Betriebsräte sind verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse weder zu offenbaren noch zu verwerten. Soweit die Theorie. Aber was bedeutet dies in der Praxis für jedes Betriebsratsmitglied?
Das sind Geheimnisse
Geheimnisse sind Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind. Zudem muss an der Geheimhaltung ein „begründetes Interesse" bestehen. Der Arbeitgeber kann also nicht alles zum Geheimnis erklären. In Betracht kommen z.B. wirtschaftliche Gründe, z.B.:
- Kenntnisse über ein bestimmtes Produktionsverfahren,
- betriebswirtschaftliche Kalkulationsgrundlagen,
- Kundenlisten,
- Verhandlungen,
- Liquidität des Unternehmens,
- Höhe des Umsatzes,
- Lohn- und Gehaltsdaten.
Was ist strafbar?
§ 120 BetrVG betrifft ausschließlich solche Geheimnisse, die Betriebsräten aufgrund ihres Amtes bekannt geworden sind. Geheimnisse, von denen sie auf andere Weise erfahren haben (z.B. am Arbeitsplatz) gehören nicht dazu. Außerdem muss der Arbeitgeber die entsprechenden Tatsachen ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet haben. Achtung, die Bitte um vertrauliche Behandlung reicht zuweilen!
Strafbar ist gemäß § 120 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die unbefugte Offenbarung von Geheimnissen. Denn wenn ein Dritter Kenntnis erlangt – dann ist es kein Geheimnis mehr. Unbefugt ist die Offenbarung, wenn sie ohne Zustimmung und ohne ein Recht zur Übermittlung erfolgt. Das Ausscheiden aus dem Betriebsrat schließt die Strafbarkeit übrigens nicht aus.
Strafbar ist gemäß § 120 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 BetrVG zudem die Verwertung des Geheimnisses. Verwerten bedeutet das wirtschaftliche Ausnutzen, um Gewinn zu erzielen.
Auch die unbefugte Offenbarung eines fremden Arbeitnehmergeheimnisses kann strafbar sein. Damit sind insbesondere Geheimnisse aus dem persönlichen Lebensbereich gemeint, z.B. Familienverhältnisse, Krankheiten, Vorstrafen. Hintergrund ist der Schutz der Intimsphäre der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber das Geheimnis ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig erklärt hat!
Vorsatz und Strafrahmen
Auch § 120 BetrVG verlangt zur Strafbarkeit des Täters Vorsatz, da eine Strafbarkeit der fahrlässigen Tatbegehung nicht ausdrücklich angeordnet ist, vgl. § 15 StGB. Im Übrigen vgl. zum Vorsatz ausführlich den Beitrag: Strafbarkeit nach § 119 BetrVG. Verstöße gegen das BetrVG sind keine Kleinigkeit
Der Strafrahmen für die Offenbarung eines Geheimnisses liegt Geldstrafe bis hin zur Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr (§ 120 Abs. 1 und 2 BetrVG). Handelt der Geheimnisverräter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so erhöht sich der Strafrahmen sogar auf zwei Jahre (§ 120 Abs. 3 BetrVG). Gleiches gilt für die Verwertung eines Geheimnisses.
Eine Strafverfolgung erfolgt nur auf Antrag des Verletzten (vgl. § 120 Abs. 5 S. 1 BetrVG).
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Anstieg der Fälle ist zu erwarten
Straftaten nach §§ 119, 120 BetrVG spielen in der Praxis der Strafjustiz eine untergeordnete Rolle. Das liegt nicht unbedingt daran, dass sie so selten vorkommen. Ganz im Gegenteil, es ist sogar davon auszugehen, dass sich Taten sogar sehr häufig zutragen.
Oftmals wird jedoch der erforderliche Strafantrag nicht gestellt, weil die Taten toleriert wurden, um den Betriebsfrieden zu wahren. Auch herrscht aufgrund der „schwammigen" Formulierungen oftmals Unklarheit darüber, ob eine Straftat gegeben und nachweisbar ist.
In Zukunft ist mit einem Ansteigen von Fällen zu rechnen, die tatsächlich strafrechtlich verfolgt werden. Dies liegt vor allem daran, dass bei Arbeitgebern und Betriebsräten das Bewusstsein für die Strafbarkeit nach §§ 119, 120 BetrVG gestiegen ist und strafbare Handlungen nicht mehr geduldet werden. Außerdem kann ein Strafantrag dazu beitragen, den Betrieb bzw. das Unternehmen in der Außenwirkung als „sauber" zu profilieren.
In jedem Fall sollte bedacht werden, dass ein Strafantrag des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber wegen einer Verletzung des § 119 BetrVG (vgl. den Beitrag Strafbarkeit nach § 119 BetrVG. Verstöße gegen das BetrVG sind keine Kleinigkeit) nur zur Wahrung der betrieblichen Mitbestimmung – und nicht aus persönlichen Gründen – als „letztes Mittel" unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen werden sollte.