Vorgaben zum Antritt einer Ausbildung zulässig?

  • Hallo.

    Meine Frage "ist dies überhaupt zulässig?" zu folgendem Fallbeispiel:


    Ein Jugendlicher A bekommt ein halbes Jahr vor Schulabschluss-Prüfung einen Ausbildungsvertrag vorgelegt, welcher einen Passus "Berechtigung zum Antritt der Ausbildung mit erfolgreichem Abschluss .... mit dem Erhalt der Mittleren Reife ..." enthält.


    Was nicht ganz klar ist .... a) hat der Ausbildungsbetrieb hier eine Art Weisungsrecht wonach er hier als Unternehmen Kriterien festlegen kann .... oder b) gibt es hier BVG-technisch eine Grundlage, die es unter Umständen, dann, dem Jugendlichen A doch einen Antritt der Ausbildung (bei nicht bestandener Prüfung, und somit ohne Schulabschluss) ermöglichen kann. (Pflichtschuljahre wären jedoch alle erfüllt).


    Ausbildungsberuf wäre auch ohne Schulabschluss ausübbar.


    Danke für Eure Antworten.


    BF

  • hat der Ausbildungsbetrieb hier eine Art Weisungsrecht wonach er hier als Unternehmen Kriterien festlegen kann

    Ja natürlich. Jeder Betrieb kann (gemeinsam mit dem BR (§ 95 BetrVG)) Auswahlrichtlinien für Einstellungen festlegen. (Ob diese Einstellung zum Zweck der Berufsausbildung stattfindet spielt dabei keine Rolle).

    Wenn sich also der Arbeitgeber und der Betriebsrat darauf geeinigt haben, das die mittlere Reife eine Voraussetzung für den Erhalt eines Ausbildungsvertrages ist, dann ist das so. Wenn man dann jemanden hat, den man eigentlich gerne einstellen würde, der aber seine Prüfung noch nicht bestanden hat, kann man diesem durchaus einen solchen Vertrag (mit der Klausel "nur mit bestandener Prüfung") geben. Das ist nicht unüblich.

    gibt es hier BVG-technisch eine Grundlage, die es unter Umständen, dann, dem Jugendlichen A doch einen Antritt der Ausbildung (bei nicht bestandener Prüfung, und somit ohne Schulabschluss) ermöglichen kann.

    Nein.

    Ist im Vertrag klar geregelt: Keine bestandene Prüfung = keine Berechtigung die Ausbildung anzutreten.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • eine Art Weisungsrecht

    Der Begriff ist hier falsch. Es geht um die simple Vertragsfreiheit in Deutschland. Und selbstverständlich kann und darf ich einen Vertrag unter einen Vorbehalt stellen. In diesem Fall eben dem, dass der AG sagt: ich bilde hier nur Menschen mit Schulabschluss aus. Das funktioniert sicher nicht mit jedem Vorbehalt (einige würden vielleicht gegen das AGG verstoßen), aber hier sehe ich das als (zumindest juristisch) völlig einwandfrei an.


    Ethisch/moralisch kann man das sicher diskutieren, aber juristisch ist da nicht dran zu rütteln.


    (Sieh es mal analog zu einer Reisebuchung. Da verpflichtest du dich, mit der Buchung einen bestimmten Betrag anzuzahlen, aber wirklich mitfliegen darfst nur, wenn du auch rechtzeitig vorher die vollen Kosten bezahlt hast. Hast du das nicht getan, würdest du nicht mitkommen. Das ist kaufmännisch/juristisch exakt das gleiche. Nur dass hier eine der Voraussetzungen für den Vertrag das Bestehen der Abschlussprüfung ist.)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Ich würde das Ganze einen Vorvertrag nennen. Dieser sagt aus, dass wenn die Schulbildung erfolgreich abgeschlossen wird, ein Ausbildungsvertrag gemacht wird.


    Dies ist durchaus üblich und m.b.M.n. auch zulässig, wenn es keine Auswahlkriterien gibt. Der Arbeitgeber muss nur dem Betriebsrat in der Anhörung zur Einstellung des Azubis zu dieser Regelung informieren. Dann kann der BR immernoch der Einstellung widersprechen, wenn er meint, dass der künftige Azubi durch diese Regelung benachteiligt wird.


    Welche Azubis der Arbeitgeber mit welchem Bildungsniveau einstellt, ist erst einmal ein Problem des Arbeitgebers selbst. Wenn ein Friseurgeschäftsinhaber meint, seine Azubis brauchen alle Abitur, dann ist das ihm sein Problem, da hat der evtl. vorhandene Betriebsrat erst einmal nicht viel mitzuschnabeln, außer dass er dem Ag sagen kann, dass er das nicht gut findet.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Wenn ein Friseurgeschäftsinhaber meint, seine Azubis brauchen alle Abitur, dann ist das ihm sein Problem, da hat der evtl. vorhandene Betriebsrat erst einmal nicht viel mitzuschnabeln, außer dass er dem Ag sagen kann, dass er das nicht gut findet.

    Hallo Markus, steh ich da gerade auf dem Schlauch? Wenn ein Friseurgeschäftsinhaber meint, seine Azubis brauchen alle Abitur, legt er damit dann nicht eine Auswahlrichtlinie fest? Und hat dann der BR nicht sehr wohl einiges "mitzuschnabeln"? (§ 95 BetrVG).

    ...oder was verstehe ich da gerade nicht?

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Hallo Paragraphenreiter,


    sorry, war missverständlich ausgedrückt. Wenn der Arbeitgeber das offiziell behauptet und damit Auswahlrichtlinien festlegt, dann ist der BR in der Mitbestimmung, das ist schon klar. Wenn aber "rein zufällig" alle Bewerber die einen Zuschlag bekommen haben Abiturienten sind, habe ich als Arbeitgeber deshalb ja noch keine Auswahlkriterien festgelegt.


    Erst wenn der Betrieb über 500 Beschäftigte hat, wären Auswahlrichtlinien erzwingbar. Aber das heißt noch nicht, dass auch tatsächlich welche abgeschlossen werden.


    albarracin:

    derartige Vertragspassagen unterliegen grundsätzlich der Mitbestimmung, wenn sie formularmäßig sind.

    wo steht das? Ich kenne nur den §94 II BetrVG der dem BR ein MBR bei den "persönlichen Angaben in schriftlichen Arbeitsverträgen, die allgemein für den Betrieb verwendet werden sollen" zugesteht. Hier geht es aber um die "persönlichen Angaben" nicht um den Vertragsinhalt von Formal-Arbeitsverträgen.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Hallo Paragraphenreiter,


    sorry, war missverständlich ausgedrückt. Wenn der Arbeitgeber das offiziell behauptet und damit Auswahlrichtlinien festlegt, dann ist der BR in der Mitbestimmung, das ist schon klar. Wenn aber "rein zufällig" alle Bewerber die einen Zuschlag bekommen haben Abiturienten sind, habe ich als Arbeitgeber deshalb ja noch keine Auswahlkriterien festgelegt.

    Jo, dann is klar ;)

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