Ist das ein Sachgrund für eine Befristung?

  • Hallo liebe Kollegen,


    in unserem Unternehmen gibt es einen Bereich, der Mitarbeiter in verschiedene Formen von ANÜ an Kunden "verleiht". Hier stellt sich mir die Frage, ob ein befristeter Auftrag eines Kunden für die Überlassung eines MA einen ausreichenden Sachgrund für einen befristeten Arbeitsvertrag darstellt.


    Genaue Situation:

    Ein (damals noch nicht-) Mitarbeiter sollte eigentlich direkt bei einem Kunden eingestellt werden. Das kam aber aufgrund interner struktureller Probleme beim Kunden nicht zustande, statt dessen haben wir den Mitarbeiter befristet eingestellt und per ANÜ an den Kunden verliehen.


    Dieser befristete AV wurde inzwischen zweimal verlängert. Die Verlängerung war nicht als Befristung mit Sachgrund explizit gekennzeichnet, allerdings stand jedesmal als "Besonderheit:" "ANÜ beim Kunden xxx" auf der Anhörung.


    Wenn man diese Anhörungen als sachgrundlose Befristung ansieht, dann wäre jetzt das "Kontingent" verbraucht, und der Kollege müsste einen unbefristeten Vertrag erhalten. Würde man statt dessen die ANÜ (der Auftrag des Kunden ist jeweils befristet, wurde aber bisher immer verlängert) als Sachgrund anerkennen, dann wäre ja eine weitere Verlängerung möglich.


    Daher meine Eingangsfrage: Ist die ausschließliche ANÜ (der Kollege macht nur das, nichts anderes) ein zulässiger Sachgrund?


    Vielen Dank für Eure Antworten!

  • Ist die ausschließliche ANÜ (der Kollege macht nur das, nichts anderes) ein zulässiger Sachgrund?

    Nach meinem Verständnis ist das sogar der klassische Sachgrund schlechthin, weil der AG hier ja von einem fremden Auftrag abhängig ist.


    Ich will aber nicht ausschließen, dass es, im Rahmen einer Entfristungsklage, möglich wäre nachzuweisen, dass die Tätigkeit im Entleiherbetrieb eine unbefristete Tätigkeit ist, d.h. durch die Konstellation mit Entleiher und Verleiher hier lediglich ein künstlicher Sachgrund geschaffen wird um die Befristungssperre rechtsmissbräuchlich zu umgehen. Hieße aber hier gleich zwei Firmen "ans Bein zu pinkeln". Bevor ich mir das antue, würde ich mir wohl eher einen neuen Job suchen... (Ist jetzt aber bitte auch nur ein Gedankenspiel!)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Ich denke auch, dass eine Befristungskontrollklage schwierig werden könnte.

    Einen Versuch wäre es aber Wert. Denn nach §14 Abs. 1 Ziffer 1 ist ein Befristungsgrund, wenn der Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Jetzt könnte man durchaus darüber streiten, ob 2 Jahre und länger vorübergehend ist.

    Auch wenn ich mir die BAG-Rechtssprechung (2 AZR 412/05) ansehe, die sagt, der Wegfall eines Auftraggebers an sich ist in der Zeitarbeit grundsätzlich kein Grund um eine betriebsbedingte Kündigung auszustellen, lässt mich hier ein wenig hoffen.

    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Moin,


    2 Jahre sind es noch nicht. Es ging im Februar 2019 los (bis Juni 2019), und wurde dann bis Ende Februar 2020 verlängert.

    Die Verlängerung jetzt soll wieder nur für ein halbes Jahr sein.

  • Aus Sicht deines AG schon, da keine Dauerhafte Abfrage besteht.

    Aus Sicht des MA muss dieser prüfen, ob er sich nicht im entliehenen Betrieb einklagen kann, da hier die Überlassung unzulässig ist weil dauerhaft Beschäftigung vorliegt.


    Da kann dann der BR aus dem entliehenen Betrieb und die dort ansässige Gewerkschaft ggf. Hilfestellung geben.


    gruß

    Rabauke


  • Nur für mich noch zum Verständnis: Die Person sollte erst beim aktuellen Entleiher eingestellt werden, das ging nicht und deshalb erfolgte die Beschäftigung als ANÜ über den aktuellen Betrieb. Es handelt sich hier aber keine zwei Unternehmen in einem Konzern? Das würde ja vielleicht noch weitere Ansatzpunkte für Probleme bieten.


    ich sehe in keinen Grund das als Sachgrund für die Befristung anzusehen. Da könnte man, auch wenn der Entleiher erst ein Jahr dann zwei mal 6 Monate entleiht bei dem Vorgehen das Verlagern des Risikos eines Verleihers auf den Mitarbeiter sehen. Weil eine klassische Zeitarbeitsfirma als Verleiher muss sich ja um einen anderen weiteren Entleiher kümmern und kann auch nicht einfach so kündigen. Das das so passiert ist eine ganz andere Sache.

    Ich sehe hier beim Verleiher bei der nächsten Verlängerung einen unbefristeten Arbeitsvertrag, außer es gibt eine Öffnungsklausel über die 24 Monate auf bis zu 48 Monate per Tarifvertrag und Betriebsrat. (z. B. IGM Metall)
    Gleiches sehe ich natürlich hier auch beim aktuellen Entleiher welcher auch die Problematik haben kann das es hier Befristungen ohne Sachgrund gegeben hat. Oder gibt es da einen Sachgrund das das kein Problem darstellen würde?

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Eh dass ich mich als AN auf eine mehr als unsichere rechtliche Auseinandersetzung einlasse, würde ich zu der Frage Sachgrund oder nicht die Füße stillhalten. Zumal ja jede weitere Verlängerung die Erfolgsaussichten steigen lassen.

    Je nach Gegebenheiten würde ich da eher das Gespräch suchen und fragen, ob man mit mir zufrieden ist und ob man schon mal über eine Festanstellung nachgedacht hat. Und außerdem hätte ich gerne ein Zwischenzeugnis, weil ich so allmählich was auf Dauer suche...

  • Hallo,


    ich versuche, auf alle drei Kommentatoren zu antworten:

    Zitat

    Nur für mich noch zum Verständnis: Die Person sollte erst beim aktuellen Entleiher eingestellt werden, das ging nicht und deshalb erfolgte die Beschäftigung als ANÜ über den aktuellen Betrieb. Es handelt sich hier aber keine zwei Unternehmen in einem Konzern?

    Die Beschreibung ist korrekt. Es sind keine zwei Unternehmen desselben Konzerns, sondern wirklich unabhängige Unternehmen.

    Zitat

    ich sehe in keinen Grund das als Sachgrund für die Befristung anzusehen. Da könnte man, auch wenn der Entleiher erst ein Jahr dann zwei mal 6 Monate entleiht bei dem Vorgehen das Verlagern des Risikos eines Verleihers auf den Mitarbeiter sehen. Weil eine klassische Zeitarbeitsfirma als Verleiher muss sich ja um einen anderen weiteren Entleiher kümmern und kann auch nicht einfach so kündigen. Das das so passiert ist eine ganz andere Sache.

    Ja, das war auch mein Gedankengang. Dass hier sozusagen das Risiko eines Entleihers auf den Mitarbeiter verlagert wird. Dummerweise hat der MA mit dem Spiel selbst keine Probleme.


    BMG und Rabauke:
    Der AN selbst wird nichts unternehmen. Ich habe die Frage eher aus der Sicht des BR gestellt, der die wiederholte Befristung beurteilen muss. Ich finde es nicht OK, aber dummerweise ist es in unserer Branche (IT) leider so, dass aufgrund der eher guten Gehälter dann keine weiteren Fragen mehr nach den eigenen Rechten gestellt werden. Da hat man als BR oft einen schweren Stand.

    Viele Grüße

    Ex-BRV aus Frankfurt

    Einmal editiert, zuletzt von EDDFBR ()

  • Der AN selbst wird nichts unternehmen. Ich habe die Frage eher aus der Sicht des BR gestellt, der die wiederholte Befristung beurteilen muss

    Die Aussage, dass der AN nichts unternehmen wird, stimmt nur teilweise. Momentan wird er mit Sicherheit die Füße still halten. Die Befristungskontrollklage wird erst interessant, wenn der Arbeitgeber den befristeten Vertrag auslaufen lassen möchte.

    Aus Sicht des Betriebsrates könnt ihr in meinen Augen relativ wenig machen, da ihr in einem solchen Fall nur der befristeten Einstellung widersprechen könnt. Hier kommt es auf die betriebliche Situation an, ob ihr damit tatsächlich etwas erreichen könnt. Es besteht aber die Gefahr, dass der Arbeitgeber dann einfach auf die Einstellung verzichtet.


    Gruß

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Man sollte prüfen ob es für die ANÜ nicht andere Spielregeln gibt als wie für "normale" Betriebe. Ist da nicht das Betriebsrisiko das ein "Kunde" wegbricht anders gewertet. Ist ja ein Personaldienstleister und wenn alle Personaldienstleister nur Verträge abschließen wie sie Aufträge vom Kunden haben, wäre doch die Folge das alle Mitarbeiter vom Personaldienstleister Verträge mit Sachgrundbefristung bekommen.

  • Man sollte prüfen ob es für die ANÜ nicht andere Spielregeln gibt als wie für "normale" Betriebe. Ist da nicht das Betriebsrisiko das ein "Kunde" wegbricht anders gewertet. Ist ja ein Personaldienstleister und wenn alle Personaldienstleister nur Verträge abschließen wie sie Aufträge vom Kunden haben, wäre doch die Folge das alle Mitarbeiter vom Personaldienstleister Verträge mit Sachgrundbefristung bekommen.

    Hallo Rmbaer,

    im Prinzip hast du ja mit deiner Aussage Recht, es geht aber an der Intention des Threadstarters vorbei. Diese war ja:

    Ich habe die Frage eher aus der Sicht des BR gestellt, der die wiederholte Befristung beurteilen muss.

    Und ich denke, da gilt eher das hier:

    Aus Sicht des Betriebsrates könnt ihr in meinen Augen relativ wenig machen, da ihr in einem solchen Fall nur der befristeten Einstellung widersprechen könnt. Hier kommt es auf die betriebliche Situation an, ob ihr damit tatsächlich etwas erreichen könnt. Es besteht aber die Gefahr, dass der Arbeitgeber dann einfach auf die Einstellung verzichtet.

    Alles andere kann nur ein Gericht prüfen und das im Rahmen einer Befristungskontrollklage, die nur der betroffene Mitarbeiter selbst anstoßen kann. Als Betriebsrat bin ich bis auf Beratungsrechte raus.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Man sollte prüfen ob es für die ANÜ nicht andere Spielregeln gibt als wie für "normale" Betriebe. Ist da nicht das Betriebsrisiko das ein "Kunde" wegbricht anders gewertet. Ist ja ein Personaldienstleister und wenn alle Personaldienstleister nur Verträge abschließen wie sie Aufträge vom Kunden haben, wäre doch die Folge das alle Mitarbeiter vom Personaldienstleister Verträge mit Sachgrundbefristung bekommen.

    Moin,


    das von Dir geschilderte Szenario ist zumindest für den Bereich der ANÜ der Normalfall. Der Ablauf ist immer so:

    1. Kunde meldet sich bei unserem Vertrieb, will Vorschläge für einen IT-Fachmann

    2. Vertrieb muss ruck-zuck (meist innerhalb von 48h) Vorschläge machen, man greift auf eine Datenbank mit Bewerbern zurück).

    3. Kunde wählt den geeigneten Bewerber aus

    4. Der Bewerber wird befristet eingestellt, wir werden dazu angehört. Ggf. wird verlängert, wenn das Projekt beim Kunden länger läuft.

    D.h. aus Sicht des AG sind 90% aller Einstellungen im Bereich ANÜ immer projektbezogen und damit ein Sachgrund ...

  • Für den Arbeitgeber klingt das ja auch alles bestimmt logisch, die Frage ist nur, ob das die Gerichte auch so sehen.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand