BR-Wahl & Nicht-Binäre/Diverse

  • Liebes Forum,

    Für viele dürfte sich Frage erst im kommenden Jahr stellen. Für uns bereits jetzt. Wir haben im Betrieb

    - 95x Männer,

    - 72x Frauen,

    - 2x Diverse.

    Und es stehen BR Wahlen an.

    Hat jemand bereits eine Wahl unter Teilnahme von Angehörigen des nicht-binären, dritten Geschlechts durchgeführt? Wenn ja: wie wurde die Gruppe berücksichtigt?


    Eigentlich sollten ja beide Minderheitengeschlechter berücksichtigt werden. Oder keines. Soweit ist die Rechtsprechung glaube ich noch nicht. Das BetrVG an sich sowieso nicht.


    Ich würde bis dahin dazu tendieren, die Diversen soweit möglich ihrem biologischen Geschlecht zuzuordnen. So war bei der vergangenen Wahl ein Diverse/r noch weiblich. Die, der oder das Andere trat später hinzu und hat einen männlichen Vornamen. Zuordnung eventuell nach Rücksprache mit den zwei Miterbeiter*innen, wobei ich dies eher vermeiden würde, da diesen unter Umständen nicht bewusst war, dass ihre dritte Wahl bei einer BR Wahl möglicherweise anderen Personen, sei es dem Wahlvorstand oder sogar durch die Wählerliste allen, bekannt wird?


    KannDarf der Wahlvorstand so vorgehen? Wie seid ihr bereits in der Frage vorgegangen? Wie würdet ihr vorgehen?

  • Hmm schwierig...

    Meiner Meinung nach kannst du nachsehen auf welches Klo (falls es kein divers gibt) gehen. O Gott habe ich das jetzt geschrieben? Naja ist nicht unbedingt der ultimative Tipp.

    Wie geben Sie sich den? Dann einfach so einordnen. Es gibt ja auch Vornamen die man beiden Geschlechtern zuweisen kann.

    Als Wahlvorstand bekommt man doch eine Liste mit Geschlecht. Ist da divers drauf?

  • der RA auf meinem letzten BRV Lehrgang wußte dazu keine Lösung, hat aber klar gestellt: grundsätzlich kann man nicht einfach einen "Diversen" zurück definieren"

    demnach wird es Wahlen mit 3 Geschlechtern geben, aber wer dann Minderheit ist?

    Er ging davon aus, das man quasi 2 Minderheitenquoten berechnen muss.

    Bei 2 Diversen denke ich, ist die Quote evt gar nicht zu beachten, weil 1,2% (nach deinen Angaben)

    Das muss man dann berechnen gem d, Hondtsch


    was ich meine: evt. kommen die "Diversen" bei Dir gar nicht mehr auf den Zugriff eines BR-Platzes weil nach d´Hondtsch

    die Plätze schon vergeben sind

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


    Einmal editiert, zuletzt von Randolf ()

  • Wenn ja: wie wurde die Gruppe berücksichtigt?

    Gar nicht, denn wie du schon richtig schreibst, ist das BetrVG hier noch auf die klassische Geschlechterrolle verteilt.

    Ich würde bis dahin dazu tendieren, die Diversen soweit möglich ihrem biologischen Geschlecht zuzuordnen.

    Mutiger Ansatz. Woher kennst du das? Wäre es hier nicht sinnvoller die Kollegen einfach zu fragen?


    Zuordnung eventuell nach Rücksprache mit den zwei Miterbeiter*innen, wobei ich dies eher vermeiden würde, da diesen unter Umständen nicht bewusst war, dass ihre dritte Wahl bei einer BR Wahl möglicherweise anderen Personen, sei es dem Wahlvorstand oder sogar durch die Wählerliste allen, bekannt wird?

    Wer nicht auf der Wählerliste steht, darf nicht wählen. Insofern werdet ihr (bzw der/die/das Kollege) um eine Zuordnung nicht drum herum kommen.


    Wir haben viermal gerechnet. Einmal haben wir alle x den Männern und einmal alle x den Frauen zugeschlagen, einmal haben wir sie komplett außen vor gelassen und einmal als eigene Gruppe berechnet (letzteres ohne Rechtsgrundlage, letztlich nur aus Neugierde).


    Und was soll ich dir sagen: das Ergebnis war zwar in den Nachkommastellen unterschiedlich, da aber nur ganze Menschen zählten am Ende immer identisch.


    Und auch in eurem Fall kannst du es rechnen wie du willst: du kommst immer auf 3 Sitze für die Frauen, egal wo du die x hinzurechnest oder als eigene Gruppe betrachtest. Häkchen! (Will sagen: Aufgrund der kleinen Anzahl ist das ein rein theoretisches Problem.)


    Hier mal die Zahlen für euch:


    Divisor M W X

    1 95 72 2
    2 47,5 36 1
    3 31,6666667 24 0,66666667
    4 23,75 18 0,5
    5 19 14,4 0,4
    6 15,8333333 12 0,33333333
    7 13,5714286 10,2857143 0,28571429

    1 97 72 2
    2 48,5 36 1
    3 32,3333333 24 0,66666667
    4 24,25 18 0,5
    5 19,4 14,4 0,4
    6 16,1666667 12 0,33333333
    7 13,8571429 10,2857143 0,28571429

    1 95 74 2
    2 47,5 37 1
    3 31,6666667 24,6666667 0,66666667
    4 23,75 18,5 0,5
    5 19 14,8 0,4
    6 15,8333333 12,3333333 0,33333333
    7 13,5714286 10,5714286 0,28571429

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Hallo lumpini,


    ihr bekommt eine Mitarbeiterliste, auf der die Geschlechter erfasst sind. Sollte ich als Wahlvorstand feststellen, dass auf dieser Liste ein oder Mehrere Diverse stehen, würde ich mit den MA reden und fragen, als was wir sie in der Wählerliste führen sollen. Dann können sie selbst entscheiden, ob sie als weiblich, männlich oder divers geführt werden wollen.


    Bei den Mindestsitzen würde ich, falls es diverse gibt, einfach das d´Hondtsche Verfahren (mit allen drei Geschlechtern) durchführen, auch wenn ich nicht glaube, dass es in einem Betrieb so viele Diverse gibt, dass sie einen Mindestsitz bekommen würden.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Rechnerisch würde ich die Verteilung der Geschlechter analog zur Regelung mit zwei Geschlechtern nach D'Hondt prüfen.
    Ich habe das für dein Beispiel in Excel mal durchgerechnet und (auch wenn das keine Lösung für die eigentliche Frage ist) es ändert sich nichts an der Verteilung der Geschlechter. Die Diversen bleiben wegen extremem Abstand der Zahl unberücksichtigt. Egal, auf welches Geschlecht man die Diversen verteilt, es ändert sich nichts an der Verteilung. Aber schon hier ändert sich die Reihenfolge je nach Zuordnung. Müssten nur sechs Personen gewählt werden, gäbe es Unterschiedliche Ergebnisse je nach Zuordnung.

  • Interessant, danke. Und klingt dann doch sinnvoll. Ich frage die beiden mal, ob sie als männlich, weiblich oder divers geführt werden möchten.

    Und stimmt, hatte ich noch gar nicht gerechnet - es ist ein theoretisches Problem:

    Code
      Männlich Weiblich Divers
    1     95       72    2    
    2     47.5     36    1    
    3     31.7     24    0.667
    4     23.8     18    0.5  
    5     19       14.4  0.4  
    6     15.8     12    0.333
    7     13.6     10.3  0.286

    Danke fürs Durchrechnen der drei Varianten.


    Der Ansatz, die Diversen soweit möglich ihrem biologischen Geschlecht zuzuordnen, erschien mir im ersten Moment probat, auch, weil ich die beiden kenne, und sie beide damit wohl kein Problem hätten. (Ob ein anderer damit ein Problem haben könnte, steht natürlich dahin.)


    Hmm schwierig...

    Meiner Meinung nach kannst du nachsehen auf welches Klo (falls es kein divers gibt) gehen. O Gott habe ich das jetzt geschrieben? Naja ist nicht unbedingt der ultimative Tipp.

    Wie geben Sie sich den? Dann einfach so einordnen. Es gibt ja auch Vornamen die man beiden Geschlechtern zuweisen kann.

    Als Wahlvorstand bekommt man doch eine Liste mit Geschlecht. Ist da divers drauf?

    Ja. Ohne die Liste hätte ich nicht gewusst, dass beide divers sind.

    2 Mal editiert, zuletzt von lumpini () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von lumpini mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • wirklich interessant wird das Thema "Divers" wenn


    1. eine entsprechende Anzahl MA als Divers auf der Wählerliste stehen, so das sich ein Minderheitenanspruch ergibt

    2. mind. ein "Diverser" auf der Liste der Bewerber für den Betriebsrat steht


    weil solange sich keiner wählen lassen möchte, würde auch ein Anspruch aufgrund der Minderheitenquote nichts bewirken.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Stimmt, bei der eigentlichen Wahl würde sich dann die Frage stellen: Zu welchem Geschlecht wird ein:e Diverse:r gezählt? Erfüllt ein biologischer Mann mit "Divers" im Personalausweis und gefühlt eher Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht im binären System die Quote für Männer, die Quote für Frauen oder keine der beiden Quoten?

    Ein sehr interessantes Thema, das bestenfalls vor der großen Wahlrunde gerichtlich ausgefochten werden sollte, um direkt Sicherheit zu schaffen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das im Gesetz rechtzeitig oder zeitnah berücksichtigt wird.

  • habe mich glücklicherweise noch nicht damit beschäftigen müssen.

    woher kommt eure Annahme, dass man dann 2 Minderheiten hat?


    rein nach dem Gesetz

    " Das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist" BetrVG §15 (2)

    ist nur ein Geschlecht zu berücksichtigen oder nicht?

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • habe mich glücklicherweise noch nicht damit beschäftigen müssen.

    woher kommt eure Annahme, dass man dann 2 Minderheiten hat?

    hat man dann 2 Mehrheiten? das sehen die in der Mitte bestimmt anders.


    das ist genau der Punkt, den der RA auf dem BRV-Lehrgang auf dem xx-Seminar nicht beantworten konnte. Da werden wir wohl auf Urteile warten müssen.


    Ich werde mich allerdings der Problematik dadurch entziehen, das ich bei der nächsten Wahl nicht im Wahlvorstand bin.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • das ich bei der nächsten Wahl nicht im Wahlvorstand bin

    Weichei! :*



    " Das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist" BetrVG §15 (2)

    ist nur ein Geschlecht zu berücksichtigen oder nicht?

    Genau zu dem Ergebnis käme ich auch. Von einer echten Quotenregelung ist im Gesetz ja nicht die Regel. Gleichwohl macht es inhaltlich keinen Sinn, den Diversen einen Sitz zuzusichern aber gleichzeitig das zweithäufigste Geschlecht (welches auch immer das dann sein mag) unberücksichtigt zu lassen.


    Insofern denke ich auch, dass das über kurz oder lang entweder nach einer Gesetzesänderung schreit oder zumindest das BAG beschäftigen wird.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Gleichwohl macht es inhaltlich keinen Sinn, den Diversen einen Sitz zuzusichern aber gleichzeitig das zweithäufigste Geschlecht (welches auch immer das dann sein mag) unberücksichtigt zu lassen.

    bin ich bei Dir.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Genau zu dem Ergebnis käme ich auch. Von einer echten Quotenregelung ist im Gesetz ja nicht die Regel. Gleichwohl macht es inhaltlich keinen Sinn, den Diversen einen Sitz zuzusichern aber gleichzeitig das zweithäufigste Geschlecht (welches auch immer das dann sein mag) unberücksichtigt zu lassen.

    nehmen wir an, das man es so auslegt, das die Diversen das Minderheitengeschlecht bilden und somit die beiden anderen Geschlechter nicht unter diese Regelung fallen.

    Nehmen wir weiter an (wie im Beispiel oben) die Diversen sind so wenige, das die Minderheitenregelung für Diverse gar keine Auswirkung auf die Zusammensetzung des Betriebsrates hat.

    Ist dann für die Zusammensetzung des BR die Minderheitenregelung weiterhin ohne Auswirkung oder wird dann die Minderheitenregelung auf die 2 relevanten Geschlechter neu berechnet?

    Ansonsten bringt ja ein einzelner "Diverser" den ursprünglichen Sinn der Minderheitenregelung (bez. auf Frau/Mann) komplett ins "sinnfreie".

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Nehmen wir weiter an (wie im Beispiel oben) die Diversen sind so wenige, das die Minderheitenregelung für Diverse gar keine Auswirkung auf die Zusammensetzung des Betriebsrates hat.

    Ist dann für die Zusammensetzung des BR die Minderheitenregelung weiterhin ohne Auswirkung oder wird dann die Minderheitenregelung auf die 2 relevanten Geschlechter neu berechnet?

    genau das ist der Grund, weshalb ich alle drei Geschlechter in die Berechnung nach d´Hondt einfließen lassen würde und die Sitze für beide "Minderheitengeschlechter) berechnen würde.


    Das geht m.M.n am ehesten in die Richtung, was der Gesetzgeber mit dieser Regelung wollte.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Ansonsten bringt ja ein einzelner "Diverser" den ursprünglichen Sinn der Minderheitenregelung (bez. auf Frau/Mann) komplett ins "sinnfreie".

    Streng nach Gesetz wäre es tatsächlich so. Und ich befürchte, dass es erst durch Rechtsprechung geändert wird. Solange hier keine Wahl wegen dieser Regelung angefochten wird kümmert sich wahrscheinlich keiner drum.

    Ich würde dem Sinn des Gesetzes folgen und wenn auf diverse keine Sitz entfällt die nächste Minderheit nehmen.

    Und wenn in einem Fall z.B. auf Diverse 1 Sitz entfällt und auf Frauen 2 Sitze und der Rest Männer dann würde ich vermutlich 2 Minderheiten annehmen, obwohl das Gesetz es nicht hergibt. Aber ich würde vermuten, dass das Gesetz in diese Richtung geändert wird wenn es mal angepasst wird.

    Aber wie gesagt, nur eine Vermutung und ich bin gespannt was damit passiert (vielleicht kommen nächstes Jahr die ersten Fälle) :saint:

  • Ansonsten bringt ja ein einzelner "Diverser" den ursprünglichen Sinn der Minderheitenregelung (bez. auf Frau/Mann) komplett ins "sinnfreie".

    Guter Punkt und gute Frage! (Und wann immer einer sagt, das wäre eine gute Frage, hat er keine Antwort!)


    Damit wird aber auch klar, dass streng genommen schon ein/e einzige/r Diverse/r (irgendwie zieht sich der ganze "Gendermist" wie Kaugummi...) sofort die Wahl an sich gefährdet, weil ich mich damit sofort in den Bereich der Spekulation begebe... =O


    Selbst wenn Divers aufgrund der geringen Menge kein Minderheitensitz zuerkannt werden muss, schließt das ja nicht aus, dass sich das Geschlecht in der Mehrheit darüber entrüstet, dass hier (dem Wortlaut nach gesetzeswidrig) einer zweiten "vermeintlichen Minderheit" ein Sitzkontingent zugestanden wird. Das habe ich so bisher noch gar nicht gesehen, ist aber tatsächlich die eigentliche Folge...


    Ich bin da bei Markus und dem lustigen Vogel (so haben auch wir es ja umgesetzt), und halte es für den richtigen Ansatz...


    Halten wir im Protokoll fest: hier gibt es einen Punkt, wo man derzeit ohne weiteres Rechtsgeschichte schreiben kann (in dem man den Fall vor das BAG bringt!) Freiwillige? ;)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Freiwillige? ;)

    Eher nicht. :D Denn (auch auf die Gefahr hin jetzt gesteinigt zu werden) aus Überzeugung könnte ich mich nur dafür einsetzen diesen ganzen Minderheitengeschlechtsunsinn vollkommen abzuschaffen. Das hat mMn bei einer demokratischen Wahl nichts verloren. Zumindest bei uns im Gremium haben die Angehörigen des Minderheitengeschlechts diese Regelung auch nicht nötig, die wären mit ihren Stimmen so oder so im BR gewesen. Bis auf eine Person, die sitzt aufgrund dieser Regelung im BR und hat bei der Wahl gerade Mal 16 Stimmen bekommen, während eine Person des anderen Geschlechts jetzt mit 87 Stimmen die Ersatzbank drücken darf. Das spiegelt in keiner Weise den Willen der MA/Wähler wieder.

    (ja ja, ich weiß "off topic" ;) )

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

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