Dokumentationspflicht Arbeitszeit - Mitbestimmung BR

  • Hallo zusammen,

    mir ist klar, dass der AG gemäß § 16 Abs. 2 ArbZG die Pflicht hat, gewisse Arbeitszeiten (> 8 Std./Tag) zu dokumentieren.

    Nun gibt es MA, die haben Verträge, die gar keine Überstundenvergütung vorsehen (nach AGB-Kontrolle und Transparenzgebot unzulässige Klausel; dieser Umstand sowie aktuelle BAG-Rechtsprechung ist soweit bereits bekannt; leider begrenzt eine 2x 3 Monate Ausschlussklausel im AV den rückwirkenden Anspruch). Diese MA erhalten keinen Zugang zum Zeiterfassungsprogramm, was von den sonstigen MA mit Zeitkonto gepflegt werden muss.

    Nun möchten manche dieser MA aber ihre Arbeitszeiten sehr wohl erfasst und dokumentiert wissen - nicht nur in Form einer persönlichen Exceltabelle, die im Streitfall angezweifelt wird.

    Kann der BR/GBR ausdrücklich vom AG verlangen, dass ALLE Mitarbeiter, die es wünschen, Zugang zum Zeiterfassungsystem erhalten?

    Lieben Dank für eure Antwort vorab!

  • Hi Fieldcraft,

    auch BAG-Urteil vom 17. August 2011 · Az. 5 AZR 406/10 beachten (hier ein Fall mit fehlendem Vergütungsanspruch für geleistete Überstunden)

    Falls ihr ein Zeiterfassungssystem habt: gibt es dazu eine BV bzw. habt ihr eine BV zur Arbeitszeit? Darin sollte das Thema geregelt sein.

    Falls dazu keine BV existert, habt ihr beim Zeiterfassungssystem nach §87 (1) 6 BetrVG volles Mitbestimmungsrecht und könnt den Teilnehmerkreis ausregeln.

    Als Zwischenlösung würde ich den betroffenen AN empfehlen, die Zeit manuell zu erfassen und sich monatlich abzeichenen zu lassen.

    Grüße

  • Danke erstmal! Nun zu deinen Punkten:

    Eine GBV zur Arbeitszeit haben wir. Diese regelt aber nicht die Zeiterfassungssoftware, deren Bedienung und den Nutzerkreis, für den sie verpflichtend ist.

    An den § 87er BetrVG habe ich zwar auch schon gedacht, aber irgendwie hatte es noch nicht so richtig "Klick!" gemacht, dass wir über die erzwingbare Mitbestimmung dem AG aufgeben können, einen entsprechenden Passus zum Teilnehmerkreis (oder auch Speicherfristen) in die GBV aufzunehmen.

    D.h. wir schlagen dem AG eine einvernehmliche Änderung vor oder kündigen notfalls die GBV mit der Aufforderung über eine neue GBV zu verhandeln.

    Zum genannten Urteil: In unserem Fall (bzw. Fällen) handelt es sich eindeutig weder um LA noch um eine sonstige derart herausgehobene und entsprechend bezahlte Position, dass eine weitere Vergütung nicht zu erwarten wäre. Auch wurden keine "Randtätigkeiten" ausgeübt, sondern das zugeteilte Arbeitsvolumen und die Erwartung, dass es erfolgreich abgearbeitet wird, lässt es meist nicht anders zu.

    Die Überstunden werden zwar nicht angeordnet, sie werden jedoch billigend entgegen genommen.

    Als Behelfslösung habe ich dem Fragesteller die erwähnte Liste (mit Datum, Uhrzeit Arbeitsbeginn und -ende sowie Pausenzeiten, außerdem stichwortartige Dokumentation der Tätigkeit, ggf. mit dazugehörigen Aktenzeichen) auch vorgeschlagen. Lediglich den Vorschlag des Gegenzeichnenlassens habe ich bisher ausgelassen. - Wobei: Die Vorgesetzten werden sicher die Unterschrift verweigern, da sie wissen, was auf sie zukommen könnte.

  • Es geht auh einfacher. Lt. §80 muss der BR ja die Einhaltung von Gesetzten, BVen,.... überprüfen. Und dazu gehört selbstverständlich auch das AzG. Und dafür benötigt Ihr ja die Einsicht in alle Zeitkonten aller MA. Dazu gehört dann natürlich auch, dass alle MA Zugang zu diesem System haben. Falls der AG nicht will, einfach mal andeuten, dass man das als Behinderung der BR- Arbeit ansieht und man aus der Weigerung des AG eigentlich folgern muss, dass hier gegen das AzG verstossen wird.

    Hat bei uns funktioniert und ging auch dann ganz schnell.

  • Was Reddel schrieb, wäre genau das gewesen, was auch ich hier vorgeschlagen hätte.

    Ob eine Vergütung der Mehrarbeit stattfindet oder nicht, könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch unter sich regeln, davon unberührt ist aber die Überwachung des Arbeitzeitgesetzes. Und genau da liegt der Ansatzpunkt für den BR!

    Wenn ihr also bisher in der BV nicht geregelt habt, wer das Zeiterfassungssytem alles bedient, dann holt das nach.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Hallo,

    eine pauschale Abgeltung ("Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten") ist nur bei "herausgehobenem Gehalt" möglich. Da hatte ich was von über 3000€ gelesen.

    Rechtmäßig ist es aber bei einer Nennung eines Quantums ("abgegolten sind die ersten 10 Überstunden").

  • Unser AG hat eingelenkt. Er hat uns nun einen Formulierungsvorschlag zur Ergänzung der bestehenden GBV unterbreitet, nach der künftig ALLE MA (außer LA) das bestehende Zeiterfassungsprogramm zur Erfüllung der Nachweispflichten nutzen müssen. Natürlich soll daraus auch künftig kein Arbeitszeitkonto (im Sinne von Vergütungspflicht oder Zeitausgleich) für die MA entstehen, die auch bisher solch eine Regelung nicht hatten.

  • Hallo,

    die Diskussion ist zwar sozusagen schon rum, ich möchte aber noch anmerken, dass der BR auch über die Dokumentationspflichten des § 16 II ArbZG hinaus vom AG verlangen kann, dass er (dem BR) die ArbZ aller AN dokumentiert.

    Das resultiert zum Einen aus § 80 BetrVG - die Überprüfung, ob und inwieweit die Schutzregeln des ArbZG (Höchstarbeitszeit von 10 Stunden am Tag, Höchstarbeitszeit werktäglich von im Durchschnitt 8 Stunden, Einhaltung der Ruhezeiten etc. pp.), aber auch z.B. von TV-Regelungen eingehalten wurden.

    Es resultiert aber auch aus § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG - der BR kann seine Mitbestimmung gar nicht sinnvoll ausüben, wenn er die Einhaltung der Regeln nicht auch kontrollieren kann. D.h. der BR muss überprüfen können, ob BV-Regelungen zur ArbZ-Gestaltung (man kann z.B. eine maximal Zahl von Arbeitstagen hintereinander, vorwärts rollierende Dienste etc. vereinbaren) beachtet werden.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.