langjährige Schwerbehinderung - Zusatzurlaub nur anteilig?

  • Hallo,


    ich hoffe mir kann hier jemand helfen.


    Ich habe im Juni 2012 einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis (50 GdB) ausgestellt bekommen.

    Nun habe ich im September 2020 meinen Schwerbehindertenstatus auch offiziell meinem Arbeitgeber mitgeteilt, weil mir gesagt wurde, dass ich damit Anspruch auf 5 Tage Zusatzurlaub je Kalenderjahr habe.


    Bei meinem Arbeitgeber bin ich seit 2017 ohne Unterbrechung angestellt.


    Nun musste ich jedoch feststellen, dass ich für das aktuelle Jahr 2020 nur 2 Tage Zusatzurlaub eingetragen bekommen habe, d.h. sozusagen den Zusatzurlaub nur anteilig für die restlichen Monate von 2020.


    Ist das so richtig?

    Mein Schwerbehindertengrad bestand ja bereits das ganze Kalenderjahr.

    Aktuell werde ich ja schlechter gestellt, weil der Arbeitgeber sagt, ich habe den Schwerbehindertengrad erst im September mitgeteilt und damit bekomme ich auch nur anteilig meinen Zusatzurlaub.

    Oder kann ich mit Verweis auf bestimmte Paragraphen/ Urteile meinen vollen Zusatzurlaub von 5 Tagen für das Jahr 2020 einfordern?


    viele Grüße

    Dominik Hauer

  • Der Anspruch besteht ab dem Tag an dem die Feststellung des GdB erfolgt ist. Nur wenn erst z.B. im August der GdB festgestellt wird dann anteilig. siehe SGB IX, §208

    Dir stehen für dieses Jahr die 5 Tage zu

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Super

    vielen Dank


    Dann versuche ich, dass mit den Hinweis auf SGB IX, §208 zu begründen.


    Was mache ich jedoch, wenn die Personalabteilung nicht mitspielt und sagt, dass ich meinen Zusatzurlaub bis zum Tag x von 2020 geltend hätte machen müssen, um die vollen 5 Tage für 2020 zu erhalten?

    Einmal editiert, zuletzt von Stibizi () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Stibizi mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Was mache ich jedoch, wenn die Personalabteilung nicht mitspielt und sagt, dass ich meinen Zusatzurlaub bis zum Tag x von 2020 geltend hätte machen müssen, um die vollen 5 Tage für 2020 zu erhalten?

    Fragen, auf welcher Rechtsgrundlage sie meinen, so agieren zu können. Und Dich (offiziell gem. 84 und 85 BetrVG) beim BR beschweren. (Und wenn ihr habt auch gleich die SBV mit ins Boot nehmen.)


    Sollte das alles auch nicht helfen, wirst du wohl den Klageweg beschreiten müssen. (Möglicherweise kennt albarracin aber noch eine elegante Möglichkeit vorher.)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • ich habe soeben eine Rückmeldung vom Betriebsrat (Schwerbehindertenvertretung) bekommen, in der es heißt, dass der Zusatzurlaub nur anteilig für 2020 gegeben wird, weil ich die Schwerbehinderung eben auch erst im September mitgeteilt habe.


    Gefühlt ist also auch der Betriebsrat nicht auf meiner Seite.

  • Hallo,


    tritt erneut an den BR heran mit den oben genannten Vorschlägen. Dann sollte der BR merken das er auf dem Holzweg ist und einlenken.

    Falls nicht hilft nur

    Sollte das alles auch nicht helfen, wirst du wohl den Klageweg beschreiten müssen. (Möglicherweise kennt albarracin aber noch eine elegante Möglichkeit vorher.)

  • Hallo Alle Miteinander,


    ich bin gegenteiliger Auffassung.


    Um einen "rückwirkenden" Urlaubsanspruch geltend machen zu können, muss man dem Arbeitgeber rechtzeitig die Möglichkeit geben, von diesem "Anspruch" überhaupt zu wissen. Wenn man den Arbeitgeber nicht über seine Schwerbehinderung informiert, kann man auch keinerlei Nachteilsausgleiche, und dazu zählt auch der Urlaubsanspruch, geltend machen.


    Auf einem SBV-Seminar wurde uns dazu ganz deutlich erklärt, dass der Arbeitnehmer, wenn er sicher sein will, dass sein Urlaub auch rückwirkend anerkannt wird, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend zugesprochen wird, diesen Urlaubsanspruch vorab geltend machen muss. Nach meiner Erfahrung wird der AG dann zwar den Anspruch so lange ablehnen, bis der endgültige Bescheid vorliegt. Nach Erhalt eines positiven Bescheides gibt es dann aber keine Diskussionen mehr.


    Auch in dem von rtjum verlinkten Artikel von Haufe steht, dass der Arbeitnehmer schon während des Feststellungsverfahrens seinen Urlaubsanspruch (zumindest für das Vorjahr) hätte geltend machen müssen.


    In dem Fall von Dominik handelt es sich aber nicht um eine rückwirkend festgestellte Schwerbehinderteneigenschaft. Die Schwerbehinderteneigenschaft steht schon seit 8 Jahren fest, nur hatte Dominik irgendeinen Grund, diese dem Arbeitgeber nicht mitzuteilen. Jeder kann für sich selber entscheiden, ob er die Schwerbehinderung mitteilt oder nicht. Da gibt es immer Gründe dafür und dagegen. Aber wenn man die Schwerbehinderung nicht mitteilt, kann man auch nicht rückwirkend Ansprüche geltend machen.


    Macht man nämlich seine Ansprüche rechtzeitig und unverzüglich geltend, gibt man dem AG ja auch Gelegenheit, für das zusätzliche Urlaubsgeld evtl. Rücklagen zu bilden und auch eine langfristige Urlaubsplanung vornehmen zu können. Auch aus Sicht eines Interessenvertreters denke ich, dass dem AG das zusteht. Weiterhin hätte der AG u. U. für acht Jahre weniger Ausgleichsabgabe zahlen müssen (für den Fall, dass er weniger als 5% sb MA beschäftigt).


    Natürlich gibt es auch viele Firmen, in denen Mitarbeiter sich während eines laufenden Verfahrens nicht trauen, den AG über die Antragstellung zu informieren, da es ja auch sein kann, dass nur ein geringer GdB zugesprochen wird, und man dann Angst vor irgendwelchen Repressalien hat. Auch das kann ich verstehen. Aber man muss sich für einen Weg entscheiden.


    Viele Grüße


    Pieti



  • da steht:


    ''Urlaubsanspruch bei Schwerbehinderung: Gewährung, Dauer und Voraussetzungen

    Der Urlaubsanspruch bei Schwerbehinderung gemäß § 208 SGB IX entsteht ab dem Zeitpunkt, ab dem das Versorgungsamt die Schwerbehinderteneigenschaft feststellt. Dies ist grundsätzlich rückwirkend der Zeitpunkt der Antragstellung."


    ----


    wenn ich den dann nachträglich erst geltend mache, aus welchen Gründen auch immer, dann stehen mir für das Jahr, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft schon das ganze Jahr bestanden hat die vollen 5 Tage zu.

    genau das sagt ja auch SGB iX, §208:


    " Besteht die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres, so hat der schwerbehinderte Mensch für jeden vollen Monat der im Beschäftigungsverhältnis vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft einen Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs nach Absatz 1 Satz 1. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden"


    ---


    nur wenn der Anspruch nicht für das ganze Jahr besteht dann wird entsprechend anteilig gewährt, der Anspruch entsteht eben nicht zum Zeitpunkt der Mitteilung an den AG sondern wenn die zuständige Behörde die Eigenschaft festgestellt hat bzw sogar dann schon zum Teitpunkt der antragstellung.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Hallo Pieti,


    leider muss ich dir hier widersprechen.

    Um einen "rückwirkenden" Urlaubsanspruch geltend machen zu können, muss man dem Arbeitgeber rechtzeitig die Möglichkeit geben, von diesem "Anspruch" überhaupt zu wissen. Wenn man den Arbeitgeber nicht über seine Schwerbehinderung informiert, kann man auch keinerlei Nachteilsausgleiche, und dazu zählt auch der Urlaubsanspruch, geltend machen.

    In dem Fall geht es ja nicht um eine rückwirkende Geltendmachung. Der Kollege, möchte ja nicht rückwirkend für die letzten Jahre den Urlaub geltend machen, sonder den für das aktuelle Urlaubsjahr zustehenden Sonderurlaub.


    Den Anspruch auf diesen Urlaub hat der Kollege ja, unabhängig vom Wissen des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber benötigt die Kenntnis über die Rechtmäßigkeit des Anspruches nur, um den Urlaub auch gewähren zu können.

    Auch das Schwerbehindertenrecht geht vom Wortlaut her davon aus, dass ihm der Anspruch rückwirkend, ab Feststellung der Schwerbehinderung zusteht, egal ob der Arbeitgeber davon weis oder nicht. Von daher gehe ich davon aus, dass der Kollege Anspruch auf den vollen Sonderurlaub hat.


    LG

    Markus


    Edith meint, dass es momentan so aussieht als hätte ich einfach nur rtjum nachgeplappert. Nein, ich war nur zu langsam, bzw. wurde in meinem Schreibfluß unterbrochen ;)

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

    Einmal editiert, zuletzt von Markus 1973 ED ()

  • Hallo Pieti,


    Deine Spekulationen, Mutmaßungen und falsche Schlußfolgerungen interessieren weder Rechtsprechung noch Kommentierung, da es dafür an jeder rechtlichen Grundlage fehlt. Das BAG hat schon 1982 (BAG 28.1.1982, 6 AZR 636/79) entschieden, daß der Anspruch zwar ausdrücklich geltend gemacht werden muß, es aber auf den Zeitpunkt der Geltendmachung im laufenden Urlaubsjahr nicht ankommt.


    Und für eine Zwölftelung des Zusatzurlaubes wegen verspäteter Geltendmachung - egal aus welchem Grund - im laufenden Urlaubsjahr bedarf es einer Rechtsgrundlage, die es weder in § 208 SGB IX noch in § 5 BUrlG gibt.

  • Auch aus meiner Sicht hast du für dieses Jahr den vollen Anspruch auf 5 Tage.


    Da du bereits seit 2002 den Feststellbescheid hast und bei der Einstellung 2017 deinen Arbeitgeber nicht über deine SB-Eigenschaft Informiert hast ist aus meiner Sicht jedoch für die Zeit von 2017 bis 2019 kein Zusatzurlaubsanspruch zu gewähren.

    Da das aber nur meinem "rechtsempfinden" entspringt, stellt sich die frage, ob es auch zu diesem Anspruch der ja Bestand, wenn es denn dem Arbeitgeber bekannt gemacht worden wäre Urteile gibt, die diese Auffassung bestätigen oder widerlegen.


    Urteil gefunden, meine Auffassung hat das BAG bestätigt

    https://www.prinz.law/urteile/BAG_6_AZR_636-79


    gruß

    Rabauke

  • Das sieht das Integrationsamt genauso


    https://www.integrationsaemter…kon/77c3648i1p/index.html


    Und da es sich um kein Verfahren handelt was in Bearbeitung gewesen ist sondern eine schon länger bekannte, aber dem Arbeitgeber nicht angezeigte, Schwerbehinderung handelt sehe ich da für die Vergangenheit keine Chance dort noch Zusatzurlaub zu bekommen.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • schwede12

    in dem Link von mir sind die Abschnitte


    Entstehung und Geltendmachung des Anspruchs auf Zusatzurlaub


    und


    Übertragbarkeit des Zusatzurlaubs bei rückwirkend festgestellter Schwerbehinderteneigenschaft (§ 208 Absatz 3 SGB IX)


    für mich da relevant.

    Entstanden ist der Urlaub aber er wurde nicht angezeigt. Vor allem geht das mit dem Anzeigen nur wenn die Feststellung des GdB als Prozess im Gange ist. Ein vorhandener Ausweis kann nicht im Sinne des Prozesses der Feststellung des GdB gewertet werden weil der GdB ja schon festgestellt ist. Damit kommt das für das vergangene Jahr nicht in Frage.
    Hier hätte der vorhandene Schwerbehindertenausweis vorgelegt/angezeigt werden werden müssen.

    Rückwirkend wird ja auch nichts mehr festgestellt sondern es war schon festgestellt und damit ist das nicht anwendbar.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Hallo Suppenkasper,


    wie ich bereits schon gesagt habe, der Kollege möchte ja nicht rückwirkend geltend machen. Dass für das Jahr 2019 kein Urlaub mehr beansprucht werden kann, darüber sind wir uns, glaube ich, ziemlich einig.


    Der Kollege möchte den Urlaub, der ihm für dieses Jahr zusteht, geltend machen. Hierfür ist meines Erachtens irrelevant, wann der AG davon Kenntnis erlangt. Der Urlaubsanspruch besteht.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Da sind wir uns einig. Ich habe das wegen dem Vorjahr nur angeführt weil glaube ich Rabauke das Thema angesprochen hat zur Verdeutlichung.
    So ganz irrelevant ist es sicher nicht weil es muss dem Arbeitgeber ja auch noch die Möglichkeit gegeben werden das er diesen Urlaub für den Arbeitnehmer noch einplant. Wenn man erst am 30.12.2020 mit einem Auswseis ab 02.01.2020 kommt wäre ich als Arbeitgeber etwas sauer, weil der dann nach 2021 übernommen werden müsste wenn das möglich ist.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)