Coronavirus - Folgen von Betriebseinschränkungen

  • Hallo,


    die Zulässigkeit einer Videokonferenz als Ersatz für eine BR-Sitzung ist durchaus umstritten. Fitting, § 33 Rn 21b ff, hält sie in Ausnahmefällen für zulässig, wenn die Nichtöffentlichkeit gewährleistet ist und kein BRM dem widersprochen hat. Außerdem müssen die üblichen Formalia wie Ladung etc. auch bei einer Videokonferenz gewährleistet sein.

    Alle anderen Formen der Beschlußfassung ohne physische Präsenz in einer Sitzung sind unzulässig, die Beschlüsse rechtsunwirksam.


    Wenn aber im beschriebenen Fall die "Heim-Quarantäne" einseitig vom AG angeordnet wurde (was eigentlich der Mitbestimmung unterliegt) und keine behördlichen Anordnungen bestehen, sehe ich keinen Hinderungsgrund, sich an einem Ort außerhalb des Betriebes zur Sitzung zu treffen.


    Und kann der BR sich nicht zu dem Kündigungsbegehren äußern, erleichtert das dem AG das Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem AG

  • Hallo,


    die Beschlussfassung muss persönlich erfolgen (§33 BetrVG)

    der andere Punkt ist aber dass das BR Amt ein Ehrenamt ist bei dem der AG kein Mitspracherecht hat, die Sitzungen sollen zwar während der Arbeitszeit stattfinden (§30 BetrVG) ich konnte aber nichts zu einer Festlegung des Ortes finden.

    In einem Notfall könnte daher möglicherweise auch ein Treffen außerhalb der Betriebsräumlichkeiten stattfinden.


    Im Fall des zu kündigenden BR Mitgliedes wäre ein begründeter Widerspruch sicherlich einem Verstreichenlassen der Frist vorzuziehen, dann wird es auch für die Zustimmungsersetzung schwieriger (§103 BetrVG).


    Viele Grüße

    Bernd

  • Hallo zusammen,


    besten Dank für die Einschätzungen. Ich sollte also irgendwie die Sitzung beschlussfähig hinbekommen.


    Ich hatte sowas bislang noch nicht: reicht die Info "der BR stimmt der Maßnahme nach 103 BetrVG nicht zu" oder muss das ausreichend begründet werden (ähnlich wie Kündigungen nach BetrVG §102)?


    Viele Grüße André

  • Im Gesetz wird, anders als in den §§ 99 und 102 BetrVG, keine Begründung gefordert, da auch die Gründe nicht vorgegeben sind.


    Gleichwohl denke ich, macht ein qualifizierter Widerspruch es vor dem Arbeitsgericht leichter zu argumentieren.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Ähm, Markus... Du hast schon mitbekommen, dass wir hier über eine Kündigung gem. § 103 BetrVG sprechen? Da ist die Ersetzung der Zustimmung in Absatz 2 geregelt. Wo bist Du gerade?

    Ja, das frag ich mich auch gerade. Ich war schon auch im 103´er, hatte aber irgendwie gerade nen Knoten im Hirn.


    Klar, ein BR der nicht da ist, der kann auch nicht zustimmen.

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Hallo André,


    den Fall hatten wir zum Glück auch noch nicht, aber umso besser begründet ein Widerspruch ist, umso besser für den Betroffenen.

    Bei einer Kündigung eines BRM dürfte sicherlich auch das Ergebnisses des Beschlusses "wir widersprechen" sein, allerdings wenn der AG den BRM kündigen will, geht er vor das Arbeitsgericht und lässt sich die Zustimmung ersetzen, und wenn dann in eurem Widerspruch nur steht "wir stimmen nicht zu" wird der Richter stark von den Argumenten des AG beeinflusst, wenn ihr detailliert widersprecht wird es wesentlich schwieriger.


    Viele Grüße

    Bernd

  • Nun ist es soweit.

    In Schleswig-Holstein werden ab Montag die Schulen und Kita`s geschlossen und die Ferien nach vorne verlängert.

    Hierbei handelt es sich um einen gesamtzeitraum von ca. 5 Wochen in der die Arbeitnehmer die Kinderbetreuung realisieren müssen.


    Hier kommt nun bei den MA und auch dem Gremium eine wichtige Frage auf:

    Kann mein AG verlangen, dass ich meinen Urlaub, den ich evtl. bereits verplant habe, es gibt ja noch mehr Ferien, für die Betreuung in dieser Sondersituation einsetze?

    Der § 616 BGB ist in unseren Arbeitsverträgen ausgeschlossen.


    Home Office ist nicht an allen Arbeitsplätzen möglich, zudem ist es so Adhoc nicht möglich die MA mit entsprechender Technik auszustatten.

    Das Leben ist Veränderung

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    Aber versuche jeden Tag einen neuen Startpunkt zu finden!
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    Tu das, was du kannst!

    Aber versuche jeden Tag etwas mehr zu tun!

    Einmal editiert, zuletzt von Der Nordfriese ()

  • Hallo Nordfriese,


    verlangen Nein!

    aber wenn du frei haben willst weil die Kinder daheim sind und betreut werden müssen gibt es nur wenige Möglichkeiten

    - du nimmst bezahlten Urlaub, der dir dann an anderer Stelle fehlt.

    - du nimmst unbezahlten Urlaub, falls sich der AG darauf einlässt und du dies finanziell verkraftest

    - oder Homeoffice wenn keine betriebsbedingten Gründe dagegen sprechen


    Viele Grüße

    Bernd

  • Bei einigen MA ist von frei haben wollen nicht die Rede, hier geht es um muss.


    Home Office ist nicht überall möglich.

    Unbezahlter Urlaub ist für einige MA (Geringverdiener) keine Option

    Normaler Urlaub ist ebenfalls keine Option da der ja auch für die restlichen Ferien in 2020 benötigt wird.

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  • Wie wäre es mit einer schnellen BV, um für diese Zeit Minusstunden auf einem separaten Konto in größerem Umfang zu sammeln?

    Ist ne doofe Lösung, vielleicht kann euch der AG entgegenkommen und die Hälfte nach den Ferien erlassen. Die letzte Alternative ist ja, dass sich die Eltern zur Betreuung krank schreiben lassen.

  • Im Gesetz wird, anders als in den §§ 99 und 102 BetrVG, keine Begründung gefordert, da auch die Gründe nicht vorgegeben sind. Gleichwohl denke ich, macht ein qualifizierter Widerspruch es vor dem Arbeitsgericht leichter zu argumentieren.

    Eine Begründung ist beim § 103 BetrVG gesetzlich nicht gefordert.


    Und u.a. da ich als BRV den Fall hatte, widerspreche ich aus praktischer Erfahrung Moritz' zweitem Satz. Im Gegenteil, die Kündigung nach der Anhörung nach § 103 BetrVG ohne Begründung abzulehnen, macht es dem AG deutlich schwerer: Er muss nämlich in seinem Klageschreiben im "luftleeren Raum" argumentieren. Ist seine Klage dann eingereicht, wird das ArbG dem BR (und dem BRM, das der AG kündigen will) eine Frist zur schriftlichen Erwiderung geben. D.h., dass der BR und das BRM erst dann inhaltlich argumentieren müssen und es auch erst dann tun sollten, wenn das Gerichtsverfahren läuft


    Mein Tipp: In der Sitzung die Argumente zwar sammeln, dem AG aber nur einen aus einem Satz bestehenden unqualifizierten Ablehnungsbeschluss zukommen lassen.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Moin,


    ich hab eben einen Beitrag vom MDR in der ARD Mediathek gesehen. Darin hat eine Fachanwältin für Arbeitsrecht zum Thema Schulschließung und den Folgen für AN Stellung genommen. Generell war Ihre Linie:


    - Der AN kann unbezahlten Urlaub nehmen

    - Der AN kann bezahlten Urlaub beantragen (und hoffen dass er ihn genehmigt bekommt)

    - Er kann die Kinderbetreuung versuchen z.B. in Kleingruppen zu organisieren

    - Sieh hat deutlich darauf hingewiesen, dass auch Eigenverantwortung besteht. Sprich: EIn 6-jähriger wird Betreuung benötigen, einen 12-jährigen kann man auch mal tagsüber alleine lassen.


    UND WICHTIG:

    - Wenn die Anwendung von §616 BGB möglich ist (wenn der also nicht in TV oder AV abbedungen wurde) dann wäre der zumindest für ein paar Tage anwendbar.


    Ich bin da jetzt etwas verwirrt, denn ich hatte immer im Hinterkopf, §616 würde sich strikt auf Einzelsituationen von AN beziehen. Wenn also landesweite Schulschließungen gelten würden, dann wäre das ja keine Einzelsituation eines einzelnen AN mehr. Wie seht Ihr das? Das kann doch wenn dann nur mit sehr wenigen AN in einem Betrieb durchgehen. Wenn da alle Eltern kommen, dann ist ja bald kein Personal mehr da.