Kurzarbeit oder doch Annahmeverzug ?

  • Hallo zusammen.

    Bin neu in diesem Forum und würde gerne einmal eure Einschätzungen bgzl. Kurzarbeit wissen. Bzw. ob hier überhaupt noch von Kurzarbeit gesprochen werden kann.


    Unser Unternehmen arbeitet im sog. Werk/Dienstvertrag für ein Großes Unternehmen. Wir wickeln die komplette Logistische Tätigkeiten ab und zwar direkt im Werk des Kunden.

    Nun verhält es sich so das der Kunde ende März erst die komplette Produktion eingestellt hat und seine Leute in Kurzarbeit geschickt hat. Dies hatte zur folge das auch wir von heute auf Morgen ende März alle in Kurzarbeit geschickt wurden.


    Ende April fingen wir wieder in sog Einschichtbetrieb wieder an zu Arbeiten.

    Da wir sonst in Früh und Spätschicht arbeiten, arbeitet jede Schichtgruppe nun alle 14 Tage.


    Bis hier hin kann ich Kurzarbeit noch nachvollziehen.


    Nun aber hat wird es für mich etwas heikel was Kurzarbeit und Annahmeverzug betrifft.

    Unsere Schichtgruppe hatte letzte Woche Frühschicht.

    Am 23.06.2020 kam zu Schichtbeginn unser Schichtleiter zu uns und Drücke uns einen Zettel in die Hand auf der Mitgeteilt wurde das zum einen die Kurzarbeit bis 23.08.2020 verlängert wurde und zum anderen am 25.06 und 26.06.20 beim Kunden keine Produktion stattfinden wird und deshalb Kurzarbeit Null angeordnet wird.

    Weiter wurde nun bekannt gegeben das ab Montag 29.06.2020 wieder in zwei Schichten gearbeitet wird. Zu erwähnen ist hier auf jeden Fall das der Kunde ab 29.06.2020 Offiziell keine Kurzarbeit mehr hat. Ebenfalls zu erwähnen ist das der Kunde ab 03.08.2020 für 3 Wochen eine Blockpause/Werksferien macht. Dies war bereits im letztem Jahr schon bekannt .


    Zu den Arbeitszeiten ab nächste Woche ist zu sagen das der Kunde Tarifvertraglich eine 35 Stunden Woche hat. Wir haben auf Grund das es bei uns selbst noch keine Tarifbindung gibt alle einzelvertraglich eine 38 Stunden Woche.

    Auf Grund der vom Kunden vorgegebene Pausenregelung Arbeiten kommen wir auf 6,42 Stunden täglich / 32,10 Stunden Wöchentlich da uns alle Pausen abgezogen werden . Bei den Angestellten des Kunden wird lediglich 30 Minuten Pause abgezogen , womit sie das auf Ihre 35 Stunden Woche kommen.


    Und genau hier hört mein Verständnis von Kurzarbeit auf.

    Nach meiner persönlichen Auffassung dürfte hier keine Kurzarbeit mehr vorliegen.

    Hier möchte unser Unternehmen Augenscheinlich sein Betriebsrisiko auf uns Abwälzen. Genauso für die zwei Tage am 25.06.2020 und 26.06.2020 . Denn es kann doch nicht unser Problem sein wenn der Kunde plötzlich für sich entscheidet 2 Tage nicht zu Produzieren. Hier würde ich dies als Betriebsrisiko einstufen.

    Ein Betriebsrat gibt es noch nicht bei uns. Wir sind aber grade dabei die Wahlen dazu vorzubereiten. Unser Wahlvorstand ist bereits in einer Betriebsversammlung gewählt worden.


    Wie ist hier eure Meinung ?

    Liegt hier noch Kurzarbeit vor oder schlicht Annahmeverzug des Arbeitgebers ?


    Gruß

    Hafenkasper

  • Immer noch Kurzarbeit


    Kurzarbeit ist eine Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit aufgrund von Arbeitsmangel


    Die Voraussetzungen stehen hier: https://www.arbeitsagentur.de/…hmen-zum-kurzarbeitergeld


    Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als 10 Prozent haben.


    und wenn Ihr eine 38 h Woche auf 32 h verkürzt sind das halt mehr als 10 %

  • Kommt es nicht auch auf den Grund an warum die Arbeitszeit veringert wird ?

    Dies geschieht ja nicht auf Grund Arbeitsmangels sondern alleine deshalb weil der Kunde ganz Normal wieder seine tarifliche 35 Studen Woche fährt und wir aber an dessen Arbeits- und Pausenzeiten gebunden sind.

  • Hallo,


    denke auch Kurzarbeit. Da ihr keinen BR habt der euch vertritt wird es auch schwer was anderes durchzusetzen.

    Ihr habt auch keine Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber wo ihr hättet vieles aushandeln können.

    Aber ihr seit auf einem guten Weg wenn ihr einen BR gründet. Drücke euch dafür die Daumen. Und lasst euch nicht beim ersten Gegenwind einschüchtern.

  • Ja ich sehe hier auch nur Kurzarbeit, natürlich hätte man in einer BV solche Dinge regeln können wie: Der zeitliche Unterschiedbetrag an Stunden zu unserem Kunden, wird als Zuschuss auf das Kurzarbeitergeld aufgeschlagen oder so. Da ihr aber keine BV habt, ist es halt schwierig, bzw. hätte von euch einzeln ausgehandelt werden müssen und wie hier die Chancen stehen brauch ich euch glaube ich nicht zu sagen.


    Aber ihr habt ja schon den ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht eure Arbeitsbedingungen zu verbessern ;)

  • ich sehe hier keine Kurzarbeit.

    Der Arbeitgeber kann nicht einseitig Kurzarbeit anordnen.

    Hierzu gehört immer eine Vereinbarung!


    Wenn kein Betriebsrat vorhanden ist muss die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer individuell getroffen werden.


    Wenn sich nun alle Arbeitnehmer wehren und für die letzten 6 Monate ihr volle Gehalt einfordern sind Sie aus meiner Sicht im recht, solange es keinen Individuellen Vertrag gibt, der Kurzarbeit (incl. der Höhe) benennt.


    Das Problem wird dann nur sein, dass der AG alle kündigt, die den Weg der Klage gehen und ihr gutes Recht einfordern, daher würde ich das nur zusammen mit einer Starken Organisation machen (Gewerkschaft IGM)


    Gruß

    Rabauke

  • Ich sehe hier auch keine Kurzarbeit weil die vorraussetzung dafür gar nicht mehr erfüllt werden.

    Ein Betriebsrat ist noch nicht vorhanden , wird aber grade von uns gegründet. Der Wahlvorstand wurde bereits gewählt.

    Zur Zeit haben wir alle einen einheitlichen Standart Areitsvertrag.

    Dort ist ein passus zum Thema Kurzarbeit enthalten der meiner Rechtsauffassung und bisherigen Recherche aber einer AGB Kontrolle nicht stand hält.

    Der Passus lautet wie folgt:


    " bei der Einfühung von Kurzarbeit im Betrieb ist der Areitnehmer - unbeschadet etwaiger betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte - damit einverstanden dass der Arbeitgeber Kurzarbeit einführt und für die Dauer der Arbeitszeitverkürzung das Entgelt entsprechend reduziert wird, sofern die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld gewährt und die Kurzarbeit mit einer Frist von zwei Wochen angekündigt wird. "


    Das LAG Berlin - Brandenburg entschied mit Urteil vom 07.10.2010 - 2 Sa 1230/10


    1. In Arbeitsverträgen vorformulierte Klauseln, die dem Arbeitgeber die einseitige Anordnung von Kurzarbeit ermöglichen, stellen eine Abweichung von §§ 611 BGB, 2 KSchG dar.

    2. Solche Klauseln sind unwirksam, wenn sie nicht ausdrücklich eine Ankündigungsfrist vorsehen.

    3. Solche Klauseln können auch dann gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam sein, wenn sie Regelungen über Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit, Festlegung des betroffenen Personenkreises, Art und Weise der Einbeziehung des Personenkreises u. ä. völlig offen lassen.

    4. Die bloße Bezugnahme auf die Vorschriften der §§ 169 ff. SGB III führt weder für sich genommen noch über die Regelung des § 310 Abs. 4 BGB zu einer Legitimation der Klauseln, die den genannten Grundsätzen nicht entsprechen.


    und auch das BAG entschied mit Urteil vom 18.11.2015 - 5 AZR 491/14


    " Eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit muss die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich regeln, dass diese für die Arbeitnehmer zuverlässig zu erkennen sind. Erforderlich sind mindestens die Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Regelung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer. "

    Wie gesagt , der Kunde an dessen Arbeits- und Pausenzeiten wir gebunden sind, ist nicht mehr in Kurzarbeit und ist ganz Normal wieder zu seiner Tariflichen 35 Stundenwoche zurückgekehrt. Nun möchte augenscheinlich unser Arbeitgeber die fehldifferenz zu unserer vertraglichen Arbeitszeit ( 38 Stunden Woche ) dauerhaft als Kurzarbeit verkaufen.


    Der Arbeitgeber kann im übriegen gar nicht aus organisatorischen Gründen all jene Mitarbeiter kündigen die sich evtl. Gerichtlich gegen die Lohnkürzung wehren würden, weil dann die Bänder des Kunden umgehend still stehen und das würde der Kunde keinesfalls zulassen .

    Mich kann der Arbeitgeber zur Zeit keinesfalls kündigen da ich auf Grund Mitglied des Wahlvorstandes für die Betriebsratswahl besonderen Kündigungsschutz geniesse.


    Gruß

    Hafenkasper