Start-ups gelten als Inbegriff von Dynamik und Flexibilität. Vielleicht ist aber genau diese Instabilität, warum die aktuelle Wirtschaftslage bei vielen Start-ups zu Massenentlassungen geführt haben. Genau dann wäre es jedoch wichtig, eine funktionierende Interessenvertretung zu haben. Denn nur mit einer solchen können Sozialpläne mit entsprechenden Abfindungen ausgehandelt werden. Umso erstaunlicher, dass zahlreiche Start-ups dem Anschein nach eine Abneigung gegen diese Form der Mitbestimmung haben – immer wieder rumort es rund um Betriebsratswahlen (Weiterlesen: Start-up für den Betriebsrat). Beispielsweise beim Kochboxen-Anbieter HelloFresh, der sich seit Monaten einen Streit mit der Belegschaft um die Gründung eines Betriebsrats liefert. Auch beim Berliner Lieferdienst Lieferando war es ein steiniger Weg Richtung eigenem Betriebsrat (Weiterlesen: Kein leichter Weg). Beim Online-Kreditvermittler Smava formierte sich jetzt eine Gruppe, die ein Betriebsratsgremium initiieren wollten. Das Positive: Es soll tatsächlich bald gewählt werden. Die Veranstaltung zur Bestimmung des Wahlvorstandes lief jedoch keineswegs geräuschlos ab.
In 2022: Unternehmen hat massiv Mitarbeiter entlassen
Dass sich die Smava-Mitarbeiter die Gründung einer Interessenvertretung wünschen, ist nur allzu verständlich, schließlich hat das Unternehmen mit Sitz in Berlin im vergangenen August und November jeweils rund einhundert Mitarbeiter entlassen, wie mehrere Medien berichteten. Mitte Februar wollten die rund 600 Menschen, die laut Unternehmensangeben noch beschäftigt sind, einen Wahlvorstand für die anstehenden Betriebsratswahl bestimmen. Bei der Veranstaltung soll es zu Konflikten gekommen sein.
Offensichtlich hat sich eine kleine Gruppe vorher abgestimmt und Stimmung gemacht.
Oliver Hauser von ver.di
Wie der Onlinedienst Finance Forward berichtet, sollen mehrere leitende Angestellte anwesend gewesen sein. „Offensichtlich hat sich eine kleine Gruppe vorher abgestimmt und Stimmung gemacht“, zitiert Finance Forward Oliver Hauser von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Noch dazu ließ sich die „Head of Success“-Managerin als Gegenkandidatin für den Wahlvorstand aufstellen – und wurde prompt mit zwei Teamleitern gewählt. Sie müssen nun die Betriebsratswahl organisieren. Da all das mittlerweile rund neun Wochen her ist, dürfte es bald so weit sein.
Hätten Mitarbeiter aus Hamburg involviert werden müssen?
Auf der Betriebsversammlung zur Bestimmung des Wahlvorstandes soll zudem mehrfach Kritik daran geäußert worden sein, dass die Hamburger Belegschaft nicht involviert wurde. Ein Teil der dort beschäftigten Mitarbeiter kommt von der Firma Finanzcheck, die Smava Anfang 2021 zugekauft hatte. Das Argument für eine gemeinsame Mitarbeitervertretung für Hamburg und Berlin sei laut ver.di-Sekretär Oliver Hauser jedoch unzulässig.
Wie es weitergeht und ob tatsächlich bald gewählt wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall wäre Smava eines der ersten sogenannten Fintech-Unternehmen (Financial Technology), das einen Betriebsrat hätte. Ähnliche Turbulenzen im Vorfeld einer Betriebsratswahl gab es vor rund drei Jahren bei der Berliner Neobank N26. Hier soll das Management unter anderem mit einstweiligen Verfügungen versucht haben, Treffen der Mitarbeit zu verhindern – später entschuldigten sich die Gründer. Längst hat dort der Betriebsrat seine Arbeit aufgenommen und ist dem Vernehmen nach bereits mehrere Themen wie Gender-Pay-Gap oder Home-Office erfolgreich angegangen. Der Betriebsrat hat sich etabliert und darf getrost als Vorbild für so manch anderes Start-up gesehen werden – auch für Smava. (tis)