Ordentliche personenbedingte Kündigung

  • Hallo,

    wir (der BR) haben gerade die Anhörung zur Kündigung einer mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Kollegin auf den Tisch bekommen. Diese Kollegin ist seit 1988 im Betrieb. Sie ist seit September 2017 ununterbrochen krank gemeldet und auch vorher schon seit 2012 jedes Jahr zwischen 30 und 70% arbeitsunfähig gewesen. Der AG hat ihr Ende 2017 drei verschiedene Termine zum BEM-Gespräch angeboten, die sie immer wieder abgelehnt hat aus krankheitsbedingten Gründen (sie hat dem AG gegenüber gesagt, dass sie an einer psychischen Erkrankung leidet). Auch eine Versetzung innerhalb der Firma hat sie abgelehnt. In der eigentlichen Abteilung (Anwendersupport) fallen, bedingt durch die Krankheit, natürlich immens viele Überstunden an. Leider ist durch die spezielle Art der Aufgaben auch keine Interimsbesetzung durch Leiharbeitnehmer möglich.

    Natürlich sind wir als BR dazu da, um sowohl die kranke als auch die gesunden Mitarbeiter zu schützen. Wir wissen aber, dass diese Kollegin die Kündigung eigentlich "herbeigesehnt" hat um selber nicht kündigen zu müssen. Uns treibt jetzt die Frage um, wie wir auf diese Anhörung reagieren? Stimmt man als BR einer solchen Kündigung ausdrücklich zu, sagt man einfach gar nichts, oder informiert man den AG, dass keine Stellungnahme erfolgen wird? Was ist dann aber hinterher mit dem Integrationsamt? Die wollen doch auch eine Stellungnahme?

    Sorry für die Menge an Text und Fragen, aber wir sind da gerade echt ein wenig im Zwiespalt :(

    Vielen Dank schonmal im Voraus für eventuelle Tipps.

    Viele Grüße

    Cookie2015

  • Hallo cookie,

    sollte das IA noch nicht angehört sein und die Zustimmung noch nicht vorliegen, so ist allein dieses schon ein Zustimmungsverweigerungsgrund.

    Ich würde der Kündigung die Zustimmung verweigern.

    Nun stellt sich die Frage, habt ihr auch eine SBV gewählt? Wenn ja, dann ist auch diese vor Ausspruch der Kündigung anzuhören und zu beteiligen.

    Wenn die Kollegin wirklich nicht mehr in diesem Unternehmen arbeiten möchte, dann gibt es hier die Möglichkeit eines einvernehmlichen Auflösungsvertrages mit Hinzuziehung des Integrationsamtes.

    Wenn das der Wunsch der Kollegin ist, dann sollte die Kollegin mal hin zum Integrationsamt und dort ihr Leid kund tun und dort nach möglichen Lösungen und um mögliche Unterstützung bitten. Dieses kann sie auch zusammen mit einem Betriebsrat ihres Vertrauens/der SBV falls vorhanden.

    Gruß

    Rabauke

  • Wenn die Zustimmung des Integrationsamtes nicht vorliegt dann ist das ein formaler Grund der Kündigung zu wiedersprechen.
    Dito wenn eine vorhandene SBV nicht beteiligt und angehört worden wäre.


    Da das Integrationsamt noch keine Stellungnahme angefordert hat vom Betriebsrat und einer vorhandenen SBV ist davon auszugehen das die Zustimmung beim Integrationsamt noch nicht angefordert worden ist vom AG.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • vielen Dank für die bisherigen Antworten - die Sache mit dem Integrationsamt ist schon klar - das weiß der AG auch. Er hat in dem Anhörungsschreiben schon vermerkt, dass das Integrationsamt nach unserer Stellungnahme befragt wird. Die Reihenfolge kann er ja selbst bestimmen.

    Einen schönen Tag weiterhin

    Cookie2015

  • Zitat von cookie2015

    vielen Dank für die bisherigen Antworten - die Sache mit dem Integrationsamt ist schon klar - das weiß der AG auch. Er hat in dem Anhörungsschreiben schon vermerkt, dass das Integrationsamt nach unserer Stellungnahme befragt wird. Die Reihenfolge kann er ja selbst bestimmen.

    Einen schönen Tag weiterhin

    Cookie2015

    Die Reihenfolge sehe ich nicht als wählbar vom Arbeitgeber aus an.
    Das Integrationsamt hat er vor dem Betriebsrat zu fragen.

    Welchen Sinn macht sonst in dem Fall die Stellungsnahme des Betriebsrat, SBV und den Betroffenen an an das Integrationsamtes mit dem Ziel vielleicht keine Kündigung aussprechen zu müssen.
    Ohne das die Unterlagen auch in der Kündigungsmeldung an den BR vorliegen kann der BR sich doch gar nicht informiert finden.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Zitat von suppenkasper:

    Die Reihenfolge sehe ich nicht als wählbar vom Arbeitgeber aus an.
    Das Integrationsamt hat er vor dem Betriebsrat zu fragen.

    Welchen Sinn macht sonst in dem Fall die Stellungsnahme des Betriebsrat, SBV und den Betroffenen an an das Integrationsamtes mit dem Ziel vielleicht keine Kündigung aussprechen zu müssen.
    Ohne das die Unterlagen auch in der Kündigungsmeldung an den BR vorliegen kann der BR sich doch gar nicht informiert finden.

    doch, die Reihenfolge ist wählbar:

    Die vorherige Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten ersetzt nicht die vorherige Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG. Das BAG hat entschieden, dass das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats vor der Kündigung eines Schwerbehinderten entweder vor dem Antrag auf Zustimmung des Integrationsamts oder während dieses Zustimmungsverfahrens oder auch danach eingeleitet werden kann. Deshalb kann ein ordnungsgemäßes Verfahren vor dem Betriebsrat auch zu einer viel später auszusprechenden Kündigung genügen, wenn die Zustimmung des Integrationsamts erst dann vorliegt.

    Die Unterlagen zur Kündigung hat der Arbeitgeber dem BR in vollem Umfang vorzulegen

    vG Cookie2015

  • Moment,

    erst wenn das IA eine Kündigung genemigt, kann diese ausgesprochen werden.

    Also macht es gar keinen Sinn, wenn der AG vorher an den BR herantritt.

    Er kann die Kündigung ja noch gar nicht aussprechen. Und Ihr könnt sie folgerichtig nicht genehmigen.

  • Hallo.

    Fragen an die DiskutantInnen... Der BR ist vor Ausspruch der Kündigung anzuhören, und das IA ist vor Ausspruch der Ankündigung zu beteiligen. Worauf aber begründet sich die Aussage, dass das IA vor dem BR beteiligt werden muss? Mir fällt dazu keine Vorschrift ein...

    Das Zitat erscheint mir daher logisch, mir fehlt aber noch das Aktenzeichen: "Das BAG hat entschieden, dass das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats vor der Kündigung eines Schwerbehinderten entweder vor dem Antrag auf Zustimmung des Integrationsamts oder während dieses Zustimmungsverfahrens oder auch danach eingeleitet werden kann. Deshalb kann ein ordnungsgemäßes Verfahren vor dem Betriebsrat auch zu einer viel später auszusprechenden Kündigung genügen, wenn die Zustimmung des Integrationsamts erst dann vorliegt." cookie2015, woher hast Du das?

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Habe es selber gefunden! BAG 2 AZR 991/08

    "Auf derselben Linie liegt die Rechtsprechung des Senats zur Betriebsratsanhörung bei Kündigungen, die der Zustimmung des Integrationsamts oder der zuständigen Behörde im Bereich Mutterschutz/Elternzeit bedürfen. Auch hier kann die Anhörung des Betriebsrats vor der Durchführung eines solchen Zustimmungsverfahrens erfolgen. Verfolgt der Arbeitgeber nach bereits abgeschlossener Anhörung seine ursprünglich gefasste Kündigungsabsicht weiter und hat sich der Sachverhalt nicht geändert, so muss der Arbeitgeber nach der Erteilung der Zustimmung den Betriebsrat nicht erneut anhören (Senat 11. März 1998 – 2 AZR 401/97 – zu II 2 der Gründe; 18. Mai 1994 – 2 AZR 626/93 – zu B II 2 a der Gründe, AP BPersVG § 108 Nr. 3 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 31; BAG 1. April 1981 – 7 AZR 1003/78 – zu II 1 der Gründe, BAGE 35, 190). In dieser Konstellation hat die Zustimmung des Integrationsamts/der zuständigen Behörde keinen inhaltlichen Einfluss auf die Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers, so dass der Betriebsrat entsprechend dem Schutzzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch ohne Kenntnis der Entscheidung des Integrationsamts/der Behörde zur Kündigungsabsicht Stellung nehmen kann."

    So. BAG hat entschieden, Klappe zu, Affe tot.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Da wir einen ähnlichen Fall im Betrieb haben, hier ein Nachtrag bzgl. des Antrages beim Integrationsamt.

    Fitting RN 61 zum § 102 BetrVG Bei der Kündigung Schwerbeh.steht es dem ArbGeb. grds. frei, ob er den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt vor, während oder erst nach der Beteiligung des BR stellt (BAG 11.5.2000 - 2 AZR 276/99, AP BetrVG 1972 § 103 Nr.42)

    Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung ändern können.

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.