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Für eine selbstbestimmte Teilhabe

Persönliche Assistenz im Arbeitsleben

Menschen mit Behinderungen sollen in Deutschland selbstbestimmt am Leben teilhaben. Ein wichtiger Baustein hierzu ist die persönliche Assistenz im Arbeitsleben. Vielen ist nicht bekannt, dass es überhaupt diese Möglichkeit gibt – Grund genug, hierüber näher zu berichten.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Marcus Ulrich Dillmann

Marcus Ulrich Dillmann

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Stand:  3.3.2017
Lesezeit:  02:00 min
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Für eine selbstbestimmte Teilhabe - persönliche Assistenz | © AdobeStock | auremar

Seit über 16 Jahren gibt es den Rechtsanspruch auf Kostenübernahme für eine persönliche Assistenz im Arbeitsleben. Geregelt ist dies im Sozialgesetzbuch IX (SGB IX), dem Rehabilitations- und Teilhaberecht behinderter Menschen.

Was bedeutet Arbeitsassistenz?

Unter Arbeitsassistenz ist eine notwendige, regelmäßige Unterstützung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers durch einen persönlichen Assistenten für bestimmte Aufgaben am Arbeitsplatz zu verstehen. Das bedeutet konkret, dass der schwerbehinderte Mensch grundsätzlich seine berufliche Tätigkeit im Kernbereich alleine erledigen kann, aber bei bestimmten Nebentätigkeiten aufgrund körperlicher Grenzen auf fremde Hilfe angewiesen ist. 

Die Assistenz wird dann als notwendig angesehen, wenn weder eine behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes noch die durch den Arbeitgeber bereitgestellte Hilfe, etwa durch Arbeitskollegen, oder eine entsprechende Qualifizierung des schwerbehinderten Arbeitnehmers ausreicht, um eine wettbewerbsfähige Arbeitsausführung zu ermöglichen. Beispiele der Arbeitsassistenz sind etwa Vorlesekräfte bei Blinden oder Gebärdendolmetscher bei Gehörlosen.

Worauf besteht ein Anspruch?

Bei der Arbeitsassistenz geht es um eine Geldleistung an den behinderten Arbeitnehmer und nicht um eine von einem Leistungsträger zu erbringende Sachleistung. In den meisten Fällen erfolgt die Leistung in Form eines persönlichen Budgets. Dem schwerbehinderten Arbeitnehmer wird dabei eine monatliche Summe ausgezahlt, von der er die Kosten der Arbeitsassistenz begleicht. 

Benötigt der schwerbehinderte Mensch die persönliche Assistenz zur Sicherung eines bereits bestehenden Arbeitsplatzes (Behaltens-Alternative), dann ist das Integrationsamt für die Antragstellung zuständig, in dessen Bereich der Arbeitsplatz des schwerbehinderten Menschen liegt.

Will der schwerbehinderte Mensch einen Arbeitsplatz erlangen (Erlangens-Alternative), so ist Kostenerbringer der zuständige Rehabilitationsträger. Dieser kann ihm die Assistenz zeitlich befristet auf drei Jahre gewähren.

Wer ist antragsberechtigt?

Antragsberechtigt für Assistenzleistungen sind alle schwerbehinderten Menschen, die mindestens 15 Wochenstunden beschäftigt werden und das tarifliche beziehungsweise ortsübliche Entgelt, mindestens aber den Mindestlohn erhalten. Ein befristetes Arbeitsverhältnis des schwerbehinderten Arbeitnehmers steht der Leistungsgewährung nicht entgegen.

Nach den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) soll bei der Leistungsgewährung berücksichtigt werden, dass die Kosten einer Arbeitsassistenz in einem ausgewogenen Verhältnis zum damit erzielten Einkommen des schwerbehinderten Arbeitnehmers stehen – also wenn sie geringer als 50 % des aufgewendeten Arbeitgeber-Bruttos des schwerbehinderten Arbeitnehmers betragen. Da diese Grenze sich so im Gesetz nicht wiederfindet, schränken die Empfehlungen der BIH die Rechtsgewährung schwerbehinderter Arbeitnehmer ein. Betroffene können den Förderbescheid durch Widerspruch und notfalls durch das Sozialgericht die Rechtmäßigkeit der Entscheidung überprüfen lassen.

Die Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz ist auch zur Aufnahme bzw. Sicherung einer wirtschaftlich selbständigen Existenz möglich.

Tipp: Die Zuständigkeitsbereiche und Adressen der Integrationsämter können auf der Homepage www.integrationsaemter.de unter der Rubrik „Kontakt“ eingesehen werden. 

Was ist bei der Antragstellung zu beachten?

Anträge auf Sozialleistungen können in Deutschland grundsätzlich formlos, etwa auf einem einfachen Blatt Papier, gestellt werden.

Wer es geordneter haben möchte, der wird meist auf der Homepage des zuständigen Integrationsamts fündig. Oft lassen sich die Formulare bereits am PC ausfüllen. Ausgedruckt, persönlich unterschrieben und mit den notwendigen Unterlagen versehen, werden sie dann an die Integrationsämter verschickt. Für die Beantragung gibt es keine Fristen; Leistungen werden jedoch erst ab Antragseingang erbracht.

Wie hoch ist die Geldleistung?

Sowohl Höhe als auch Dauer der Leistung richten sich stets nach dem Einzelfall. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen hat in Abstimmung mit dem zuständigen Bundesministerium Empfehlungen erarbeitet, nach denen sich die einzelnen Integrationsämter bei ihrer Entscheidung über den Förderantrag orientieren sollen. Diese sind für die Gerichte nicht bindend, wurden aber in der Vergangenheit bei gerichtlichen Entscheidungen bereits ergänzend herangezogen. 

Das Integrationsamt stellt nach Antragseingang zunächst den Stundenbedarf für eine Assistenz am Arbeitsplatz des schwerbehinderten Arbeitnehmers fest. Dabei prüft es einerseits die Arbeitsanforderungen, die der schwerbehinderte Beschäftigte zu erledigen hat und andererseits dessen persönliche Leistungsfähigkeit. Aufgrund der Empfehlungen der BIH wird von einem Unterstützungsbedarf von höchstens vier Stunden täglich ausgegangen. Ein weitergehender Bedarf ist besonders zu begründen. Zeitlich ist die Arbeitsassistenz auf eine werktägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden limitiert.

Die Höhe der Leistung orientiert sich zum einen am durchschnittlichen täglichen Bedarf an Arbeitsassistenz, zum anderen an den Anforderungen der Hilfstätigkeiten, die die Assistenzkraft ausführen soll. Ausgegangen wird regelmäßig von einem ortsüblichen und branchenspezifischen Lohn für Hilfs- und Unterstützungstätigkeiten, die keine Ausbildung oder besondere Qualifikationen der Assistenzkraft erfordern (z.B. in Anlehnung an den Tarifvertrag der Länder TV-L, Entgeltgruppe 2, Stufe 1. Dies entspricht einem Bruttostundenlohn von 12,60 €).

Werden in einzelnen Monaten persönliche Assistenzbudgets nicht ausgeschöpft, können sie innerhalb des Bewilligungszeitraums auf andere Monate übertragen werden. Zu viel bezahltes Budget muss vom schwerbehinderten Arbeitnehmer erstattet werden, bzw. wird mit der nächsten monatlichen Vorauszahlung verrechnet.

Tipp: Auch gleichgestellte behinderte Menschen mit einem erheblichen Unterstützungsbedarf haben Anspruch auf eine Arbeitsassistenz.

Suche nach der Assistenz

Steht der Hilfebedarf an Assistenzleistungen fest, dann stehen dem schwerbehinderten Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten zur Verfügung: 

Entweder stellt er die Assistenzkraft selbst ein und wird damit zum Arbeitgeber der Assistenzkraft (Arbeitgebermodell) oder er wählt im sogenannten Auftragsmodell (Dienstleistungsmodell) einen regionalen oder bundesweit agierenden Anbieter von Assistenzdienstleistungen aus und wird dadurch zum Auftraggeber von Assistenzleistungen. Hierbei erhält der schwerbehinderte Arbeitnehmer eine monatliche Rechnung über die geleisteten Assistenztätigkeiten.

Als Arbeitgeber treffen den schwerbehinderten Arbeitnehmer alle Pflichten eines Arbeitgebers. Neben der Lohnzahlungspflicht und der Verpflichtung zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen muss er dem Arbeitsassistenten u.a. Urlaub gewähren und für die notwendigen Ruhepausen sorgen. Er trägt auch das Risiko der Erkrankung der Assistenzkraft und muss ihr den Lohn bis zu sechs Wochen fortzahlen. Wird die Assistenzkraft krank oder fällt kurzfristig aus, kann sich der schwerbehinderte Arbeitnehmer an das Integrationsamt wenden. Dieses prüft die Möglichkeit, eine Ersatzkraft zu finanzieren.

Im Dienstleistungsmodell hat der schwerbehindere Arbeitnehmer diese Sorgen in der Regel nicht, da der Dienstleister meist verpflichtet ist, eine Ersatzkraft zu stellen.

Einverständnis des Arbeitgebers

Ganz wichtig ist, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber um Einverständnis bittet, dass eine fremde Person bei ihm in seinen Betriebsräumen tätig wird. Um späteren Ärger zu vermeiden, sollte sich der schwerbehinderte Arbeitnehmer das Einverständnis schriftlich geben lassen.

Eine gute Möglichkeit, frühzeitig das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen, bieten die betrieblichen Interessenvertretungen: Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung oder die Schwerbehindertenvertretung sind gerne bereit, den schwerbehinderten Arbeitnehmern bei der Umsetzung der Arbeitsassistenz im Betrieb zu helfen.

Persönliche Assistenz im Privatbereich?

Eine persönliche Assistenz, die übergreifend in allen Lebensbereichen eines schwerbehinderten Menschen tätig wird, ist durch den Gesetzgeber nicht vorgesehen – nur für Teilbereiche gibt es solche Regelungen. 

Neben der Arbeitsassistenz kommt bei behinderten Kindern eine Schulbegleitung (Integrationshelfer) in Frage.

Für erwachsene Behinderte bieten sich noch zwei weitere Assistenzmöglichkeiten: 

  • Zum einen kann im Einzelfall eine Assistenzleistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gewährt werden, z.B. um Kontakte zur Umwelt aufrecht zu erhalten.
  • Zum anderen gibt es für den Bereich der Pflege seit 2012 durch das Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen die Möglichkeit, eine Pflegekraft im Arbeitgebermodell in solche Einrichtungen mitzunehmen. Das Pflegegeld wird weitergezahlt. 

Ausblick

Wer sich nun entscheiden möchte, einen Antrag auf Arbeitsassistenz beim Integrationsamt zu stellen, steht nicht allein: Zu Zeit gibt es ca. 2000 Arbeitsassistenten im Arbeitgebermodell. 

Gerne helfen die örtlichen Integrationsämter, die Bundesarbeitsgemeinschaft für unterstützte Beschäftigung und die betrieblichen Schwerbehindertenvertreter bei der praktischen Umsetzung weiter. 

Tipp für die Praxis

Der Artikel spiegelt den aktuellen Rechtsstand wieder. Durch das neu eingeführte Bundesteilhabegesetz können sich ab dem 01.01.2018 Änderungen ergeben – wir werden berichten!

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