Urlaub 31.12. vs. Individualvertrag bzw. geübte Praxis

  • Hallo,


    wir haben aktuell folgende Situation, der AG möchte ab sofort, dass gesetzeskonform aller Urlaub bis 31.12. genommen wird.

    Bisher war eine problemlose Übertragung von Urlaub geübte Praxis (20 Jahre), was unbestritten auch nicht nur gut war. Verfall gab es nicht.

    In den Arbeitsverträgen steht, Urlaub muss bis 30.4. Folgejahr genommen werden.


    1. Ist diese neue Regelung mitbestimmungspflichtig oder ist es keine Regelung i.e.S?

    2. Sticht der Individualvertrag das Urlaubsgesetz bzw. die Anordnung?


    -. Wir haben eine überaus großzügige (Aufstockung) Kurzarbeitsregelung, die keinen Anreiz (außer Verfügbarkeit) bietet Urlaub gegen KA zu tauschen.

    -. Wir haben aber auch Kollegen die beim Kunden eingesetzt sind und projektbedingt Schwierigkeiten haben jetzt noch 6 Wochen Urlaub bis Jahresende zu nehmen.

    -. Es gibt keine BV zu Urlaub.


    Danke für eure Meinungen!

  • Servus Tom,


    ob der Urlaub bis zum Jahresende genommen werden soll, obwohl das in der Vergangenheit nicht so war ist eine Änderung der Urlaubsgrundsätze und somit mitbestimmungspflichtig.


    Allerdings muss man dazu sagen, dass ihr im Streitfall keine Chance hättet, die übliche Regelung gegenüber eurem AG durchzusetzen.


    Zur zweiten Frage: Hier kommt es auf die Formuierung des Arbeitsvertrages an. Prinzipiell gilt das Günstigkeitsprinzip. Es gibt aber auch Formulierungen, die einen Arbeitsvertrag Betriebsvereinbarungsoffen gestalten.


    Allerdings kann das Arbeitsamt verlangen, dass der AN vorhandenen Urlaub einbringt, bevor es Kurzarbeitsgeld gibt. Dies ist normalerweise nicht so, aber genau die Konstellation wie du sie beschreibst, das KA bis zu Jahresende geht und noch viel Urlaub vom Jahr übrig ist, da kann das Arbeitsamt sagen, dass der Urlaub genommen werden muss und keine Kurzarbeit gemacht werden kann.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Hallo Markus,


    danke!


    Punkt 1 hatten wir auch schon so gedacht und versuchen jetzt und für die ungewisse Zukunft noch ein wenig zu verhandeln.


    Das die Kurzarbeiter, die keinen Urlaub mehr geplant haben möglichst/zwingend ihren Urlaub abbauen sollten ist auch unstrittig bzw. sinnvoll.


    Wer aber aktuell voll in ein Projekt eingebunden ist, im Vertrag steht "Urlaub ist bis zum 30.4. Folgejahr zu nehmen" steht, wir keine BV Urlaub haben und der MA Interesse hat im 1.Q in Urlaub zu gehen. Ist der MA dann selbst verantwortlich sich mit AG zu einigen , weil Individualvertrag oder kann/soll BR auch da....


    Ob eine zukünftige BV dann günstiger wird, weiß ja noch keiner.....

  • Der einzelne MA kann immer individualrechtlich seine vereinbarten Rechte einfordern, also aus TV, BV oder AV.


    Der BR sollte versuchen eine Einigung mit dem AG zu erzielen, um möglichst viele der Individual AV Regelungen einzufangen.

    Man kann das auch durchaus mit Übergangsregeln, Ende dieses Jahres können noch X Tage mit rüber im Jahr 2022 dann nur noch y Tage.


    Was anderes sind natürlich immer Projekte - da beantragt der MA dann einfach Urlaub innerhalb des Projektes und der AG lehnt diesen ab. Da der Ma dann keine Möglichkeit hat den Urlaub abzubauen, muss sich der AG ja etwas einfallen lassen (z.B. Übertrag in das nächste Jahr 8)

  • Wenn in den Arbeitsverträgen steht 30.04 hat sich AG daran zu halten und der Betriebsrat sollte einen Teufel tun und da irgendwelche BVs abzuschließen die schlechter sind!

    Das Arbeitsamt verlangt nur den Abbau vom Resturlaub aus dem vorigen Jahr. Sollte also noch Urlaub von 2019 übrig sein muss dieser halt genommen werden.

  • Eigentlich möchten wir alles so lassen wie es ist.....also nicht notwendigerweise eine BV


    Steht der Individualvertrag tatsächlich über dem Bundesurlaubsgesetz? Der AG argumentiert, dass dieser Passus im Vertrag unwirksam ist, weil gesetzwidrig. (Für den Rest Salvatorische Klausel).

    Ich meine von TV und BV gehört zu haben, die auch komplettes Folgejahr oder 30.6. beinhalten...

    und in einem Kommentar( glaube 101) steht, Vorbehaltlich Av oder TV .....muss Kalenderjahr...31.03.

  • Hallo,


    auch aus meiner Sicht hat der BR zwar Mitbestimmung, der rechtliche Spielraum ist allerdings aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage des § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG sehr gering.

    Auch die pauschale und unbegrenzte Übertragung bis zum 30.04. des Folgejahres in den Arbeitsverträgen dürfte wegen klarem Gesetzesverstoss rechtsunwirksam sein.

  • Hallo,



    Auch die pauschale und unbegrenzte Übertragung bis zum 30.04. des Folgejahres in den Arbeitsverträgen dürfte wegen klarem Gesetzesverstoss rechtsunwirksam sein.

    Sehe ich auch so. Wenn in dem Vertrag eine Differenzierung gesetzlichen und über dem Gesetzlich hinausgehenden Urlaub getroffen wurde, dann sähe das anders aus,

    also z.B. 30 Tage bei 5-Tagewoche Urlaubsanspruch

    10 Tage übertragbar bis 30.04. des Folgejahres, der Rest kalenderjährlich zu nehmen mit maximaler Übertragbarkeit nach Antrag 31.03. des Folgejahres sähe es anders aus.


    Auch das Bundesurlaubsgesetz gehört zu einem Arbeitnehmerschutzgesetz, jede Verschiebung nach hinten des Erholzeitraums zur Regenerierung ist aus meiner Sicht kein Vorteil für den AN und somit keine Besserstellung als das Gesetz.

  • Auch die pauschale und unbegrenzte Übertragung bis zum 30.04. des Folgejahres in den Arbeitsverträgen dürfte wegen klarem Gesetzesverstoss rechtsunwirksam sein.

    Das sehe ich (nach einem Blick ins Gesetz) mittlerweile genau so.


    Das Gesetz siht eine Übertragung in das Folgejahr nur unter bestimmten Vorraussetzungen als statthaft. Dies sind dringende betriebliche Belange und in der Person des AN liegende Gründe. Mit einer pauschalen Möglichkeit den Urlaub zu übertragen wäre es eben nicht mehr statthaft.


    Dies kann aber von den Tarifvertragsparteien erweitert werden. Sie können zum Beispiel auf die Begründung der Übertragung verzichten oder auch einen längeren Übertragungszeitraum definieren.


    Die Betriebsparteien können aber solch eine Regelung nicht vereinbaren. (§13 BUrlG)


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Moin,


    had da noch etwas gefunden:


    Wird hier im 2. und im letzten Absatz m.E. etwas anders gesehen:

    https://www.lto.de/recht/job-k…bertragen-naechstes-jahr/


    ...Grundsätzlich ist der Urlaub im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen, außer der Arbeitsvertrag oder Tarifverträge sehen abweichende Regelungen vor. Schließlich dient der Urlaub der Erholung der Arbeitnehmer. Dabei dürfen Arbeitnehmer den Zeitraum ihres Urlaubs grundsätzlich frei wählen. Der Arbeitgeber muss den Wünschen des Arbeitnehmers entsprechen....


    ...Ob und inwieweit Resturlaub übertragen werden kann, ist also in jedem Einzelfall zu prüfen. Wurde Resturlaub auf das Kalenderjahr 2018 übertragen, kann damit der Osterurlaub im März verlängert werden. Eine darüberhinausgehende Verlängerung scheidet jedoch – vorbehaltlich abweichender vertraglicher oder tariflicher Regelungen – aus....


    Vllt. ist es auch schon ein Ansatz für eine BV über die Tage zu reden, die über den gesetzl. Urlaub hinausgehen.

  • Hallo,


    Du solltest den Artikel schon richtig lesen. Da steht an keiner Stelle, daß Urlaub unbegrenzt ohne Grund übertragen werden darf.

    Der Artikel beschäftigt sich lediglich mit dem Zeitraum der Übertragung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dieser kann sehr wohl später als am 31.03. vereinbart werden.

    Der gesetzliche Grundsatz, daß der Urlaub aber im laufenden Jahr genommen werden muß, ist aber nicht tarif- oder vertragsdisponibel. Dieser Grundsatz wurde auch nie vom EuGH in Frage gestellt. Schließlich hat ja jeder AN am 01.01. seinen Jahresurlaub zur vollen Disposition verfügbar.

  • ok, ich denke nochmal darüber nach.


    ...Grundsätzlich ist der Urlaub im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen, außer der Arbeitsvertrag oder Tarifverträge sehen abweichende Regelungen vor.... Verstehe ich auch so, wie es da steht.


    ...im nächsten Leben werde ich Jurist..


    Danke!

  • Hallo Markus,


    auch TVen dürfen den gesetzlichen Grundsatz, daß der Urlaub im laufenden Jahr zu nehmen ist, nicht aushebeln. Auch TVen dürfen lediglich den Verfallszeitraum bei gesetzeskonformer Urlaubsübertragung zu Gunsten des AN verlängern.


    Das BUrlG zählt zu den Arbeitnehmerschutzgesetzen, da ist gar kein Spielraum für pauschale Übertragungen.