Veränderung des Betriebsmediziners

  • Hallo

    Unsere GL möchte den Betriebsmediziner wechseln.

    Bisher werden wir von einem externen Dienstleister Betreut. Es soll auch weiterhin ein Externe Betretung geben.

    Wir wollen es so belassen wie es momentan ist.

    Die GL hat Anfang des Jahres, ohne unsere Zustimmung, den Betreuungsvertrag zum Jahresende 2021 gekündigt.


    § 9 Abs. 3 ASIG

    (3) Die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind mit Zustimmung des Betriebsrats zu bestellen und abzuberufen. Das gleiche gilt, wenn deren Aufgaben erweitert oder eingeschränkt werden sollen; im übrigen gilt § 87 in Verbindung mit § 76 des Betriebsverfassungsgesetzes.


    Vor der Verpflichtung oder Entpflichtung eines freiberuflich tätigen Arztes, einer freiberuflich tätigen Fachkraft für Arbeitssicherheit oder eines überbetrieblichen Dienstes ist der Betriebsrat zu hören.



    Meine Frage nun zum §9/3 ASIG

    Ist dieser § so zu verstehen das bei der Ver-Entpflichtung es nur ein Anhörungsrecht gibt? Und nicht wie in den beiden ersten Sätze eine Zustimmung erforderlich ist.

    Also wird in diesem Gesetz zwischen Intern und Extern unterschieden?


    Meiner Meinung nach nicht.

    Ich meine im Fitting § 87 RN 316 und folgende es auch so zu lesen.


    Gerne würde ich eure Meinung dazu hören.

    Vielleicht hat der eine oder andere auch ein Urteil zur Hand.

    Danke Euch.

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Hallo Erco,


    Bestellung / Abberufung und Verpflichtung / Entpflichtung sind nicht das Gleiche.

    Verpflichtung / Entpflichtung bezieht sich auf das Schließen eines Vertrages, also das Einkaufen einer bestimmten Leistung (in diesem Fall die betriebsärztliche Betreuung).

    Bestellung / Abberufung ist im Gesellschaftsrecht und der Organisationslehre die Ernennung (oder Abberufung) von Organwaltern.

    Die Bestellung / Abberufung geht nur mit Zustimmung des BR, daher macht es absolut Sinn, dass der BR vor der Verpflichtung / Entpflichtung zu hören ist. Es wäre ja ziemlich ungeschickt, wenn der AG einen Vertrag mit einem externen Dienst abschließt und der BR dann der Bestellung widerspricht. Dann hat der AG einen Vertrag mit einem Betriebsarzt an der Backe, kann ihn aber nicht einsetzen (bzw. bestellen). Anders herum wäre es auch ungeschickt, wenn der AG so einen Vertrag kündigt, aber der BR der Abberufung nicht zustimmt.


    Ich würde sogar vermuten, dass in Eurem Fall der Vertrag gar nicht rechtswirksam gekündigt ist, da Euer AG Euch vorher nicht angehört hat und somit nicht die formale Voraussetzung erfüllt, die ihn berechtigen würde diesen Vertrag rechtswirksam zu kündigen.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

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  • Ich würde sogar vermuten, dass in Eurem Fall der Vertrag gar nicht rechtswirksam gekündigt ist, da Euer AG Euch vorher nicht angehört hat und somit nicht die formale Voraussetzung erfüllt, die ihn berechtigen würde diesen Vertrag rechtswirksam zu kündigen.

    Natürlich ist der Vertrag gekündigt. Das ist doch ein Vertrag zwischen Ärztlichem Dienst und AG also Werkvertrag. (Drittem)

    externen Dienstleister

    und für das Außenverhältnis ist die Zustimmung unrelevant. Im Innenverhältnis könnte der BR mit dem AG meckern, aber die Kündigung ist rechtswirksam.

  • Natürlich ist der Vertrag gekündigt

    Da wäre ich mir nicht so sicher.

    Wenn für das Schließen, bzw. Kündigen eines Vertrages gesetzliche geforderte Voraussetzungen existieren (wie in diesem Fall die Anhörung des BR) und diese nicht erfüllt sind?

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Doch nicht im Außenverhältnis!


    Für den Werkdienstleister ist einzig und allein die "rechtliche Vertretung" (bei Einzelunternhemern - der Eigentümer) bei Kapitalgesellschafter z.B. GmbH der Geschäftsführer der im Handelsregister steht) für das Zustandekommen oder auch für die Kündigung verantwortlich. Das ist Handelsrecht nicht Betriebsverfasungsrecht


    Das hat mit dem Innenverhältnis nix aber auch gar nix zu tun.

  • wenn ich das hier lese:


    https://www.komnet.nrw.de/_sitetools/dialog/14960


    gilt das sicherlich auch für die Abberufung und somit muss der BR gehört werden.

    Also ja es wird wohl unterschieden, m.M.n. sieht das auch der Fitting so.


    Ob Paragraphenreiter oder Ohadle nun richtig liegen kann ich nicht wirklich sagen, tendiere aber eher zu der Meinung von Ohadle

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Ohadle: Du sagst also, dass ein AG völlig problemlos die in § 9 ASIG geregelte Zustimmungserforderniss, zur Abberufung eines betriebsärtzlichen Dienstes, aushebeln kann indem er einfach den Vertrag kündigt?

    Mag ja sein dass ich mich da irre, aber das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.

    Die Zustimmungserfordernis bezeichnet ja die gesetzlichen Vorkehrungen, die getroffen werden müssen, um bestimmte Rechtsgeschäfte als rechtsgültig zu erklären und diese zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfte unterliegen einem Genehmigungs- oder Einwilligungsvorbehalt, sodass vor der Zustimmung geschlossene Verträge bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam sind und das müsste dann ja anders herum (für die Kündigung eines Vertrages) genauso gelten.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Das Zauberwort ist INNENVERHÄLTNIS - natürlcih kann der BR gegenüber dem AG bemängeln, dass der den VErtrag einfach gekündigt hat


    ABER welche Auswirkungen hat das - gar keine

    Der Dienstleister kann sich NICHT darauf berufen, da fehlte eine Zustimmung (interne) vom BR, vom nächsthöheren Chef von der Gehenigungsabteilung des Konzerns etc (das ist alles INNENVERHÄLTNIS)

    und damit ist der Vertrag gekündigt und ab 01.01.2022 bekommt der "Arzt" kein Geld mehr und muss kein Leistung erbringen.


    Das ist doch keine AN Kündigung, wo der AN Kündigungsschutzklage erheben kann.


    sondern eben Vertragsrecht (Handelsrecht)


    Umgekehrt doch genauso - wenn der Chef eine neue Maschine mit Software usw kauft und den Kaufvertrag unterschriebt -

    ohne die MBR des BR zu beachten - und der BR sagt nee wollen wir alles nicht und sogar vor der Einigungsstelle obsiegt.


    dann gilt für den Lieferanten trotzdem der Kaufvertrag und der Chef muss den erfüllen und bezahlen, da gibt's dann auch kein - nee lieber Lieferant der VErtrag ist ja nichtig weil der BR nicht zugestimmt hat.

  • Die Zustimmungserfordernis bezeichnet ja die gesetzlichen Vorkehrungen, die getroffen werden müssen, um bestimmte Rechtsgeschäfte als rechtsgültig zu erklären und diese zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfte unterliegen einem Genehmigungs- oder Einwilligungsvorbehalt, sodass vor der Zustimmung geschlossene Verträge bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend

    Das stimmt so aber nur, wenn das vertraglich auch so festgeschrieben wurde. Ein Arbeitsvertrag der ohne Einwilligung des BR abgeschlossen wurde bleibt gültig, der Arbeitgeber darf den neuen Mitarbeiter nur nicht im Betrieb einsetzen. Aber die Entlohnungspflicht des AG entfällt nicht.

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Hallo,


    der BR hat Mitbestimmungsrechte nur bei angestellten Betriebsärzten gem. § 9 Abs. 3 Satz 1 ASiG.

    Bei externen Dienstleistern für Arbeitsmedizin gibt es nur ein Anhörungsrecht - ausdrücklich normiert in § 9 Abs. 3 Satz 3 ASiG.


    So zB auch zustimmend HK-ArbSchR/Kohte, § 9 ASiG Rn 9ff (zu Satz 1) bzw. Rn 17f (zu Satz 3)

  • Dann bin ich da wohl mit meiner Vermutung auf dem Holzweg :/

    Eines würde mich dann aber doch interessieren:

    Bei externen Dienstleistern für Arbeitsmedizin gibt es nur ein Anhörungsrecht - ausdrücklich normiert in § 9 Abs. 3 Satz 3 ASiG.

    ist mit der Anhörung vor der Verpflichtung die Zustimmung zur Bestellung hinfällig?

    Das kenne ich nämlich anders, allerdings in anderem Zusammenhang (Betriebsarzt und FaSi haben sich in den letzten 20 Jahren nicht geändert) und es mag sein, dass das was Rettungsdienstspezifisches ist.

    Z.B. der sog. Organisatorische Leiter Rettungsdienst (das sind die, die bei einem Großschadensereignis alle Einsatzkräfte des Rettungsdienstes koordinieren). Da spielt das Vertragsverhältnis (intern / extern) überhaupt keine Rolle. Auch wenn sie für genau diese Aufgabe verpflichtet wurden, dürfen sie diese nicht ausüben, bevor sie nicht auch offiziell bestellt wurden.

    Meine ganze (offenbar ja falsche) Vermutung basiert auf dieser Systematik, also dass der BR zum einen vor der Verpflichtung gehört werden muss, aber anschießend auch der noch der Bestellung zustimmen muss.

    Wenn das in diesem Fall anders ist, also Verpflichtung/Entpflichtung und Bestellung/Abberufung keine voneinander unabhängigen Vorgänge sind, sondern lediglich den Unterschied zwischen intern und extern bezeichnen (intern wird bestellt/abberufen, extern wird verpflichtet/entpflichtet), dann entfällt natürlich die Zustimmungserfordernis bei Externen (da ja nicht noch extra bestellt/abberufen werden muss). Damit wäre mein grundlegender Gedanke...

    ...dass ein AG völlig problemlos die in § 9 ASIG geregelte Zustimmungserforderniss, zur Abberufung eines betriebsärtzlichen Dienstes, aushebeln kann indem er einfach den Vertrag kündigt...

    natürlich falsch, da bei der Entpflichtung ja gar keine gesonderte Zustimmung zur Abberufung gefordert ist.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Hallo,


    was andere Tatbestände angeht, weiß ich nicht Bescheid. Das spielt aber auch keine Rolle, da es eine eindeutige spezialgesetzliche Vorschrift für die Bestellung von Betriebsärzten gibt. Und diese spezialgesetzliche Vorschrift in § 9 Abs. 3 ASiG sagt nun mal eindeutig aus, daß es bei der Bestellung eines externen betriebsärztlichen Dienstes nur ein Anhörungsrecht gibt. Diese Vorschrift ist auch eindeutig abschließend, so daß sich jeglicher Analogieschluß sowieso verbietet.

    Und "Anhörung" bedeutet nun mal auch Anhörung und eben nicht Mitbestimmung.