AG plant Einführung einer Anwesenheitsprämie

  • Wir haben von einem Mitarbeiter erfahren, dass unser AG die Einführung einer Anwesenheitsprämie plant da unser Krankenstand im Vergleich zum Vorjahreszeitraum leicht gestiegen ist.

    Offiziell ist er mit diesem Anleigen noch nicht an uns heran getreten, hat aber schon andeutungen gemacht, dass er den Mitarbeitern etwas gutes tun möchte um die "Gesundheit der Mitarbeiter zu verbessern ...". In meine Naivität dachte ich da an betriebliche Sportangebote oder meinetwegen kostenloses Obst für die Mitarbeiter.

    Ich habe spontan sehr große Bauchschmerzen mit so einer Prämie aus diveren Gründen. Chronisch kranke werden dadurch benachteiligt, da sie nie die Möglichkeit haben in den genuss dieser Prämie zu kommen. Mitarbeiter werden dazu motiviert krank zur Arbeit zu kommen und so ihre und möglicherweise die Gesundheit anderer Mitarbeiter zu gefährden etc.

    Wenn der AG nun mit so einem Angebot auf uns zu kommt und wir es ablehnen, verscherzen wir es uns natürlich sofort mit den Leuten die eher wenig krank werden. Eine blöde Situation. Aber ich tendiere dennoch stark dazu, so eine Prämie nicht zu unterstützen.

    So kommen wir nun zu meinen Fragen:

    Hat jemand von Euch praktische Erfahrungen mit so einer Prämie? Funktioniert so ein Modell möglichweise sogar bei jemandem? Oder seid ihr auch eher der Meinung "Finger weg!"?

  • Hallo

    Meine Meinung? Keine Zustimmung!

    So eine Regelung benachteiligt generell Menschen die AU sind.

    Somit würde dies gegen das AGG verstoßen.

    Kollegen die AU sind und dennoch arbeiten kommen verursachen nachweislich einen höheren Schaden als die Kollegen die dann zu Hause bleiben.

    Aus einer Erkältung die in 5 Tagen kuriert werden kann wird so schnell eine Lungenentzündung mit wesentlich mehr AU Tagen.

    Deine Überlegungen von Obst, gesunder Ernährung, Präventionsmaßnahmen, Körperliche Ertüchtigung, gutes Betriebsklima usw. finde ich da sehr viel besser.

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Hallo,

    wir haben so eine Prämie. Einige wenige nehmen dann lieber einen Tag Urlaub oder Überstunden bevor sie die Prämie versäumen. Krank in die Arbeit kommen noch weniger.

    Als Zuckerl für die Belegschaft ist das schon aktzeptabel.

  • Das kann man differenziert sehen.

    Eine chronische Krankheit führt nicht automatisch zu Fehlzeiten. Die Agumentation von Erco mit dem Verstoß gegen das AGG ist quatsch. Außerdem haben wir schwerbehinderte Kolleginnen und Kollegen die viel seltener Krank sind als alle anderen.

    Ich kenne eine Firma die eine sogenannte Prämie geknüpft an Fehlzeiten hat. Da hat sich bei vielen die Beführchtungen zu lieber Krank und zu Firma als auf die Prämie zu verzichten nicht bewahrheitet.

    Das Modell sieht ungfähr so aus:

    0 - 30 Tage krank = 100% der Prämie

    31 - 65 Tage Krank = 75% der Prämie

    66 - 180 Tage Krank = 50% der Prämie

    181 - 250 Tage krank = 25% der Prämie

    ab 251 Tage krank = keine Prämie

    Es hat die Krankheitsquote wurde sogar schlechter. Es wurde beobachtet, dass AN die eine jeweilige Anzahl an Krankheitstagen hatte die nächste Spanne ausgereizt haben. Wenn jemand zum Beispiel 33 Tage nach neun Monaten krank war konnte der AG sich darauf verlassen, dass danach mehrere Ausfallzeiten bis zur nächsten Stufe der Prämie gekommen sind. Es war ja egal ob 31 Tage oder 65 Tage. Es waren ja immer 75% der Prämie.

    Stellt euch mal vor. Der Arbeitgeber steht vor den ANs und sagt: Eure Vertretung verhindert, dass ihr alle eine zusätzliche Prämie bekommt. Das geht nach hinten los. Lieber an den Modalitäten schrauben als ganz absagen.

  • Hallo

    Zitat von Lexipedia

    Die Agumentation von Erco mit dem Verstoß gegen das AGG ist quatsch.

    Könntest du das etwas genauer begründen?

    Ich sehe das so: Ein Kollege ist AU ( nicht behindert oder chronisch krank) und bekommt dafür weniger Geld.

    Wenn das keine Benachteiligung ist?

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Zitat von erco:

    Hallo

    Könntest du das etwas genauer begründen?

    Ich sehe das so: Ein Kollege ist AU ( nicht behindert oder chronisch krank) und bekommt dafür weniger Geld.

    Wenn das keine Benachteiligung ist?

    "Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen."

    Welchen Grund aus dem AGG ziehst du heran?

  • Ich bin der gleichen Meinung wie Erco!

    Auch wenn eine Behinderung oder chronische Krankheit nicht unbedingt zu erhöhter Krankheitstage führen muss ist dies jedoch sehr wahrscheinlich!Warum meint ihr denn haben schwerbehinderte Menschen einen besonderen Kündigungsschutz?

    In meinen Augen gibt es nur Nachteile durch solche Regelungen!

    Gerade kurz vor bestimmten Stichtagen schleppen sich dann die Kollegen krank zur Arbeit nur um ihre Prämie nicht zu verlieren. Damit gefährden sie sich und andere. In einigen Betrieben die sowas praktizieren nehmen AN ihre Krankheitstage gleich am Anfang des Jahres damit sie garnicht in die Versuchung kommen ihre Gesundheit wegen Geld zu riskieren.

    Dazu kommt noch Langzeiterkrankung, was ist mit Arbeitunfällen, ältere Mitarbeiter usw usw.

    Als Betriebsrat muss ich eben auch nicht immer zustimmen wenn der AG bereit ist den Geldbeutel zu öffnen wenn ich dies den Kollegen nicht in einer Betriebsversammlung vermitteln kann bin ich halt fehl am Platz!

    Prämie ja aber nicht auf Kosten der kranken Kollegen, man kann schneller dazu gehören wie man denkt! :shock:

  • Wenn Dein AG meint, durch eine Prämie die Gesundheit seiner MA zu verbessern, warum erhöht er dann nicht pauschal alle Löhne um 20-30%. Nach seiner Denke hätte er danach ja gar keinen Krankenstand mehr. Käme auf einen Versuch an ;)

    Aber wenn man sich noch in der Entgeltfortzahlung befindet ( bis zu 6 Wochen wegen der gleichen Krankheit/ Verletzung) widerspricht es aber wohl dem §4 EntFG.

    Vereinfacht heißt es ja, man bekommt das gleiche Geld, als wenn man gearbeitet hätte ( Lohnausfallprinzip). Und das beinhaltet ja wohl auch die "Anwesenheitsprämie".

    VG

    Reddel

  • Zitat von anti

    "Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen." Welchen Grund aus dem AGG ziehst du heran?

    Danke anti. Deshalb ist das auch keine Diskriminierung!

    Außerdem ist in der Firma aufgefallen, dass die Kolleginnnen und Kollegen sobald sie über eine dieser Schwellen mit den Krankheitstagen kommen diese öfter ausreizen und noch länger krank sind. Das hat die Krankheitsquote sogar erhöht. So unter den Motto: Jetzt ist es egal, ob ich 31 Tage oder 64 Tage krank bin. Es sind immer noch 75% der möglichen Prämie!!!

  • Den Gedanke "Nun macht's ja auch nichts mehr aus, wenn ich noch länger Krank bin, die Prämie ist ja eh weg" hatte ich auch schon, wollte ihn nur nicht laut aussprechen ...

    Aber ich sehe das Thema ist hier genau so ein heisses Eisen wie bei uns BR intern und eigentlich kann man sich nur die Finger daran verbrennen.

    Eventuell sollte man, sobald der AG uns seinen Wunsch offiziell mitteilt, das ganze auf der nächsten Betribsversammlung zum Thema machen, Vor- und Nachteile aufzählen und dann das Stimmungsbild der Belegschaft einfangen.

  • Hallo

    Zitat von anti

    Welchen Grund aus dem AGG ziehst du heran?

    Krankheit ist eine Behinderung. Z.B starkes Übergewicht.

    Das BAG hat mit Urteil vom 25.10.2007 das AGG konkretisiert.

    Danach dürfen nicht nur die aufgeführten Randgruppen nicht benachteiligt werden sondern niemand darf benachteiligt werden. Aus diesem Urteil heraus fällt auch Mobbing unter dem AGG.

    Jemanden auf Grundlage einer Erkrankung auszugränzen ist eine Benachteiligung nach dem AGG.

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Hallo,

    klar ist, dass der BR bei der Einführung erzwingbare Mitbestimmung hat: Der AG äußert, welche Summe Geldes er in die Hand nimmt, und dann muss er sich mit dem BR über die Verteilungskriterien einigen.

    Anwesenheitsprämien als Sondervergütung mit Kürzungsvereinbarung sind innerhalb bestimmter, relativ eng bemessener Vorgaben (siehe z.B. LAG Hamm 16 Sa 1521/09) prinzipiell zulässig, das ist schon vielfach entschieden. Sie stellen auch nicht per se einen Verstoß gegen das AGG dar, denn z.B. Behinderung führt nicht zwingend zu mehr Fehltagen und weniger Prämie, damit liegt keine mittelbare Benachteiligung vor. Der Satz "Krankheit ist eine Behinderung" ist im Übrigen, ich muss es so sagen, hanebüchener Unsinn. Bitte mal das angebliche BAG-Urteil mit Az. beibringen, unter der Datumsangabe findet sich nichts.

    Abgesehen davon stehe ich solchen Prämien extrem kritisch gegenüber, das habe ich in diversen Diskussionen zum Thema hier im Forum schon geäußert. Ultrakurzfassung: Dient nicht der Gesundheit, sondern führt im Gegenteil dazu, dass AN sich u.U. genesungswidrig krank (oder vllt sogar auch infektiös) in die Arbeit schleppen.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo

    Zustimmung ist doch etwas erfreuliches. ;)

    Aber Letzt endlich ist doch die Mehrheit hier der Meinung das so eine Regelung nichts Gutes ist.

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Sorry,

    aber die Äußerung "Krankheit ist eine Behinderung. (...) Das BAG hat (...) das AGG konkretisiert." und die damit zusammenhängende Argumentation sind und bleiben Mumpitz. Das Urteil geht MEILENWEIT am Thema hier vorbei.

    Das BAG hat sehr differenziert festgestellt, dass eine CHRONISCHE Erkrankung eine Behinderung sein KANN. Das BAG hat nichts geurteilt, was obiges Argument auch nur im Ansatz stützt. Erstens ist nicht jede Erkrankung eine Behinderung, zweitens führt eine Behinderung nicht zwingend zu mehr AU-Tagen.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Liebe Kollegen,

    bei uns wurde dies schon vor Jahren eingeführt. Gegen die Bedenken der örtlichen BR und des GBR.

    Letztendlich ist es aber so, dass niemand etwas weggenommen wird, sondern es etwas mehr gibt. Dies kann sehr differenziert diskutiert werden.

    Als SBV mit eigener Schwerbehindinderung war ich immer dagegen. Obwohl ich einige Jahre davon provitiert habe. Nun holt mcih meine Schwerbehinderung leider auch mit krankheitsbedingter Abwesenheit ein und es gibt nix mehr.

    Wie schon vorher gesagt, SB MA sind keineswegs automatisch häufiger krank als gesunde MA.

    Zu dem Thema muss auf jedenfall eine BV gemacht werden. Am besten in Zusammenhang mit einer BV zur Gesundheit, Prävention und Integration. Ein umfangreiches Thema. Dazu vorher unbedingt zu Schulungen gehen und Sachverstand einholen.

    Wen der AG gesundsein hontieren will, was macht er für die Belegschaft damit sie gesund bleibt?

    P.S.: Bei uns hat sich deswegen der Krankenstand nicht verbessert.

    Liebe Grüße Elisabeth