Gültigkeit einer Betriebsvereinbarung nach Auflösung des BR

  • Liebe BR-Kollegen,

    unser Gremium (3 Personen, keine Ersatzmitglieder) wird sich in ein paar Monaten aus verschiedenen Gründen auflösen.

    Aktuell sieht es nicht danach aus, dass in der momentanen Situation BR-Neuwahlen stattfinden werden bzw. sich Kandidaten dafür finden.

    In unserer 3jährigen Schaffensperiode haben wir 2 Betriebsvereinbarungen mit der Geschäftsführung geschlossen (eine große zur Arbeitszeit/Überstundenregelung und eine kleine zur Vorlage der AU-Bescheinigung).

    Jetzt fragen wir uns: Wenn es keinen Nachfolge-BR gibt, sind die beiden BVs dann überhaupt noch gültig?? Sind sie gültig, wenn es z.B. in 1 Jahr wieder einen BR geben sollte? Was gilt in der "Zwischenphase"?

    Eine BV kann ja nur zwischen 2 Parteien existieren. Wenn eine Partei (also der BR) nicht mehr existiert, gibt es also die BVn nicht mehr und der AG kann tun und lassen, was er möchte?

    Oder kann der AG die BVn kündigen und wo keine Gegenwehr vom nicht existenten BR, da auch keine Konsequenz?

    Vielen Dank für Eure Rückmeldungen!

    ink

  • Ohne das jetzt im dicken Buch nachgeschaut zu haben, habe ich das folgendermaßen in Erinnerung:

    Wenn in absehbarer Zeit ein neuer BR existiert, existieren auch die Betriebsvereinbarungen weiter. (Und absehbar ist hier wörtlich zu nehmen, eine Wahl muss zumindest terminiert, bzw. ein Wahlvorstand gebildet sein.)

    Ist von einem neuen BR nicht auszugehen, dann gehen die BVen (aus dem von dir genannten Gründen (fehlender Vertragspartner)) unter.

    Hintergrund: gibt es keinen Vertragspartner mehr, könnte der AG die BV ja nie kündigen. Deswegen geht sie unter. Ist ein BR aber absehbar, ist es dem AG zuzumuten, solange zu warten, bis der neue BR im Amt ist.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Ja - sie gelten weiter bis sie durch eine andere Abmachung erstzt werden,

    DA ABEr der AG niemandes Mitbestimmung mehr beachten muss kann er sie faktisch

    am ersten Tag nachdem der BR nicht mehr existiert durch einfache einseitege Willenerklärung (nämlich seines Willes) per Direktionsrecht ersetzen.

    Wer möchte ihn denn dann daran hindern?

  • Vielen Dank für Eure bisherigen Rückmeldungen!

    Eine noch etwas spezifischere Frage: Wenn eines der drei BR-Mitglieder nur in Elternzeit geht, ist es ja faktisch noch angestellt und immer noch im Ehrenamt BR, richtig?

    Kurz zu unserer Lage: Zwei der drei BR-Mitglieder werden voraussichtlich Anfang nächsten Jahres das Unternehmen komplett verlassen und das 3. BR-Mitglied geht Anfang nächsten Jahres nur in Mutterschutz/Elternzeit.

    Ergo: Reicht es, dass es den BR "formal" noch in Person eines BR-Mitglieds in Elternzeit gibt, um die Verbindlichkeit der Betriebsvereinbarungen aufrechtzuerhalten?

    Das wäre natürlich toll. :)

    Lieben Dank und schöne Grüße

  • Jetzt habe ich mir doch mal das dicke Buch zur Hand genommen.

    Insofern muss ich ein wenig zurückrudern.

    Im Fitting heißt es in der RN 175 zu § 77 BetrVG:

    Auch der Wegfall des BR lässt die bestehenden BV unberührt. ... Die Fortgeltung einer BV ist nicht davon abhängig , dass der BR fortbesteht. Dabei ist auch nicht zwischen vorübergehender und endgültiger BRlosigkeit sowie dem Wegfall der BR Fähigkeit zu unterscheiden. (Warum sich mir das so ganz anders eingeprägt hat... keine Ahnung) ... Um sich von der BV zu lösen, kann der ARbGeb diese bei Fehlen eines BR gegenüber allen betroffenen ArbN des Betriebes kündigen. ... Allerdings entfalten die BV bei Gegenständen der erzwingbaren Mitbestimmung grds. noch Nachwirkung nach Abs. 6. Soweit es um materielle Arbeitsbedingungen geht, kann der ARbGeb. die Nachwirkung durch individualvertragliche Vereinbarungen oder notfalls auch im Wege von Änderungskündigungen beseitigen. Bei Betriebsnormen ist dies nicht möglich; hier spricht - jedenfalls bei einer zeitlich unabsehbaren BRlosigkeit - Einiges dafür, dass der ARbGeb. die Nachwirkung einseitig beenden kann. In Fällen freiwilliger Mitbestimmung gibt es ohnehin keine Nachwirkung.

    Und in der RN 183 zu § 77 BetrVG heißt es dann:

    Die andere Abmachung kann sich auch auf eine bloße Aufhebung der Nachwirkung beschränken.

    D.h. grds. gelten BVen weiter. Allerdings kann der ArbGeb sie (gegenüber allen AN) kündigen. Ob sie nachwirkt ist eine Frage des Regelungsinhaltes der BV. Allerdings ist es, wie Ohadle ja schon angedeutet hat, ein leichtes für den ArbGeb auch diese Nachwirkung zu beenden.

    Zitat von INK

    Reicht es, dass es den BR "formal" noch in Person eines BR-Mitglieds in Elternzeit gibt, um die Verbindlichkeit der Betriebsvereinbarungen aufrechtzuerhalten?

    Wie sagt Radio Eriwan? Im Prinzip ja. Ob der eine Kollege in Elternzeit es allerdings schafft die laufenden Geschäfte des BR zu managen ist eine ganz andere Frage...

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Vielen Dank für Eure Antworten und Dicke-Buch-Recherchen. :)

    Die Kollegin in Elternzeit würde keine laufende BR-Tätigkeiten übernehmen, sondern tatsächlich einfach pausieren.

    Daher die Frage, ob diese bloße Existenz (ohne Aktivität) ausreichen würde, um dem BR ebenfalls seine formale Existenzberechtigung auszusprechen und um die Gültigkeit der BVn aufrechtzuerhalten. :)

    Aber wenn die BVn sowieso weiter gültig sind, ist ja alles gut.

    Vielen Dank Euch!

    ink

  • also wenn nur noch eins von 3 BR-Mitgliedern übrig ist, dann muss der BR ohne schuldhafte Verzögerung Neuwahlen einleiten. also jetzt Neuwahlen einleiten, wenn sich nur die Kollegin zur Wahl stellt die in Elternzeit geht dann stellt der Wahlvorstand dann fest, dass das Gremium halt anstatt aus 3 nur aus 1er Person besteht und es wird ein einer-Gremium gewählt.

    Ob die Kollegin in elternzeit ihrer Aufgabe/Verantwortung als BR vernünftig nachkommen kann muss sie entscheiden, aber dann hättet ihr zumindest weiterhin einen BR.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)