Was darf ein BR Mitglied selbstständig/wann ist ein Beschluss zu fassen

  • Werte kollegen, wie ihr sicherlich erkennen könnt bin ich hier neu im Forum. Ich hätte da gleich einmal zwei Fragen, Welche mich beschäftigen.


    Was darf ein einzelnes Betriebsratsmitglied selbstständig machen? Leider habe ich hierzu im Netz nicht allzu viele Beispiele gefunden.


    Darf ein Betriebsratsmitglied zum Beispiel Sich selbstständig informieren bei der Agentur für Arbeit bezüglich Fragen zur Kurzarbeit und einer bevorstehenden BV?


    Wann ist ein Beschluss zu fassen? Bei Einstellungen, abzuschließenden Betriebsvereinbarung ist mir das klar und logisch.


    Wir überarbeiten gerade eine Richtlinie für ein neues Entgeltsystem, und da haben wir Punkte besprochen, beziehungsweise die bestehende Richtlinie abgeändert, welche wir dem Personal als ersten Entwurf/ Vorschlag zur Verfügung stellen.


    Müssen die besprochenen Punkte und der Entwurf abgestimmt werden, Bevor die Dokumente zum Personal gesendet werden?


    Kann mir jemand Bücher/ Links empfehlen, wo im Detail beschrieben ist, was ein Betriebsratsmitglied selbst tun darf.


    Vielen Dank an alle.:thumbup:

  • Hallo,


    ohne Beschluss darf das einzelne Mitglied sich u.a. informieren welche Grundlagenschulungen es braucht, hier sind für alle Neumitlieder Betriebsverfassungsrecht Teil 1 und Arbeitsrecht Teil 1 zu empfehlen, für den Besuch eines Seminars ist allerdings ein Beschluss notwendig.


    Ein Punkt der jedes Mitglied ohne Beschluss des Gremiums darf ist der Rücktritt vom Amt.


    Eine allgemeingültige Liste wirst du nicht finden, wobei wenn es Geld kostet ist auf jedenfall ein Beschluss notwendig.


    Viele Grüße

    Bernd

  • Hallo Danny,


    die Frage kann so einfach nicht beantwortet werden. Aber ich versuch es mal.


    Gemäß §37 II BetrVG muss das BRM vom Arbeitgeber unter Fortzahlung des Entgeltes für erforderliche BR-Tätigkeiten freigestellt werden. Prinzipiell sind für diese Tätigkeiten auch keine Beschlüsse notwendig, da dieses Recht dem einzelnen BRM zusteht und nicht dem BR als Gremium. Allerdings schadet es nicht, wenn längere Freistellungen durch Beschlüsse des Betriebsrates gedeckt sind.


    Erforderliche BR-Tätigkeiten sind alle Punkte, die im §80 BetrVG stehen, denn das sind die Aufgaben, die ein Betriebsrat hat. Wenn man sich hierzu informieren möchte, ist man auch ohne Beschluss des Betriebsrates von der Arbeit freizustellen. Auch Gespräche mit den Arbeitskollegen gehören zu den erforderlichen Betriebsratstätigkeiten, wenn es um betriebliche Angelegenheiten geht. Ebenso gehört das Schreiben und lesen von Protokollen oder Unterlagen des Betriebsrates zu den erforderlichen Tätigkeiten des BR, insbesondere dann, wenn es zur Vor- oder Nachbereitung einer Betriebsratssitzung gehört. Auch wenn man dem Gremium eine BV vorschlagen möchte gehört die erste Recherche zu dem Thema zu den Dingen, die ich noch ohne Beschluss des Betriebsrates machen würde, wobei die tiefere Recherche und das Erstellen der BV m.E. einen Beschluss des Betriebsrates benötigt. Ebenso einen Beschluss des Betriebsrates wird benötigt, wenn du Auskunftsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber haben möchtest, wobei der Beschluss nicht um die Freistellung sondern um das Einsichtsrecht geht. Die Liste könnte man noch weiterführen.


    Allerdings wird es nirgendwo eine abschließende Liste finden, da der Begriff "erforderlich" ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der der gerichtlichen Auslegung bedarf. Am Ende ist es immer eine Einzelfallentscheidung, ob eine Betriebsratstätigkeit erforderlich ist oder nicht.


    Übrigens ist es auch egal, ob es einen Betriebsratsbeschluss gibt. Sollte es so sein, entbindet er dich nicht von der Pflicht, selbst zu beurteilen, ob eine Tätigkeit nun erforderlich ist oder nicht.


    Als Lektüre hierzu würde ich dir den Fitting oder andere Komentare zum Betriebsverfassungsrecht empfehlen. Wenn du da unter §37 Betriebsverfassungsgesetz schaust, wirst du wahrscheinlich einiges finden.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • wie ihr sicherlich erkennen könnt bin ich hier neu im Forum.

    :) Yepp. Erkennen wir. Willkommen im Club! ;)



    Was darf ein einzelnes Betriebsratsmitglied selbstständig machen?

    Wie meine Vorschreiber tue ich mich mit der Beantwortung schwer (und das trotz mittlerweile über 20 Jahren BR-Arbeit auf dem Buckel).

    In Ergänzung zu dem, was Markus schon schrieb, wäre mein Ansatz: Kann ich als einzelnes BRM hier etwas erreichen und gilt es als erforderliche BR-Arbeit? Dann mache ich es einfach.

    In dem Moment, wo das Gremium (oder wie man so schön sagt, der Betriebsrat) etwas tun oder bewerten muss, braucht es einen Beschluss. (Merksatz: Die Willensbildung des Betriebsrats äußert sich in Beschlüssen.)



    Darf ein Betriebsratsmitglied zum Beispiel Sich selbstständig informieren bei der Agentur für Arbeit bezüglich Fragen zur Kurzarbeit und einer bevorstehenden BV?

    Hier konkret: ganz klares ja. (Tipp: Nicht da anrufen und sagen ich will wissen... sondern hallo, ich bin Betriebsrat bei ..., wir wollen eine BV verhandeln und da bräuchten wir folgende Information... Und, ganz wichtig: dafür braucht es zwar keinen Beschluss, sollte aber dennoch abgesprochen sein. Stell dir vor, du bist der dritte aus deinem Gremium, der dort anruft ;) )



    Kann mir jemand Bücher/ Links empfehlen, wo im Detail beschrieben ist, was ein Betriebsratsmitglied selbst tun darf.

    Ist mir noch nicht untergekommen, da muss ich passen. Bin allerdings auch davon überzeugt, dass hier gesunder Menschenverstand deutlich wichtiger ist, als irgendeine Liste, die nie vollständig sein kann. (Oder wie Kant die alte lateinische Weisheit "Sapere aude" übersetzte: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.)



    Müssen die besprochenen Punkte und der Entwurf abgestimmt werden, Bevor die Dokumente zum Personal gesendet werden?

    Auch hier wieder ganz konkret: nein, müssen nicht. Ich will aber noch weitergehen und sagen: macht das bloß nicht!


    Warum nicht? Stell dir folgende Situation vor (die bitte rein fiktiv ist und nur das "Problem" veranschaulichen soll), der AG möchte wegen eines großen Kundenauftrages Überstunden zugesagt bekommen. Und zwar nicht nur jeden Tag eine Stunde länger, sondern möglichst auch noch einen Extra-Arbeitstag für die nächsten 6 Monate (ist ja ein Großauftrag ;) ).


    Jetzt sagt der Betriebsrat: tja, lieber AG, schade. Hättest du mal auf uns gehört und vor 10 Jahren in vernünftige Maschinen investiert, statt das Kapital abzuschöpfen, dann wäre das heute kein Problem. Jetzt sollen wieder die AN die Kartoffeln aus dem Feuer holen. Das wird teuer.


    Jetzt beschließt der BR: wir stimmen einer entsprechenden Vereinbarung aber nur zu, wenn der AG neben den Samstagszuschlägen i.H.v. 50% auch noch eine Einsatzpauschale von 20€ pro Schicht zahlt (als Erstattung für die zusätzlichen Fahrtkosten/Fahrtzeit).

    Jetzt geht ihr (oder üblicherweise nur eine Delegation) in die Verhandlungen mit dem AG und der sagt: Was? 50% Zuschlag und 20€ pro Schicht? Nee, das kann ich mir nicht leisten. Ich mache euch einen Gegenvorschlag: Ich zahle 40% und 5€ je Schicht, die geleisteten Überstunden werden inkl. Zuschläge komplett ausgezahlt und für je 4 Extraschichten gibt es einen Urlaubstag extra! (Bitte, ich habe jetzt nicht geprüft, was das wirtschaftlichere Angebot ist oder aus Sicht der AN mehr Sinn macht, darum geht es im Moment auch nicht.)

    Und was macht jetzt der Betriebsrat, bzw. das Verhandlungsteam? Nix! Er/es ist durch den Beschluss gebunden und hat keinerlei Befugnis hiervon abzuweichen! (Der konkrete Fall hier mag konstruiert sein, dass dem Verhandler durch Beschlüsse die Hände gebunden sind/waren habe ich leider mehr als einmal erlebt!)


    Deswegen sollte im BR immer besprochen werden, was die grobe Marschrichtung ist und evtl. die Maximalforderung definiert werden (sinnvollerweise auch noch die Minimalforderung, damit die Verhandelnden wissen, bis wohin sie auf jeden Fall Spielraum haben), aber nie per Beschluss etwas im Vorfeld festgetackert werden. BVen sind letztlich "Gesamtkunstwerke" oder vielleicht auch besser "Gesamtpakete". Sprich beim Verhandeln kann man das eine durchsetzen, muss dafür aber das andere geben. Am Ende entscheidet (per Beschluss) das komplette Gremium über das Gesamtpaket. Da kann es immer noch sagen: nö, sorry, so akzeptieren wir das nicht. Deswegen braucht es Beschlüsse erst dann, wenn die Verhandlungspartner meinen, so könnte man das stehen lassen. Aber selbst wenn der BR dann (per Beschluss) sagt: nein, so nicht, sollte er nicht gleich beschließen: nur so.


    (Auch davon gibt es faktisch/tatsächlich Ausnahmen: wenn ersichtlich ist, dass man eine bestimmte Forderung vermutlich durchsetzen kann, kann der BR einen sogenannten Vorratsbeschluss fassen. Sollte diese oder jene Forderung erfüllt werden, dann könnte ihr das so akzeptieren.)


    Ich habe fertig, Schnellbleiche für Frischlinge beendet... ;) (Nimm das bitte nicht so wörtlich, es geht mir nur darum: BR-Arbeit ist komplex. Löse dich von der Vorstellung, du könntest gleich alles richtig machen. Ist im Moment eine blöde Zeit, aber wenn die Seminare wieder starten (die ersten hat zumindest das ifb schon wieder freigegeben), und du die Gelegenheit hast, dich auf oder nach dem Seminar mal mit den "alten Hasen" zu unterhalten - da schlackern dir die Ohren, was für seltsame Dinge passieren, mit denen vorher keiner gerechnet hat/hätte. That's life!)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

    Einmal editiert, zuletzt von Moritz ()

  • zu den Büchern, da gab es mal ein Buch vom BUND-Verlag mit allen Dingen die ein BR tun darf. Wurde mir auf dem BR1 bei der IGM von 26 Jahren überreicht.


    Autor Christian Schoof:
    Betriebsratspraxis von A-Z


    dann beantwortet dir die IGM auf dieser Seite fast all deine fragen:

    https://netkey40.igmetall.de/h…iebetriebsratsarbeit.html


    dann hat der IFB unter der isbn 978-3-934637-52-8 mal eine Hilfe zur Verfügung gestellt mit dem titel 101 Stichwörter für die BR-arbeit


    also zum Lesen gibt es genug :D. Und auch fürs lesen in diesen Unterlagen darfst du dich von der Arbeit freistellen. Es gab sogar mal ein Urteil, dass das lesen einer Wirtschaftszeitung für BRV und Wa-Mitglieder sicher mit zur BR-Arbeit gehört (so in den 1960er). Daher hat mein Vater als stellv. BRV immer Zeitung im BR Büro gelesen


    Gruß

    Rabauke

  • Ich versuche es mal knapper als Moritz...


    selbstverständlich müssen die einzelnen Punkte abgestimmt werden, damit der BR in Verhandlungen eine gemeinsame Linie vertritt. Wäre ja auch kurios, wenn z.B. ein 15er Gremium 15 verschiedene Vorschläge zur Verhandlung einreicht...


    Ein Beschluss ist immer notwendig, wenn der BR eine Entscheidung trifft, die dem AG als Beschluss des Betriebsrats mitgeteilt wird. Erkundigungen einziehen und sich selbständig informieren dürfen (und sollten) die einzelnen BRM natürlich...nur nicht verbindliche Erklärungen im Namen des BR abgeben, die eines gemeinsamen Beschlusses bedürfen. ("Natürlich gehen die Überstunden in Ordnung, was soll ich auch sonst machen, wenn ich abends nicht in die Kneipe kann...") Das wäre sogar ein Verstoß, der zum Ausschluss aus dem BR führen kann.

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Also ich hab keine spezifischen Sachverhalten aber Laut Arbeitsrecht hat der Betriebsrat (allgemein) folgende Rechte:


    • Unterrichtungsrecht
    • Beratungsrecht
    • Anhörungsrecht
    • Mitbestimmungsrecht
    • Zustimmungsverweigerungsrecht

    Die Aufgaben, die für gewöhnlich auf einen Betriebsrat zukommen sind:

    • Beobachtung der Durchführung arbeitnehmerfreundlicher Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
    • Förderung der Eingliederung von schutzbedürftigen Arbeitnehmern wie Schwerbehinderten usw.

    https://www.arbeitsvertrag.org…on_Welche_Aufgaben_hat_er

  • "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm" 8o

    Mein Sohn behautet an dieser Stelle immer, Er hätte viel Rückenwind gehabt. ;)


    Ich schließe mich meinen Vorrednern an das es nicht ein Pauschales, ja darf er allein machen oder nicht, gibt.

    Die Idee mit dem Menschenverstand finde ich gangbar.

    Ergänzen möchte ich noch anmerken, das mit der Erweiterung meiner Aufgaben auch mein Aktionsradius größer wird.

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Hallo an alle und vielen dank für die zahlreichen Antworten. Etwas an Information ist dabei, aber m.M. nach nicht wirklich das was ich suchte.


    Ich will die Situation kurz beschreiben. Der BR war bis vor meinem Eintritt „unauffällig“. Es gab keine schriftlichen Protokolle, es gibt bis dato keine Nachrücker, welche bei Erfordernis nachgeladen werden und unser BRV will den Aufwand gering halten und er will m.M. nach den Weg/ Ton angeben. Nur durch autoritäres Auftreten hab ich es geschafft, das wir in einer Sache eine RA im Boot haben, durch entsprechenden Beschluss in der Sitzung, was nicht Gegenstand irgendwelcher Tagesordnungen war. Wenn nicht irgend was auf Papier steht wird immer diskutiert. Hab seit 2-3 Monaten unsere Schriftführerin abgelöst, welche nichts geschrieben hatte. Damit kann ich etwas lenken und auf die geschriebenen Protokolle verweisen. Eine nicht unerhebliche Arbeit für mich die aber hilft. Trotzdem meint unser BRV zu gewissen Punkten immer, das müssen wir nicht durch klare Abstimmen mit Ergebnis beschließen. Wer was dagegen hat soll sich melden.....


    Persönliche Anfragen bei der Arbeitsagentur von mir -zur Kurzarbeit- wegen einer BV hat er so abgetan als dürfte ich das nicht selbstständig und bräuchte dafür eine Freigabe.


    Das Personal hat bei der GF erwirkt, dass nur noch Fragen über den BRV dort gestellt werden sollen, weil ich zu diversen Punkten dort nachgehackt hab.


    Eigentlich muss aus meiner Sicht jedes BR Mitglied für die seiner Arbeit notwendigen Sachen Zugriff auf alles haben oder ? Das schließt für mich eine eigenständige Arbeit und Abfrage überall mit ein? Wenn die Information nicht für mich bestimmt ist, dann müsste die Gegenseite darauf hinweisen oder ?


    Für mich stellt sich deshalb die Frage, ob ich im rechtlichen Rahmen handle/ handelte oder nicht. Auch brauch ich es schwarz auf Weis, um entsprechend dem BRV argumentieren zu können.


    Grüße an alle und Danke

  • Auch brauch ich es schwarz auf Weis, um entsprechend dem BRV argumentieren zu können.

    dann solltest Du das vielleicht nicht in einem Forum diskutieren sondern eher mal bei der, für euch zuständigen, Gewerkschaft oder einem Fachanwalt für Arbeitsrecht nachfragen.


    Grundsätzlich kann ich "Das Personal" (denke mal du meinst die Personalabteilung) durchaus verstehen, wenn die sich darauf zurückziehen und sagen nur der BRV dürfe fragen, je nach Größe des Gremiums gibt das für die ein großes Durcheinander wenn alle BR etwas an-/hinterfragen und der BRV ist nun mal das Sprachrohr des Gremiums Betriebsrat.

    Und wenn dann auch noch, wie bei euch, nie was vom Gremium kommt und plötzlich ein Aufrührer da ist...


    Und wenn Du mit autoritärem auftreten schon was erreicht hast, dann sorge damit auch dafür, dass Du auf die notwendigen Schulungen kannst, die meisten Anbieter legen ja wieder los.


    Was du alleine machen kannst ist, so finde ich, schon hinlänglich beschrieben worden.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)