Betriebsarztuntersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit

  • Hallo Kollegen,


    unser Arbeitgeber kommt immer wieder auf die Idee, Mitarbeiter zu einer betriebsärztlichen Untersuchung zu schicken, nach häufigerem Krankmelden, um zu überprüfen, ob sie ihre derzeitige Arbeit noch ausführen können. Dies könnte man jetzt positiv sehen, ist es aber nicht. Der Arbeitgeber zweifelt die eingereichten Krankmeldungen an. Auch zusätzliche Atteste, teils sogar von Fachärzten, werden angezweifelt.


    Zusätzlich werden die Mitarbeiter mit einem Schreiben seitens der Geschäftsführung zu dieser Untersucheng eingeladen, wo der Wortlaut...... " Untersuchung durch der Vertrauensarzt" enthalten ist.

    Die Untersuchung wird aber durch den ; sehr Arbeitgeber orientierten; externen Betriebsarzt durchgeführt. Ein ordentliches BEM system/verfahren gibt es in unserem Haus nicht.


    1. Sind die Mitarbeiter verpflichtet diese Untersuchung wahrzunehmen? (bekannt ist natürlich die freie Arztwahl, wobei dann die Kosten selbst zu tragen sind)

    2. Wie ist die Formulierung : Vertrauensarzt zu werten?


    Vielen Dank für Eure Antworten im voraus


    Gruß Anja

  • Hallo Anja,


    ich würde den Arbeitgeber zuerst einmal dazu auffordern, diese Untersuchungen, die ich als Eignungsuntersuchung klassifizieren würde, zu unterlassen, solange ihr euer MBR nicht wahrgenommen habt.


    Ihr könnt euch dann überlegen, unter Abwägung der beidseitigen Interessen, ob ihr unter gewissen Umständen den Untersuchungen zustimmen könntet. (sehr heißes Eisen)


    Im Anschluss würde ich auch unbedingt das Thema BEM aktiv anstoßen.


    Und die Bezeichnung "Vertrauensarzt" ist absoluter Quatsch und außerdem Irreführend. Allerdings ist der Begriff in Deutschland nicht festgelegt, im Gegensatz zu der Schweiz. ---> Wikipedia Aber ist ja im Prinzip auch egal, da es sowieso zustimmungspflichtig ist.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • nach häufigerem Krankmelden, um zu überprüfen, ob sie ihre derzeitige Arbeit noch ausführen können.

    Das klingt ja im Prinzip schon nach BEM. Könnte man also durchaus erst einmal eher positiv werten.



    Untersuchung durch der Vertrauensarzt

    Spätestens hier aber wird die tatsächliche Marschrichtung klar. Ich habe zu meinen Ärzten Vertrauen (sonst ginge ich da nicht hin), dafür brauche ich also den AG nicht. Wenn der AG also eine Untersuchung möchte durch einen Arzt, dem er besonders vertraut (gab's da nicht mal eine Serie mit dem Arzt, dem die ... vertrauen? SCNR), dann ist klar, dass es dem AG hier um ganz andere Dinge geht.



    bekannt ist natürlich die freie Arztwahl, wobei dann die Kosten selbst zu tragen sind

    Das hier gilt aber nur bei notwendigen Untersuchungen. Notwendige Untersuchungen sind aber nicht die, die der AG gerne hätte, sondern die, die auf irgendeiner rechtlichen Grundlage basieren.


    Beispiel: LKW-Fahrer ab einem bestimmten Alter (ich meine 50) oder Piloten müssen sich regelmäßig ärztlich untersuchen lassen. Hier kommt die freie Arztwahl ins Spiel. Denn hier könnte der AG sagen: schau mal, wir sind so groß, wir haben einen eigenen Arzt (oder einen Vertrag mit einem bestimmten Arzt), ich biete dir den kostenfreien Besuch bei diesem Arzt an. Wenn da der AN sagt, den finde ich aber doof, dann kann der AN sich einen eigenen Arzt suchen, muss dann aber u.U. die (Mehr-)Kosten selber tragen.


    Wenn aber nur der AG der Meinung ist: nee, ich will mal, dass sich ein Arzt meines Vertrauens meinen AN ansieht, dann darf er das zwar wollen und sich den Arzt frei aussuchen (dürfte der AN sich den Arzt aussuchen, wäre ja schon wieder das Vertrauen des AG weg), nur - wer will den AN zwingen dahin zu gehen?


    Und vor dem Hintergrund würde ich den AG mal fragen, auf welcher (rechtlichen) Grundlage er meint hier einen Arztbesuch anordnen zu können? Und in dem Zusammenhang würde ich den AG mal freundlich fragen, ob er das in Zukunft einfach sein lässt, oder ob ihr lieber die Kollegen öffentlich um die rechtlichen Zusammenhänge aufklären sollt, damit alle sehen, welch linke Nummer der AG hier abziehen will. (Kann man natürlich auch freundlicher formulieren. Muss man aber nicht ;) )


    Wenn er den Verdacht hat, dass es mit den AU oder Attesten nicht mit rechten Dingen zugeht - dafür ist der MDK da. Soll er sich an die wenden.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Hallo,


    sowohl AG als auch Betriebsarzt scheinen Ihre Rechtsgrundlagen nicht zu kennen, insbesondere § 3 ASiG.


    Hierzu schreibt zB die Fachkommentierung (HK-ArbSchR, Kohte, §§ 2-7, Rn 28, Fettungen im Original):


    "Ausdrücklich untersagt § 3 Abs. 3 ASiG die Überprüfung von Krankmeldungen der Arbeitnehmer auf ihre Berechtigung durch Betriebsärzte. Für diese Zwecke ist nur die Untersuchung durch Vertrauensärzte nach § 275 SGB V vorgesehen. Betriebsärzte sind keine Vertrauensärzte, andernfalls würden sie ihre vertrauensbasis verlieren..."


    Hier würde ich schlicht und ergreifend dem AG die Anordnung derartiger Untersuchungen sofort untersagen und ihn auffordern, den gesetzlichen Weg über die KK und den MdK zu gehen. Gem. § 275 Abs. 1 Nr. 3b und Abs. 1a SGB V

    https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__275.html

    ist es Sache des MdK, eine Begutachtung zu veranlassen und auch den/die Gutachter*in zu bestimmen.

    Außerdem hat der AG natürlich seine Zweifel so zu begründen, daß überhaupt die AU-Bescheinigung "erschüttert" wird.

    Und die Qualifikation dieses externen betriebsärztlichen Dienstes kann der BR natürlich auch mit Fragezeichen versehen.


    Die Belegschaft sollte natürlich auch vom BR über das richtige Vorgehen informiert werden.