürfen und in dem Fall, wenn sie die Grenze erreichen auch von der angeordneten Mehrarbeit ausgenommen sind. Das wird bei uns auch so gehandhabt und gelebt. Diese Abrede ist allerdings bis jetzt nur mündlich.

    Meine ursprüngliche Frage war, ob das dann so überhaupt rechtens ist. Bis jetzt hatten wir noch keinen Streitfall in dieser Richtung. Es kann ja mal vorkommen, dass es einen neuen Vorgesetzten gibt, der da eine harte Linie fährt. Und da will ich sicher sein, dass wir da nicht irgendeine Krücke haben, die dann den Kollegen auf die Füße fallen kann.

  • Da siehst Du mal, wie gründlich hier diskutiert wird...

    Zur Frage BV vs. Beschluß: AG und BR sind "Vertragspartner", und im gegenseitigen Einvernehmen (und im Rahmen der Gesetze) sind Verträge immer änder- oder ergänzbar. So ist es auch möglich, dass AG und BR sich einig sind, von einer BV abzuweichen. Aber gerade deswegen finde ich eine saubere Formulierung eines entsprechenden BR-Beschlusses wichtig.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.