BEM vs. Personalgespräch

  • Hallo,


    ich benötige mal wieder fachliche Unterstützung:

    Sachlage: Gleichgestellter Mitarbeiter seit über 1 Jahr au-geschrieben. BEM-Erstgespräch Juni/ Juli 2020, kein Folgegespräch, keine Maßnahmen eingeleitet trotz Anfragen der Interessenvertreter und des Mitarbeiters. Mitarbeiter hat einige Vorschläge dem Vorsitzenden des BEM-Teams unterbreitet. Ergebnis eines BEM-Verfahrens kann wohl auch ein Auflösungsvertrag mit Abfindung sein!? Umschulung!? Jetzt Gespräch Arbeitnehmer und Arbeitgeber, dieses Gespräch soll nicht innerhalb des BEM`s stattfinden, sondern als Personalgespräch (Information des Arbeitgebers).

    Ich als SBV würde dem gern widersprechen (ich nenne dies mal so, Herr des BEM-Verfahrens ist der Mitarbeiter), da es im BEM-Verfahren nicht weiter geht (evtl. "verschleppt", verzögert wird), man dies ja im Zusammenhang sehen muss und ich nicht verstehe, warum es losgelöst vom BEM sein soll, dieses Gespräch hat auch Auswirkungen auf das BEM und im BEM-Gespräch getroffene Absprachen auch protokolliert werden müssen. Zu berücksichtigen ist, dass der Mitarbeiter im "Fokus des AG" steht.

    Dies ist eine grobe/ kurze Übersicht.


    Würdet Ihr dies auch im BEM anstatt in einem Personalgespräch klären? Gibt es Möglichkeiten, dies dann auch als BEM-Gespräch "durchzusetzen"? und den Entscheidungsprozess zu beschleunigen, dass es auch zum Ergreifen von Maßnahmen kommt? Ich habe das Gefühl, wir rennen gegen eine Wand, es geht nicht vorwärts. :(

    Für andere Vorschläge, weiterführende Infos wäre ich auch sehr dankbar


    Randnotiz: IFD ist prinzpiell schon mit im Boot


    Vielen Dank und herzliche Grüße


    Di

    2 Mal editiert, zuletzt von di ()

  • Hallo,


    statt irgendwo rumzugoogeln, solltest Du Dich mal dringend mit § 167 Abs. 1 SGB IX, dem Präventionsverfahren, auseinandersetzen, das für schwerbehinderte/gleichgestellte AN gesetzliche Pflicht des AG ist.

    Und eigentlich solltest Du davon schon auf Deinem allerersten SBV-Grundseminar gehört haben.

  • ...dieses Gespräch hat auch Auswirkungen auf das BEM und im BEM-Gespräch getroffene Absprachen auch protokolliert werden müssen. ....

    Woher weist du, dass es Auswirkungen haben wird?

    Hier sollte man schon das Personalgespräch vom BEM trennen.


    Ja es ist ärgerlich, wenn ein BEM verschleppt wird oder kein echtes BEM ist. Aber daran machst du nicht viel.

    Ich an deiner Stelle würde meinen Schützling bequatschen, mit zum Personalgespräch gehen. Sollten tatsächlich Themen aus dem BEM auf den Tisch kommen (Was aus Datenschutz nicht darf), kann man auf diesen Verstoß hinweisen.
    Ansonsten im Gespräch aufs BEM verwweisen und ggf. das Gespräch abbrechen.

    Und dann mal dringend Euer BEM-Konzep überdenken.. und ggf. dem Mitarbeiter einen RA empfelen um ein ordnungsgemäßes BEM einzuklagen.



    ...

    § 167 Abs. 1 SGB IX, dem Präventionsverfahren...

    Ich bin ja noch nicht lange im Forum, aber du solltest hier mal ein Buch zu schreiben, ;) du könntest hier viele verkaufen. :D

    Wobei ich zugeben muss, das ich in Sachen Präventionsverfahren auch noch üben/erziehen muss.

  • Ich würde erst einmal klären im Vorfeld des Personalgespräches was den der Arbeitgeber im Rahmen dieses mit dem Mitarbeiter besprechen will.
    Zu einem Personalgespräch ohne Agenda würde ich dem Mitarbeiter empfehlen mit einem BR Mitglied und SBV hinzugehen.
    Und wenn dort dann Massnahmen kommen sollten vom Arbeitgeber würde ich das Gespräch beenden da keine Vorbereitung möglich war.
    Je nach Agenda(punkten) würde ich mir dann Gedanken machen wie ich da vorgehen würde. Also BEM oder Personalgespräch weitertreiben.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Wenn ich es recht gelesen habe, ist der/die AN weiterhin AU. Dann sollte doch bitteschön klar sein, dass eine Teilnahmepflicht des/der AN nicht besteht. Das sagt das BAG: Ein durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhinderter Arbeitnehmer ist regelmäßig nicht verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, um dort an einem Gespräch zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit teilzunehmen.


    Der/die AN sollte unter Verweis auf die o.g. Rechtsprechung ein Gespräch ablehnen und die weitere Durchführung des BEM in Kombination mit dem Präventionsverfahren nach ...

    § 167 Abs. 1 SGB IX

    ... verlangen, und genau in diese Kerbe müssen SBV und BR ebenfalls schlagen. Der AG, das geht zumindest so aus dem Thread hervor, hat das bisher auf gesetzeswidrige Weise nicht getan.


    Wenn der AG nach der AU ein Personalgespräch anweist, wird man sich dem als AN nicht entziehen können. Man wird aber sinnvollerweise a) nicht ohne SBV bzw BR dort erscheinen und b) dort keinerlei Aussagen tätigen, ausser dass man BEM und Präventionsverfahren verlangt.

    Ich habe das Gefühl, wir rennen gegen eine Wand, es geht nicht vorwärts. :(

    Du musst nur die gesetzlichen Mechanismen (Präventionsverfahren) in Bewegung setzen. Dann geht es vorwärts.


    Und das hier ...

    Ergebnis eines BEM-Verfahrens kann wohl auch ein Auflösungsvertrag mit Abfindung sein!?

    ... ist sicher falsch. Es heisst Ein-, nicht Ausgliederungsverfahren. Punkt.


    P.S., und auch hier muss ich eine grundsätzliche Kritik am Diskussionsverlauf abgeben. albarracin hat ein Statement abgegeben, dass definitiv ist - wegen SB ist hier § 167 I SGB IX einschlägig. Da ist es imho daneben, darauf nicht einzugehen und das damit obsolete Personalgespräch weiterzudiskutieren.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    5 Mal editiert, zuletzt von Fried ()

  • Hallo,

    da sich die Sachlage insgesamt schwierig darstellt und ich diese nicht so gut auf den Punkt bringen konnte, eine kurze Info zum Abschluss und dann kann hier geschlossen werden.

    Nach Rücksprache mit dem IFD ist es hier egal, ob Personalgespräch oder BEM. Des Weiteren hat er nach 20 Jahren IFD die Erfahrung gemacht, dass ein Präventionsverfahren zumeist dann beantragt wird, wenn der AG eine Kündigung in Erwägung zieht, es dient meistens der Vorbereitung einer Kündigung. Eine Pauschalisierung, dass dies das Mittel der 1. Wahl ist, würde er nicht vornehmen.

    Auch wenn man an Seminaren teilgenommen hat, wo man sich das erste Rüstzeug holt, so muss man auch erst lernen, dieses Wissen anzuwenden und zu erweitern, so ist es doch die Praxis, wo man die meiste die Erfahrung sammelt und gemeinsam mit den "Partnern" die bestmögliche Lösung für den Betroffenen erarbeitet. Mit wenig Praxis benötigt man eben den einen Rat vielleicht mehr.


    Auch die "Allwissenden" hier im Forum haben mal klein angefangen und waren bestimmt nicht mit dem heutigen Erfahrungsschatz / Wissen ausgestattet, eine "Rückbesinnung" täte vielleicht hier und da mal ganz gut.


    Di

  • Hallo di,


    du hast deutliche Hinweise bekommen, weil nur mit deutlichen Hinweisen die rechtliche Situation klar gemacht werden kann. Wir sind hier kein Kuschelforum sondern geben nur unsere Erfahrungen weiter und unsere Meinung zu den Dingen.


    Wenn du damit ein Problem hast, klare freundliche aber bestimmte Aussagen zu bekommen, dann muss du lernen damit umzugehen, weil sonst wird dich die Gegenseite freundlich lächelnd über den Tisch ziehen.

    Ich weis nicht was dir die Person von Integrationsfachdienst genau gesagt hat, aber diese Person schaut aus einer anderen Brille als das Integrationsamt und die SBV.


    Der Integtrationsfachdienst ist zur Vertretung der Mitarbeiter da und vom Mitarbeiter beauftragt. Den zu Fragen ist das BEM so richtig, ist so als wenn du im Bauamt nachfragst, ob das Strassenverkehrsschild anhalten Verboten nicht an der falschen Stelle steht weil es den Blick nach außen für die Anwohner stört. Die sagen dir dann, ob das 10 Meter weiter unten steht oder hier steht ist mir wurscht, das Protokoll wegen Falschparken bekommst du trotzdem.


    gruß

    rabauke

  • Hallo,


    leider sind die Mitarbeiter*innen von IFD und IA nicht immer besonders gut arbeitsrechtlich geschult.

    Auch haben die Integrationsämter bzw. deren Bundesarbeitsgemeinschaft teilweise rechtliche Einschätzungen relativ exklusiv.

    Sowohl bezüglich Initiativrecht , den Verfahrensvorschriften und als auch den Rechten der Betroffenen und der Interessenvertretungen macht es einen großen Unterschied, welches Verfahren genutzt wird.


    Und im Übrigen gibt es auch formale Anforderungen, die aus der sog. "Normenpyramide" resultieren und aus denen ganz klar resultiert, daß § 167 Abs. 1 SGB IX nunmal als Spezialnorm bei schwerbehinderten/gleichgestellten AN eindeutig Vorrang hat vor der allgemeinen Norm des § 167 Abs. 2 SGB IX. Da gibt es auch kein Wunschkonzert für AG, AN, Interessenvertretungen oder andere, wenn man nicht den Betroffenen u. U. massiv schaden will.


    di: Diese und andere Aussagen sind nun mal sowohl theoretische und auch praktische Erfahrungsschätze aus mittlerweile 16 Jahren SBV-Arbeit einschließlich überregionaler Vernetzung. Wenn Du daran partizipieren willst, dann mußt Du halt auch mal klare Ansagen akzeptieren. Nicht nur ich habe keine Lust auf das Schmeissen von "Wattebäusschen".

    Wenn Du keine klare Ansage haben willst, dann poste es von Anfang an.

  • Hallo albarracin,

    diese Aussage von Dir verstehe ich (noch?) nicht:

    Und im Übrigen gibt es auch formale Anforderungen, die aus der sog. "Normenpyramide" resultieren und aus denen ganz klar resultiert, daß § 167 Abs. 1 SGB IX nunmal als Spezialnorm bei schwerbehinderten/gleichgestellten AN eindeutig Vorrang hat vor der allgemeinen Norm des § 167 Abs. 2 SGB IX. Da gibt es auch kein Wunschkonzert für AG, AN, Interessenvertretungen oder andere, wenn man nicht den Betroffenen u. U. massiv schaden will.

    M.E. regeln die beiden Absätze einfach verschiedene Dinge:

    Abs 1. das Verfahren, wenn es im Arbeitsleben eines SB Schwierigkeiten gibt,

    Abs 2 das Verfahren, wenn ein MA (auch ein SB) länger als 6 Wochen krank ist.

    Da hier der SB langzeiterkrankt ist, wäre das zutreffende Verfahren das nach Abs. 2. Dort wird ja auch explizit auf den Personenkreis verwiesen, der dann mitredet. Da der Personenkreis dem nach Abs. 1 entspricht, sehe ich auch keine Unterschiede oder gar Nachteile.

    Das Verfahren kann bei Zustimmung des Betroffenen grundsätzlich auch während der AU stattfinden, um rechtzeitig Wege der Eingliederung organisieren zu können.

    Einig sind wir darin, dass ein Personalgespräch sicher nicht im Sinne des Betroffenen wäre.

  • Hallo BMG,


    Dein Denkfehler liegt hier,

    Abs 1. das Verfahren, wenn es im Arbeitsleben eines SB Schwierigkeiten gibt,

    Abs 2 das Verfahren, wenn ein MA (auch ein SB) länger als 6 Wochen krank ist.

    denn das sind keine unterschiedlichen Sachverhalte. Eine AU von 6 oder mehr Wochen ist ebenso eine "Schwierigkeit" im Sinne des Abs. 1, denn es geht in Abs. 1 um eine allgemeine Kündigungsprävention. Und mehr als 6 Wochen AU sind schon grundsätzlich kündigungsrelevant. Und deswegen greift auch bei längerer AU für schwerbehinderte/gleichgestellte AN grundsätzlich Abs. 1, da es nun mal eine spezielle Vorschrift für diesen speziellen Personenkreis ist und somit im Sinne der Normenpyramide die "Lex specialis". Das hat auch den praktischen Grund, daß die vom AG zu berücksichtigenden Verpflichtungen und auch "Zumutungen" erheblich höher sind als bei einem BEM.