Minusstunden bei Wochenzeit-Arbeitsverträgen?

  • Hallo zusammen,


    ein weiteres großes Thema, das uns unter den Nägeln brennt ist folgendes:


    Die meisten unserer MA haben Wochenarbeitszeit-Verträge. Nun wurde uns gesagt, dass bei solchen Verträgen Minusstunden nicht erlaubt sind.


    Kennt jemand die genaue Stelle im Gesetz oder ein Urteil zu dieser Thematik. Ich habe bisher leider nichts passendes dazu gefunden. Und unser Gewerkschaftsvertreter bleibt da auch sehr schwammig :( .


    Viele lieben Dank für Eure Unterstützung.


    BR Reudnitz

  • Moin,


    auch hier wieder die Frage: Wie ist die Beginn/Ende der Arbeitszeit sowie die Verteilung auf die Wochentage konkret geregelt? Ich habe die Frage bewusst so formuliert gestellt, wie es auch im §87 BetrVG definiert ist. D.h. dass der Betriebsrat bei Lage und Verteilung der Arbeitszeit mitbestimmt.

    Und wie ist die konkrete Formulierung im Arbeitsvertrag? Alleine ein Schlagwort reicht nicht aus.

  • ...wie schon im anderen Beitrag geschrieben:


    die festen MA (meist Vollzeit) arbeiten in 2 Schichten im Wechsel; die Gleitzonen-MA werden je nach Anlieferung der Ware oder Kundenstrom (Kasse) in den einzelnen Abteilungen eingesetzt.


    meist 3-4 Std/ Schicht verteilt auf 3-4 Tage die Gleitzonen

    5 Tage die Woche a 8 Std bei den festen MA


    LG

  • Hallo,


    habt Ihr denn überhaupt eine Vereinbarung zu flexibler Arbeitszeit bzw. Gleitzonen? Wisst Ihr, ob in den Arbeitsverträgen feste oder flexible Arbeitszeiten vereinbart sind?

    Und hat bei Euch noch niemand Schulungen zu ArbZG und TzBfG gemacht?

  • ... uns gibt es erst seit Dez.2020, daher sind noch keinerlei Vereinbarungen abgeschlossen. Bisher wurden unsere Forderungen/Wünsche ja auch bei den Plänen berücksichtigt.

    So z.B. haben wir Übergabezeiten in den einzelnen Abteilungen erwirgt, so dass demnach weniger Überstunden/Mehrarbeit anfällt.


    Und in den Verträgen wird nur die wöchentl. Arbeitszeit, nicht aber die Lage geregelt. Wie schon beschrieben, arbeiten wir von 5 bis 24 Uhr. Unsere Belegschaft besteht zu 90 % aus Studenten.

    Jeder MA gibt seine Verfügbarkeiten ab und wird dann dementsprechend geplant. Die festen meist im geregelten Schichtwechsel, also 1 Wo früh, eine Wo spät.


    Zudem richtet sich die anfallende Arbeit in den einzelnen Abteilungen nach Wochentag, Werbestart, Monatsanfang (Geldtage), Mitte des Monats (Kindergeld), Temperatur, Sportereignisse, etc.


    Dementsprechend müssen die Arbeitszeiten auch flexibel gelegt werden. Daran ansich wollen wir auch nichts ändern.


    Uns geht es "nur" darum, dass wir auf der rechtl. abgesicherten Seit sind, wenn wir zu unserem AG gehen und ihm sagen, dass keiner mehr unter seinen vertragl. festgelegten Wochenstunden arbeiten darf. Mehrstunden gerne. Abbummeln aber nur nach Antrag des jeweiligen MA.


    LG

  • Und hier werdet ihr in die Spur gehen müssen. Ihr benötigt entsprechende Betriebsvereinbarungen.


    Bezogen wurde sich wahrscheinlich auf dieses Urteil

    BAG: Annahmeverzug - Minusstunden auf Arbeitszeitk (ruw.de)


    Grundsätzlich müssen Schichtpläne/ Dienstpläne so gestaltet werden, dass die Mitarbeiter innerhalb eines bestimmten Zeitraumes auf ihre vertraglich vereinbarten Stunden kommen. Mit der Erstellung des Dienstplanes liegen die Dienste fest und es kann nur noch einvernehmlich davon abgewichen werden. D. h. der Arbeitgeber kann nicht einfach Schichten absagen oder kürzen. Er kommt ansonsten nach §615 BGB in den Annahmeverzug.

  • Uns geht es "nur" darum, dass wir auf der rechtl. abgesicherten Seit sind, wenn wir zu unserem AG gehen und ihm sagen, dass keiner mehr unter seinen vertragl. festgelegten Wochenstunden arbeiten darf. Mehrstunden gerne. Abbummeln aber nur nach Antrag des jeweiligen MA.

    das wird nicht funktionieren: Minusstunden untersagen und Mehrstunden "freigeben" und nur der MA darf bestimmen wann er die Mehrstunden abfeiern möchte. (darauf lässt der AG sich wohl kaum ein)


    abgesehen davon wären die Mehrstunden dann mitbestimmungspflichtige Überstunden, die kann und sollte man nicht "pauschal" dem AG freigeben.


    Entweder ihr besteht auch Erfüllung der AV-Pflichten und kümmert euch dann auch um jeden einzelnen Antrag auf "Mehrstunden" oder Ihr macht mit dem AG eine BV in der ein Stundenkonto geregelt ist inkl. einer Regelung zu den Bedingungen für das "Überstunden abfeiern".


    das wäre mein Vorschlag zur Lösung

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Hallo,


    das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bezieht sich nicht nur auf Dienstpläne allgemein, sondern auch auf jede einzelne Dienstzuteilung. Wenn ein AN durch die Dienstzuteilung Gefahr läuft, Minusstunden zu produzieren, kann dies ein Ablehnungsgrund sein.

  • Nun wurde uns gesagt, dass bei solchen Verträgen Minusstunden nicht erlaubt sind.


    Kennt jemand die genaue Stelle im Gesetz oder ein Urteil zu dieser Thematik.

    Da erlaube ich mir doch eine direkte Gegenfrage: Wer auch immer euch das gesagt hat - warum habt nicht denjenigen direkt gefragt, wo das steht bzw. worauf sich das beruft?



    Uns geht es "nur" darum, dass wir auf der rechtl. abgesicherten Seit sind, wenn wir zu unserem AG gehen und ihm sagen, dass keiner mehr unter seinen vertragl. festgelegten Wochenstunden arbeiten darf.

    Das ergibt sich, nach meinem Verständnis, rein aus der Rechtssystematik und den Arbeitsverträgen.


    Der AN verpflichtet sich, für x Stunden in der Woche zur Verfügung zu stehen, der AG verpflichtet sich, ihn dafür pro Stunde mit y Euro zu entlohnen. Da der AN die Planung (üblicherweise) nicht selber macht, gerät der AG hier in Annahmeverzug, wenn er weniger Stunden einplant. Steht der AN aber nicht die volle Zeit zur Verfügung, kann er auch nicht erwarten, die Zeiten in der/den nächsten Wochen nacharbeiten zu dürfen.



    Dementsprechend müssen die Arbeitszeiten auch flexibel gelegt werden. Daran ansich wollen wir auch nichts ändern.

    Ich gebe zu, dann ist mir im Moment so gar nicht klar, wohin die Reise gehen soll. Flexibilität kann es immer nur zweiseitig geben... (stelle dir einfach AN und AG als zwei nebeneinanderliegende Stränge vor - sind beide Flexibel können sich beide mal in die eine, mal in die andere Richtung bewegen. Ist auch nur einer starr (oder nur in eine Richtung flexibel) funktioniert das ganze System nicht mehr wirklich)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Zitat

    Da erlaube ich mir doch eine direkte Gegenfrage: Wer auch immer euch das gesagt hat - warum habt nicht denjenigen direkt gefragt, wo das steht bzw. worauf sich das beruft?

    Darauf gab es leider keine Antwort ;( Deshalb bin ich froh, diese Foru gefunden zu haben :thumbup: .


    Zitat

    Das ergibt sich, nach meinem Verständnis, rein aus der Rechtssystematik und den Arbeitsverträgen.


    Der AN verpflichtet sich, für x Stunden in der Woche zur Verfügung zu stehen, der AG verpflichtet sich, ihn dafür pro Stunde mit y Euro zu entlohnen. Da der AN die Planung (üblicherweise) nicht selber macht, gerät der AG hier in Annahmeverzug, wenn er weniger Stunden einplant. Steht der AN aber nicht die volle Zeit zur Verfügung, kann er auch nicht erwarten, die Zeiten in der/den nächsten Wochen nacharbeiten zu dürfen.

    Auf das simpelste kommt man manchmal nicht :sleeping::saint::saint:


    Zitat

    Zitat von br7920 Dementsprechend müssen die Arbeitszeiten auch flexibel gelegt werden. Daran ansich wollen wir auch nichts ändern.


    Ich gebe zu, dann ist mir im Moment so gar nicht klar, wohin die Reise gehen soll. Flexibilität kann es immer nur zweiseitig geben... (stelle dir einfach AN und AG als zwei nebeneinanderliegende Stränge vor - sind beide Flexibel können sich beide mal in die eine, mal in die andere Richtung bewegen. Ist auch nur einer starr (oder nur in eine Richtung flexibel) funktioniert das ganze System nicht mehr wirklich)


    flexibel ist so zu verstehen, dass manche Arbeiten in der einen Woche frühs anfallen und in der nächsten eben erst zum Abend hin.

    z.B. Kundenansturm: an einem "normalen" Tag kommen sie über die Öffnungszeit verteilt, an einem Werbestart-Tag kommen mehr ganz früh, weil sie ja die Werbung kaufen und noch etwas davon bekommen wollen. An einem Fußballtag kommen sie vor und vermehrt nach dem Spiel.

    Dementsprechend brauche ich doch auch die Kassierer in unterschiedlicher Anzahl zu den unterschiedlichen Ereignissen:

    z.B. normaler Tag 3 MA ab 7 Uhr, zum Werbestart aber 5 MA ab 7 Uhr; an einem Fußballtag nur 4 Kassierer zw. 16 und 19 Uhr statt sonst 6 MA, danach -also ab 19 Uhr dann aber 10 statt wie normal nur 5 MA.


    Wir können also nicht stumpf darauf bestehen dass immer 6 Kassierer anwesend sind.


    Ich hoffe, ich konnte es jetzt einigermaßen gut rüberbringen :)

  • Dementsprechend brauche ich doch auch die Kassierer in unterschiedlicher Anzahl zu den unterschiedlichen Ereignissen:

    z.B. normaler Tag 3 MA ab 7 Uhr, zum Werbestart aber 5 MA ab 7 Uhr; an einem Fußballtag nur 4 Kassierer zw. 16 und 19 Uhr statt sonst 6 MA, danach -also ab 19 Uhr dann aber 10 statt wie normal nur 5 MA.

    wenn du das weist, dann weiß der AG das auch und kann entsprechend planen?

    das Restrisiko lasst mal schön beim AG, 100% Planungssicherheit gibt es nicht, also nicht auf die MA abwälzen.


    Soll der AG einen Wochenplan oder 14 Tageplan vorlegen, weil Werbung ist geplant, Fußball-WM und Olympia auch.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Zitat

    ...oder Ihr macht mit dem AG eine BV in der ein Stundenkonto geregelt ist....

    So etwas gibt es bei uns. Ein sogenanntes Freizeitkonto, auf dem alle Mehrstunden verbucht werden. Am Ende des Monats werden dann alle Mehrstunden über 10 (diese bleiben stehen - ist ein Tarifmodell) ausgezahlt.


    Leider wurde dieses Konto in manchen Fällen soweit ausgenutzt, dass dann selbst bei einem MA mit 30 Wochenstunden auf einmal 20 Minusstunden (weil Stunden sparen angesagt war) gebucht wurden. Dies ist ein Grund für uns gewesen, einen BR zu gründen, um so etwas nicht wieder passieren zu lassen.

    abgesehen davon wären die Mehrstunden dann mitbestimmungspflichtige Überstunden, die kann und sollte man nicht "pauschal" dem AG freigeben.

    Die Mehrstunden stehen doch immer schon mit im eingereichten Plan drin. Demnach genehmigen wir sie ja gleich mit.


    Zitat

    inkl. einer Regelung zu den Bedingungen für das "Überstunden abfeiern".

    Das war ja mein Vorschlag: Der MA beantragt das "Abbummeln", so kann kein Vorgesetzter mehr eigenständig bestimmen, wann dies geschehen soll.


    Und wir im BR wissen dann auch gleich, dass bei Kollege X berechtigt Minus im Plan steht.

  • Leider wurde dieses Konto in manchen Fällen soweit ausgenutzt, dass dann selbst bei einem MA mit 30 Wochenstunden auf einmal 20 Minusstunden (weil Stunden sparen angesagt war) gebucht wurden.

    Verstehe ich das richtig: Der Kollege hat in den ersten zwei Wochen des Monats richtig reingehauen (oder wie der Berliner sagen würde "jeschubbert wie blöde" und hatte plötzlich zig Überstunden auf der Uhr, die ihm normalerweise am Ende des Monats ausgezahlt worden wären. Bevor es aber soweit kommt, hat der AG den Kollegen für die Folgewoche einfach mit viel zu wenig Stunden eingeplant, damit das Konto quasi abgebaut wird, so dass er ihm am Ende des Monats nichts oder nur wenig auszahlen musste?

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Hallo,


    nochmal zur Klarstellung, da Du ja ein ziemlicher Frischling bist:


    Das Prinzip Arbeitskraft gegen Geld (nach vertraglicher Ausgestaltung) ist gesetzlich festgelegt in § 611 BGB:

    § 611 BGB - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

    Und der jetzt schon mehrfach angesprochene "Annahmeverzug", also die Pflicht des AG, die vereinbarte Leistung auch abzurufen, findest Du in § 615 Satz 1 BGB:

    § 615 BGB - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

    Dabei mußt Du diesen Satz, der aus dem Jahr der Einführung des BGB, 01.01.1900, stammt, übersetzen in "Dienstberechtigter" = Arbeitgeber, "Dienstverpflichteter" = Arbeitnehmer.


    Und zu dem hier

    Ein sogenanntes Freizeitkonto, auf dem alle Mehrstunden verbucht werden. Am Ende des Monats werden dann alle Mehrstunden über 10 (diese bleiben stehen - ist ein Tarifmodell) ausgezahlt.

    fehlt Dir anscheinend auch eine wichtige Grundlage. Alle (einseitigen) Regelungen des AG aus der Zeit vor Eurer BR-Gründung braucht Ihr nicht hinzunehmen.

    Alles, was der Mitbestimmung unterliegt wie zB Arbeitszeitkonten bzw. flexible Arbeitszeitmodelle, die unter § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG fallen, könnt Ihr neu verhandeln und diese Verhandlungen auch erzwingen.

    Auch solange Ihr noch keine neue Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit bzw. Diensteinteilung abgeschlossen habt, braucht Ihr in der Mitbestimmung über die Dienstpläne die alten Regelungen nicht zu beachten, wenn Ihr diese als nachteilig für die betroffenen AN erachtet.

    Ihr müßt Eurem AG so schnell wie möglich klar machen, daß Ihr als neu errichteter BR alles, was der Mitbestimmung unterliegt, auf "Null" stellen könnt. Und auch bei Tarifverträgen, so sie für Euch überhaupt gelten (die meisten privaten Betreiber von Einzelhandelsgeschäften unter dem "Dach" einer Kette wie zB Edeka oder Rewe sind überhaupt nicht tarifgebunden), könnt Ihr natürlich versuchen, für die Beschäftigten bessere Regelungen zu treffen.

  • @ moritz: genau


    @ albarracin: SUPER, DANKE. die Paragraphen werden sogleich gewälzt :)


    Zum zweiten Punkt: wir arbeiten daran, dass möglichst viele in das Modell wechseln, wo alles bezahlt wird oder aber in das, wo der MA bestimmt, wann abgebaut wird....

    Aber auch da ein großes Dankeschön an deine Hinweise. Ich werde sie in der nächsten Sitzung dem Gremium darlegen und dann werden wir, hoffe ich, zügig BV´s zu den einzelnen Punkten erarbeiten.


    LG <3:thumbup: