Verhaltensbedingte Kündigung

  • Hallo Kollegen,

    ich hatte die Tage bereits um Hilfe gebeten wegen einer Jubiläumszuwendung, die einer Kollegin seit Wochen vorenthalten wird.

    Nun haben wir gestern per Mail angefragt, ob die Kollegin zur nächsten Gehaltszahlung damit rechnen kann.

    Die Antwort dann heute in einem Gespräch: Hat sich erledigt, da wir Frau XX kündigen werden, hier ist die Anhörung für sie.

    Die Kündigung: Es wird Bezug genommen auf eine Abmahnung vom 29.07.15 wegen Portobetruges. Daher wäre das Arbeitsverhältnis nicht unbelastet und sie würde aus folgenden Gründen den Betriebsfrieden stören: am 17.5.18 stand eine Kollegin längere Zeit vormittags und nochmals am Nachmittag bei Frau fkldldsf und es wurde ausführlich über das Thema "Urlaub" gesprochen. Das zu dem Zeitpunkt offene Büro des Vorgesetzten befindet sich gegenüber, daher konnte er den persönlichen, länger andauernden Gesprächsaustausch hören. Am gleichen Tag hat der Vorgesetzte der Kollegin per E-Mail eine Arbeit übertragen woraufhin die Kollegin dann persönlich antwortete, dass sie das nicht schaffen würde, da sie kaum mit ihrer Arbeit rumkommen würde. Die Antwort des Vorgesetzten: Dir scheint doch genügend Zeit zu bleiben, wenn du dich heute zweimal mit einer Kollegin ausgiebig unterhalten konntest. Die Kollegin darauf: Mein Gott, jetzt steht sie einmal bei mir. Vorgesetzter: Es ist nicht nur heute einmal, es sind häufiger Kolleginnen und Kollegen bei dir. Ich kann es dir gerne jedes Mal sagen, wir hatten das Thema bereits schon.

    Am 16.6.17 war die Kollegin dfsfkldj bei Frau lkdfjsdklfj im Büro und die beiden Mitarbeiterinnen haben dann ca. eine halbe Stunde zusammen erzählt. Der Vorgesetzte hat beide angesprochen und darum gebeten, bitte nicht so viel zusammenzustehen und zu quatschen. Die Antwort der beiden: Wir erzählen doch kaum, wir sehen uns ja kaum.

    Frau lksjdf zeigt leider selten bzw. keine Einsicht an ihrem Verhalten etwas zu ändern. Aufgrund der vorher geschilderten Vorgänge ist das Vertrauensverhältnis mit Frau dlkfjlk erheblich gestört und wir sehen keine Möglichkeit, dieses wieder herzustellen.

    Soweit also das Kündigungsschreiben.

    Wir setzen uns morgen früh mit der Kollegin zusammen und wollen mal hören, was da genau passiert ist. Da der Vorgesetzte auch mein Vorgesetzter ist weiß ich, dass es eine persönliche Sache von ihm ist, warum auch immer.

    Einen Widerspruchsgrund habe ich hoffentlich auch: Im Haus wird eine Mitarbeiterin für die Buchhaltung gesucht, interne Stellenausschreibung existiert noch. Und die gekündigte Kollegin ist gelernte Bürokauffrau.

    Ansonsten werden wir Bedenken äußern: Die alte Abmahnung hat nichts damit zu tun. Man hätte die Kollegin in dieser Sache auch erst einmal abmahnen können, da sie seit 25 Jahren im Unternehmen ist, und wohl erst seit drei Jahren untragbar ist.

    Fällt jemandem sonst noch was ein... bin seit 10 Uhr dauergeschockt.

    Christine

  • Persönliche Sache hin oder her, die Kollegin scheint ja schon ein wenig... wie sagt man das jetzt politisch korrekt... merk- und schmerzbefreit zu sein.

    Spätestens wenn mein Vorgesetzter mich wegen so einer Lappalie zum zweiten Mal anzählt, denke ich mir meinen Teil und sage: ja, Chef, gerne, Chef, wie sie wünschen, Chef...

    Ok, das aber nur mal mein persönlicher Kommentar.

    Ob die vorgebrachten Gründe für eine Kündigung ausreichen wird in letzter Instanz wohl das ArbG zu entscheiden haben, denn selbst wenn ihr 27 Widerspruchsgründe und 1000 Bedenken habt - der AG muss anhören, das hat er getan. Eure Zustimmung braucht er für eine Kündigung nicht!

    Und selbst wenn der Richter sagt: nee, reicht nicht, ist doch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das zwar den "Preis" (d.h. die Abfindung) hochtreibt, aber ob es sie wirklich rettet...

    Aus meiner Sicht ist das Beste, dass ihr im Moment noch tun könnt, ihr einen Spitzenanwalt zu empfehlen und der Kündigung so ordentlich zu widersprechen, dass die Kollegin zumindest für die Dauer des Rechtsstreites noch auf der Payroll steht.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Wenn dieser geschilderte Sachverhalt auch so stimmt. Das wissen wir noch nicht, sprechen erst morgen mit der Kollegin. Eines ist aber klar, man will sie loswerden und die Jubliäumszuwendung auch noch sparen.

    Die Frau hat sich 22 Jahre nichts zu schulden kommen lassen, erst bei diesem Vorgesetzten häufen sich die Beschwerden. Dass das dumm war von ihr, das ist klar, wenn es stimmt. Aber ich weiß halt auch, dass es eine persönliche Sache dieses Menschen ist.

    lg

    christine

  • Hallo,

    ihr solltet der Kündigung natürlich trotzdem widersprechen, um der Kollegin eine bessere Position in einem Verfahren zu geben.

    Außer sozialen Gründen (22 Jahre Betriebszugehörigkeit) solltet Ihr dann auch anführen, daß sich die mehr als 3 Jahre alte Abmahnung schon wegen Zeitablauf nicht mehr verwenden läßt und im Übrigen einen völlig anderen Sachverhalt betrifft.

  • Ich sehe es genau so wie Wolfgang,

    Die Abmahnung hat zum einen nichts mit der jetzigen "angeblichen" Verfehlung zu tun. Deshalb hätte man die Kollegin erst einmal zu diesem Fall abmahnen müssen. Und selbst da ist fraglich ob das als Abmahnungsgrund tatsächlich herhält. Außerdem frage ich mich, ob der Vorgesetzte tatsächlich die Zeit hat, über die gesamte Dauer des Gesprächs zu Lauschen, ob es jetzt dienstlich oder privater Natur ist. Und wenn er schon gemerkt hat, dass es ein langes privates Gespräch ist, warum hat er dann nicht gleich eingegriffen?

    Vielleicht wäre es auch angebracht mit dem verantwortlichen Personaler auch darüber zu reden, dass ihr den Verdacht habt, dass es etwas persönliches ist. Ihr sagt ja selbst, dass es 19 Jahre lang keine Probleme gegeben hat und erst mit einem Vorgesetztenwechsel kamen dann die Beschwerden auf. Das müsste man im Normalfall auch über die Zwischenzeugnisse herausfinden können. Mit ihm könnte man dann eben über eine Versetzung sprechen als "milderes Mittel".

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Hi.

    Bin da ganz bei whoepfner, die Abmahnung ist zu alt und nicht einschlägig.

    Und zweimal lange quatschen als Grund für ne ausserordentliche, ohne dass man das abgemahnt hat? Ist doch lächerlich.

    Da muss man als BR klar dagegenargumentieren.

    Tschö Tyler

  • Zumal die beiden "Quatschpausen" ja auch schon mehrere Monate her sind und alleine dadurch ja kein Bezug zu der aktuellen Kündigung geben kann. Immerhin ist ja 2 Monate nichts passiert.

    Ist es denn eine ordentliche oder eine ausserordentliche Kündigung? Bei einer ausserordentlcihen Kündigung muss die Kündigung ja innerhalb von 2 Wochen, nachdem der AG von den Kündigungsgründen erfahren hat, ausgesprochen werden. Und im Regelfall muss auch im Vorfeld zum gleichen Sachverhalt eine Abmahnung ausgesprochen werden.

    Und das dadurch der betriebsfrieden gestört wird, ist ja auch an den haaren herbeigezogen, oder?

  • auch wir würden als BR der Kündigung widersprechen (die Zustimmung verweigern)

    jedoch angemerkt, nein es muß nicht abgemahnt werden bevor gekündigt werden darf. Wenn das zwingend vorgeschrieben wäre stände es auch so im gesetz oder den gültigen Verträgen/Tarifverträgen.

    Ich habe von keinem Arbeitnehmer gehört, der seinen Arbeitgeber abmahnen muss bevor er kündigen darf und noch kein Gerichtsurteil gelesen in dem ein Arbeitnehmer verpflichtet wurde weiter zu arbeiten weil er vor der Kündigung seinen Arbeitgeber nicht abgemahnt hat.

    Ein Arbeitsvertrag ist ein Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber der das Recht der Kündigung beinhaltet.

    Gruß

    rabauke

  • Hallo Rabauke,

    du hast m.E. nur zum Teil Recht. Natürlich muss ich nicht immer zuerst abmahnen bevor ich kündige. Aber in der Rechtssprechung ist es doch so, dass eine Kündigung immer das ultima Ratio sein soll und wenn es davor noch ein milderes Mittel gibt, dass dem AG zumutbar ist und dass wahrscheinlich auch noch etwas bringt, dann muss der AG erst einmal dieses "mildere Mittel" anwenden. Das ist dann meist die Abmahnung.

    Klar ist der Arbeitsvertrag ein Vertrag der auch das Recht zur Kündigung einschließt.

    Auch ein Arbeitnehmer sollte bevor er außerordentlich Kündigt seinen Arbeitgeber "abmahnen" wenn es ihm zumutbar ist. Ansonsten wäre es gut möglich, dass er den Anspruch auf eine Entschädigung verliert. Bei einer normalen Kündigung braucht er natürlich nicht abmahne, das ist ja im Grundrecht der freien Berufswahl drin.

    Für Kündigunen durch den Arbeitgeber allerdings ist dieses Kündigungsrecht, bei uns in Deutschland, gottseidank durch das Kündigungsschutzgesetz eingeschränkt worden.

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Hä? Da muss doch wer die Rechtsprechung zur Kündigung lesen: Verhaltensbedingt, mit Frist oder ohne Frist, kann der AG nur mit Abmahnung vorher kündigen, ausser das Fehlverhalten ist extrem schwer. Und der AG kann fristlos auch nur innerhalb von zwei Wochen nachdem er vom Fehlverhalten weiss kündigen.

    Quatschen reicht nicht ohne Abmahnung, fristlos nicht, aber mit Frist auch nicht. Und zwei Monate nach dem Quatschen fristlos geht halt auch nicht, aber ich glaube auch mit Frist nicht. Ich denke, sogar eine Abmahnung wäre nach der Zeit angreifbar.

    "Zufällig" kündigen nach ner Beschwerde von der AN, das klingt doch nach ner Maßregelung, und die ist verboten, 612a BGB.

    Tschö Tyler

  • Ich halte zwar das Verhalten der Mitarbeiterin für extrem ungeschickt, vertrete allerdings die Rechtsauffassung, dass eine Kündigung bei diesem Sachverhalt kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte.

    Wie bereits vorher angemerkt ist die Abmahnung völlig irrelevant, da sie erstens zu alt ist und zweitens ein völlig anderes Fehlverhalten betrifft.
    Desweiteren dürfte "ratschen" in zwei Fällen kaum als Kündigungsgrund ausreichen. Dann wäre zumindest bei uns nämlich der Chef alleine in der Firma. Auch würde ich als Arbeitsrichter den Vorgesetzten fragen, warum er ein ihm bekanntes Fehlverhalten nicht sofort unterbunden und gegebenenfalls abgemahnt hat.

    Ich würde der Mitarbeiterin definitiv raten Kündigungsschutzklage einzureichen.

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.