Am Arbeitsgericht München läuft aktuell alles recht normal – noch sind keine erhöhten Eingänge im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu vermelden, insbesondere keine auffällig gehäuften Kündigungsschutzverfahren. Richter vermuten aber auch: „Da kommt was“. Denn schon jetzt nehmen die Verhandlungen rund um Interessenausgleich und Sozialplan zu, ebenso wie Einigungsstellenverfahren.
Deutschlandweit ist die Pandemie bereits jetzt zunehmend Thema an den Arbeitsgerichten – mit zum Teil ganz neuen Fragestellungen.
In Dessau wurde einer Pflegerin wegen fehlender Corona-Impfung gekündigt,
Keine Impfung – Kündigung?
Schlagzeilen machte gerade ein Fall aus Dessau. Medienberichten zufolge wurde dort einer Pflegerin gekündigt, weil sie ihren Termin zur Corona-Impfung nicht wahrgenommen hatte. Entscheiden mussten die Dessauer Richter die Sache indes nicht: Die Pflegerin und ihr früherer Arbeitgeber einigten sich auf einen Vergleich. Das Arbeitsverhältnis wurde gegen Zahlung einer Abfindung beendet.
Corona-Selfie mit bösen Folgen
Eine Kündigungsschutzklage nach einem Corona-Selfie landete vor dem Arbeitsgericht Osnabrück. Hintergrund war die Frage, ob ein privater Verstoß gegen die Corona-Maßnahmen zu einer fristlosen Kündigung führen kann. Ein Techniker hatte per WhatsApp ein Selfie von einer Spielrunde mit sich und vier weiteren Männern verschickt, Bildunterschrift: „Quarantäne bei mir“. Der Scherz kam beim Arbeitgeber übel an, denn zu diesem Zeitpunkt galt ein Versammlungsverbot von mehr als zwei Personen. Auch hier schlossen die Parteien am Ende einen Vergleich. Die spannende Frage, inwieweit sich das außerdienstliche Verhalten in der Pandemie auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, blieb in diesem Fall unbeantwortet.
Unerlaubte Mitnahme von Desinfektionsmittel
Auch das Thema Desinfektionsmittel führte schon zu einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht: 16 Jahre lang war ein Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt – dann fand sein Arbeitgeber entwendetes Desinfektionsmittel im Wert von ungefähr 40 Euro in seinem Kofferraum. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschied: Die fristlose Kündigung erfolgte zu Recht.
Streit um das Tragen der Maske am Arbeitsplatz
Welche Angaben muss ein Attest enthalten, das einen Arbeitnehmer vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes befreien kann? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Arbeitsgericht Siegburg. Die Richter entschieden, dass ein solches Attest konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten muss, warum eine Maske nicht getragen werden könne. Denn schließlich solle mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen ein rechtlicher Vorteil erwirkt werden.
Die Fälle nehmen zu, die digitale Justiz wächst
Corona wird immer mehr Fälle in die Gerichtssäle der Arbeitsgerichte spülen. Oder aber auf die Bildschirme, denn auch das hat Corona bewirkt: Immer mehr Gerichte verhandeln in Zeiten der Pandemie per Webcam. Möglich macht das § 128a der Zivilprozessordnung (ZPO). Beispiel Baden-Württemberg: 50 % der Güteverhandlungen am Arbeitsgericht Stuttgart werden laut Justizminister Guido Wolf schon jetzt per Videoverhandlungen durchgeführt. Und Videoverhandlungen würden auch die Jahre nach Corona prägen, so Wolf. Ob eine Verhandlung per Videoformat durchgeführt wird, das entscheidet am Ende aber immer der zuständige Richter. (CB)