Plicht zur Verwendung der Kamera in Online-Meetings

  • Hallo liebe Kollegen,


    ich wurde vorhin von einem Mitarbeiter angesprochen. Es gab wohl recht vehemente Aufforderungen einer Vorgesetzten an ihn, in einem Teams-Meeting seine Kamera zu aktivieren. Nun stelle er mir die Frage, ob er dazu überhaupt verpflichtet werden könne.


    Mir stellen sich da mindestens 2 Fragen:

    • Fällt die Nutzung der Kamera unter "Verhalten und Ordnung im Betrieb" und wäre damit vom MBR abgedeckt?
    • Kommt ggf. auch technische Überwachung im Rahmen des 87ers in Betracht?
    • Kann der AG überhaupt anweisen, dass die Kamera zu verwenden ist (seht ihr eine Relevanz für die Tätigkeit? Es geht hier wirklich nur um ein Meeting. Im konkreten Fall war es sogar nichtmal eine Diskussion, sondern eine Präsentation. Der Kollege war auch nicht der einzige, der seine Kamera aus hatte. Aber nur er wurde deswegen angesprochen.

    Mich wunderte es überhaupt, dass wegen so eines Themas überhaupt jemand ein Faß aufmacht, aber man lernt ja immer dazu. Wie seht ihr denn das?

  • Hat er denn mal gefragt, wozu das gut sein soll?


    Es gibt Fälle, wo ich mir das (sinnvoll) vorstellen kann, vor allem, wenn es um die Sicherstellung einer gewissen Vertraulichkeit geht, aber insgesamt bin ich geneigt zu sagen: no ned amoi ignorier'n!


    (Alternativ hätte ich die Kamera überklebt und ihm das schwarze Bild geliefert... wenn er's braucht)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Mein erster Gedanke ist der, dass der AG nicht einmal mit Zustimmung des BR das Einschalten der Kamera verlangen kann. Es gibt in diesem...... na wie heißt das gleich wieder........ ah ja, Grundgesetz so etwas wie Persönlichkeitsrecht und informationelle Selbstbestimmung.

    So lange mir der Arbeitgeber nicht nachweisen kann, dass sein Interesse mich auch zu sehen mein Interesse an der Wahrung meiner Rechte überwiegt, kann der garnichts.

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Wird die Hardware vom AG gestellt, nimmt der Kollege im HomeOffice oder im Büro an dem Teams-Meeting teil?


    Ich könnte mir zumindest vorstellen, dass im Büro und bei dienstlicher Technik die aktivierte Kamera verlangt werden darf.

    Ob es effektiv etwas bringt, bezweifele ich aber dennoch: Unerwünschte Zuschauer könnten sich auch außerhalb des Erfassungswinkels der Kamera halten - und wer hat noch kein solches Online-Meeting erlebt, in dem Teilnehmer die Kamera auf ihren Gürtel oder ihre Haarspitzen gerichtet hatten oder nur eine Schulter zu sehen war ..... spätestens mit Dockingstation und daran ordentlicher Tastatur+Maus und großen Bildschirmen stellt man das Notebook ohnehin beiseite, weil es im direkten Arbeitsbereich keinen Platz mehr findet.

    Ergo könnte die aktive Kamera auch im günsigsten Fall kaum mehr belegen, als dass der Kollege wirklich davor sitzt, nicht pennt und keine Grimassen schneidet. Und wenn das dann auch nur von einem einzigen Kollegen gefordert wird, darf man sicher mal eine Begründung für solch eine Forderung verlangen ...

    Man wird alt wie ein Haus und lernt doch nie aus.

  • Ich denke auch nicht, dass der Chef ein Anrecht darauf hat, dass ich die Kamera an habe. Und wenn ich zu Hause im Homeoffice bin schon gar nicht. Im Hintergrund ist ja ein Teil meiner Wohnung zu sehen, das geht den doch gar nichts an.


    Ich könnte mir zumindest vorstellen, dass im Büro und bei dienstlicher Technik die aktivierte Kamera verlangt werden darf.

    Dann wäre aber zumindest Mitbestimmungspflichtig (Ordnung im Betrieb, techn. Überwachung,..).

    Einmal editiert, zuletzt von Lustiger Vogel () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Lustiger Vogel mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Da gab es doch gerade erst so eine herrliche Geschichte in den USA, als bei einer Online Anhörung vor einem texanischen Gericht der Staatsanwalt als Kätzchen zu sehen war, weil er es nicht geschafft hat den Katzenfilter zu deaktivieren. :D

    ...auf jeden Fall hatte er, ohne jeden Zweifel, seine Kamera aktiviert. Das wäre doch eine Möglichkeit der Aufforderung des AG nachzukommen und gleichzeitig seine Persönlichkeitsrechte und die informationelle Selbstbestimmung zu wahren. ;)


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    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

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  • Jaja, man kann es schreiben wie mal will, man vergisst immer etwas :). Hier noch ergänzende Infos:

    • Es handelte sich in diesem Falle um Hardware des Arbeitgebers, der Mitarbeiter saß an seinem Büroarbeitsplatz.
    • Teilweise arbeiten Kollegen auch mobil (d.h. von zuhause aus), aber wieder mit Hardware des Arbeitgebers
    • Es ging hier wohl nicht um die Position der Kamera, und auch nicht um Vertraulichkeit oder Überwachung. Die nämliche Vorgesetzte saß in demselben Großraumbüro, hatte Sichtkontakt mit dem Kollegen. Meine Vermutung ist, dass es hier eher darum ging, dass der Kollege sich nicht "halb ausklinken solle".
    • Das Argument mit dem Hintergrund zieht hier nicht, da man in MS Teams automatisch den Hintergrund weichzeichnen lassen kann. Das funktioniert sehr gut, und das machen die meisten Kollegen so, die mobil teilnehmen.

    BTW, wir haben zur Kameranutzung bei Online-Meetings keine BV o.ä. Aufgrund unserer Unternehmenskultur (IT-Dienstleister) sind wir eigentlich alle technik-affin. Ich hätte mir gar nicht vorstellen können, dass sich überhaupt jemand darüber echauffiert, dass mal eine Kamera aus ist. Ich z.B. bin froh über jeden Kollegen, den ich wenigstens da mal zu Gesicht bekomme. Teilweise haben wir uns seit 9 Monaten nicht mehr gesehen.


    Um noch nach Argumenten "Pro Kamera" zu suchen: Ich könnte mir vorstellen, dass ein Meeting MIT Kamera zu mehr Ausdrucksmöglichkeiten der Teilnehmer führt (Mimik, Gestik etc.) und damit die Qualität der Diskussion verbessert. Aber reicht das für eine Anordnung?

  • Angenommen, mein technik-affiner AG spendiert mir einen Dienstwagen, der 280 km/h fährt. Bin ich auch verpflichtet, alle technischen Möglichkeiten auszureizen und soll mich über das Straßenverkehrsamt echauffieren, das mir da so ein blödes Schild mit einer 50 hingestellt hat? ;)


    Angenommen, ich freue mich, den Kollegen nach 9 Monaten mal wieder zu sehen. Weiß ich, ob das auf Gegenseitigkeit beruht, oder ob er den Einschränkungen den positiven Aspekt abgewinnen kann, mich 9 Monate nicht sehen zu müssen? ;)


    Was die Ausdrucksmöglichkeit der Teilnehmer betrifft, so ist der ein oder andere vielleicht ganz froh, wenn man seine Gestik und Mimik nicht sieht - ich könnte mir z.B. vorstellen, dass ich - sofern von mir ein Bild verlangt wird - ich mir genüsslich in der Nase bohre und mich damit entschuldige, dass ich mich eigentlich unbeobachtet fühlte und schon wieder vergessen hätte, dass die Kamera ja an ist... ;)


    Jetzt ernsthaft: Ich finde nicht dass diese Argumente für eine Anordnung ausreichen. Die Gründe hat Markus in #3 schon plausibel genannt. "Wir müssen die Technik einsetzen, weil wir sie haben" ist kein Gegenargument.

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Ich könnte mir vorstellen, dass ein Meeting MIT Kamera zu mehr Ausdrucksmöglichkeiten der Teilnehmer führt (Mimik, Gestik etc.) und damit die Qualität der Diskussion verbessert

    Natürlich hat eine Meeting mit Kamera mehr Ausdrucksmöglichkeiten und kann damit die Qualität des Meetings verbessern. Ich glaube aber nicht, dass dieses Argument ausreicht um eine Verpflichtung zur Kameranutzung anzuordnen.

    Meine Vermutung ist, dass es hier eher darum ging, dass der Kollege sich nicht "halb ausklinken solle".

    Dann ging es da also doch um "Überwachung" und dann auch noch, obwohl man im gleichen Büro sitzt. Das führt nun doch etwas zu weit.


    Wenn man es anweisen kann, dann auf jeden Fall nur mit dem BR und da denke ich sollte man es bei einer Freiwilligkeit belassen.

  • Eine kleine Anekdote am Rande. Bei einem Teams-Meeting hatten etliche Kolleg*innen ihre Kamera aus. Man wusste nicht, ob jemand folgte. Ein Kollege wurde angesprochen und er reagierte nicht. Nach dreimaligen Nachfragen (auch weil keiner mehr gesprochen hat) hörte man ein sanftes Schnarchen. :sleeping::sleeping::sleeping:


    Bei Teams-Sitzungen frage ich auch immer wieder Kolleg*innen ohne Kamera bist du noch da? Weil es keine Beteiligung von einzelnen Personen gibt. Es ist schon nervig. Deshalb finde ich persönlich es gut, wenn die Kamera an ist. So weiß man, ob jemand der Sitzung folgt oder nicht.


    Wer seinen Ort nicht zeigen möchte kann immer einen Hintergrundfilter benutzen.

  • So weiß man, ob jemand der Sitzung folgt oder nicht.

    Oder sieht genau, dass er gerade mit völlig anderen Dingen beschäftigt ist...


    Wir haben die Erfahrung gemacht, wenn mehr als 4 Leute gleichzeitig die Kamera anhaben, wird die Übertragung eher zum Zufallsprodukt. Also haben wir uns angewöhnt sie alle am Anfang einzuschalten, damit jeder mal "in die Kamera winken" kann (bitte nicht zu wörtlich nehmen), sie aber während der eigentlichen Sitzung überwiegend auszuschalten. Damit haben wir die beste Qualität während der Besprechung, weil nur der Bildschirm, der an alle geht wirklich übertragen wird.


    Zum Ende schalten die meisten die Kamera wieder kurz ein um "nochmal zu winken".


    Und ja, das mit dem zwischendurch abfragen nervt unseren BRV auch mitunter, aber wenn wir ehrlich sind: während einer Präsenzsitzung sind es eigentlich auch immer nur die gleichen drei oder vier die aktiv dabei sind.... Nur, dadurch, dass wir uns auch angewöhnt haben auf Mute zu gehen (weil sonst jede Hausklingel, jedes Handybimmeln, jeder Staubsauger und jedes quengelnde Kind alle stört) ist es halt ungewöhnlich ruhig.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • hörte man ein sanftes Schnarchen

    das kann dir aber nicht nur in einer digitalen Sitzung passieren.


    Habe ich schon in einer Präsenzsitzung (nicht BR sondern Veranstaltung des AG) erlebt und nicht nur einmal.


    Echt peinlich.

    Wir haben die Erfahrung gemacht, wenn mehr als 4 Leute gleichzeitig die Kamera anhaben, wird die Übertragung eher zum Zufallsprodukt. Also haben wir uns angewöhnt sie alle am Anfang einzuschalten, damit jeder mal "in die Kamera winken" kann (bitte nicht zu wörtlich nehmen), sie aber während der eigentlichen Sitzung überwiegend auszuschalten. Damit haben wir die beste Qualität während der Besprechung, weil nur der Bildschirm, der an alle geht wirklich übertragen wird.

    Das werde ich mal für unsere nächste Sitzung aufnehmen, da bei uns regelmäßig in den Teams-Besprechungen einige BRM nicht mehr zu verstehen sind.

    Das Leben ist Veränderung

    Starte dort, wo du stehst!

    Aber versuche jeden Tag einen neuen Startpunkt zu finden!
    Benutze das, was du hast!

    Aber versuche jeden Tag etwas neues zu benutzen!
    Tu das, was du kannst!

    Aber versuche jeden Tag etwas mehr zu tun!

  • Bei uns wurde bei Einführung der verschiedenen Programme für Online-Meetings (mittlerweile ist die 3. Software am Start) immer in der dazugehörigen BV geregelt, dass das Aktivieren der Kamera freiwillig ist. Unsere ITler, haben die Kamera teilweise sogar abgeklebt.

  • Unsere ITler, haben die Kamera teilweise sogar abgeklebt.

    Yepp. Wer sich bei uns einen neuen Laptop im "Techstore" abholt, wird gefragt, ob er einen "Schiebeschalter" für die Kamera haben möchte (eine kleine Kunststoffblende mit der die Kamera verdeckt, aber auch geöffnet werden kann).


    (Da bei uns niemand Adminrechte auf seinem Rechner hat, könnte sonst ja irgendwer mit entsprechenden Rechten die Kamera übersteuern. Wir als User könnten das weder sehen noch prüfen. Also hat man sich für diesen Weg entschieden.)


    (Wer so etwas nicht kennt, ich habe hier mal wahllos so etwas rausgesucht: Blende für Laptop-Kamera)

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