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Arbeitsrecht in Russland

Blick über den Tellerrand:

Seit dem Beginn der Fußball-WM steht Russland im weltweiten Fokus der Sportbegeisterten. Mit mehr als 140 Mio. Einwohnern und einer Fläche von 17 Mio. Quadratkilometern ist es eines der größten Länder der Welt. Aber wie steht es dort mit den Rechten von Arbeitnehmern?

Stand:  13.6.2018
Lesezeit:  03:00 min
arbeitsrecht-in-russland | © AdobeStock | 227792348 | scaliger

Das russische Arbeitsrecht ergibt sich aus verschiedenen Rechtsquellen: Eine wichtige davon ist das Arbeitsgesetzbuch. Ergänzt wird es von Präsidentenerlassen und weiteren Regelungen und Gesetzen. Auch dem Obersten Gericht kommt eine große Bedeutung zu.

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Arbeitszeiten und Urlaub

Die wöchentliche Regelarbeitszeit beträgt 40 Stunden. In einer Sechstagewoche verteilt sich dies unter der Woche auf sieben und am Samstag auf fünf Stunden, in einer Fünftagewoche auf acht Stunden täglich. Details werden betrieblich geregelt. Gleitzeit ist bislang eher unüblich.

Eine Art Vertrauensarbeitszeit sind die „unnormierten" Arbeitstage. Allerdings gibt es (theoretisch) eine Deckelung der Überstunden: Maximal vier Stunden an zwei aufeinander folgenden Tagen und 120 Stunden im Jahr. Gerade in kleineren Firmen werden die Regelungen zu Überstunden aber zuweilen nicht eingehalten. Sich dagegen zu wehren, scheint schwierig.

Teilzeit ist möglich, sowohl was die Anzahl der Wochenarbeitstage als auch die tägliche Arbeitszeit betrifft. Schwangere Frauen und Arbeitnehmer mit familiären Pflichten haben ein Recht darauf, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeit kürzt bzw. ändert.

Der Mindesturlaub liegt bei 28 Kalendertagen, für unnormierte Arbeitstage gibt es zusätzlichen Urlaub. Eine Übertragung auf das folgende Jahr ist nur als Ausnahme vorgesehen. Im Unterschied zu Deutschland müssen mindestens 14 Tage des Urlaubs am Stück genommen werden. Ein Urlaubsanspruch entsteht in der Regel erst nach sechsmonatiger Beschäftigungsdauer im Unternehmen.

Zusätzlich gibt es in Russland 12 gesetzliche Feiertage. Schön für Beschäftigte: Fällt ein gesetzlicher Feiertag auf einen arbeitsfreien Tag, so ist nach dem Arbeitsgesetzbuch der darauf folgende Werktag frei.

Gesetzlicher Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn beträgt seit dem 01.05.2018 11.000 Rubel im Monat, also umgerechnet ca. 152 € (Stand: 31.05.2018). Dies entspricht dem Existenzminimum. In teuren Regionen wie z.B. in Moskau ist er höher.

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Zum Vergleich: Die Mindestlöhne in der EU liegen zwischen 261 € und 1.999 € brutto im Monat.

Die Zahl der „Working poor", die mit ihrem Einkommen kaum auskommen oder mehrere Arbeitsverhältnisse eingehen müssen, ist seit einigen Jahren auch in Russland stark gestiegen.

Befristung und Kündigungsschutz

Befristungen sind in Russland als Ausnahme vorgesehen, anders als bei uns. Das russische Arbeitsgesetz enthält eine umfassende Liste von Befristungsgründen. Ohne eine entsprechende Vereinbarung gilt der Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Arbeitnehmer dürfen ihren Arbeitsvertrag mit einer Frist von ca. zwei Wochen schriftlich kündigen. Kündigungen durch den Arbeitgeber sind schwieriger und an einige Formalien gebunden. Für die Kündigung ist immer ein Grund erforderlich. Anders als bei uns dürfen in Russland Arbeitnehmer, während sie krank oder im Urlaub sind, grundsätzlich nicht gekündigt werden. Kündigungsschutz genießen außerdem u.a. Schwangere, Mütter von Kindern bis zu drei Jahren und freigestellte Gewerkschaftsmitglieder.

In der Praxis spiele aber Aufhebungsverträge eine große Rolle, mit denen Beschäftigungsverhältnisse beendet werden.

Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter

Das russische Arbeitsgesetzbuch sieht eine „Soziale Partnerschaft" vor. Sie besteht aus Arbeitnehmervertretern (Gewerkschaften), Arbeitgebervertretern, Staatsorganen und Organen der kommunalen Selbstverwaltung. Ziel ist die „Harmonisierung" arbeitsrechtlicher Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Sind die Arbeitnehmer des Unternehmens nicht durch eine betriebliche Arbeitnehmervertretung zusammengeschlossen bzw. vereinigt die betriebliche Arbeitnehmervertretung weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer, können die Arbeitnehmer in geheimer Wahl einen Vertretungsberechtigten wählen.

Mitbestimmung wird vor allem in größeren Unternehmen durch die Gewerkschaften ausgeübt. Beispielsweise ist die Gewerkschaftsvertretung im Voraus über eine bevorstehende Entlassung zu informieren. Kritiker sagen allerdings, dass es die Gewerkschaften in der Praxis sehr schwer haben, Rechte durchzusetzen. Viele Gewerkschaften seien zersplittert und zögen nicht an einem Strang. Zudem existiert quasi kein Kündigungsschutz für gewählte, aber nicht freigestellte Gewerkschaftsaktivisten.

Anfang des Jahres gab es große Proteste, weil erstmals eine Gewerkschaft verboten wurde. Angriffe gegen Gewerkschaften und Gewerkschaftler gab es Medienberichten zufolge immer schon.

Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2012 gewinnen mit der Zuspitzung der sozialen Gegensätze in der russischen Gesellschaft insbesondere jene Gewerkschaften an Stärke und Einfluss, die bereit sind, resolut und konsequent die Interessen der Arbeitnehmer zu verteidigen. Die russischen Gewerkschaften würden die Sozial- und Arbeitsbeziehungen zwar mitgestalten, ihre Popularität in der Bevölkerung sei jedoch immer noch gering, was eine effektive Gewerkschaftspolitik auf allen Ebenen behindere.

Guter Ansatz, Luft nach oben

Im Vergleich zu Deutschland ist in Sachen Arbeitnehmerrechte und ihrer Durchsetzbarkeit sicherlich noch Luft nach oben. Denn auch wenn das russische Arbeitsrecht relativ arbeitnehmerfreundlich ist; scheint die (kollektive) Durchsetzung von Rechten nicht immer einfach zu sein. Auch in Sachen Rede- und Versammlungsfreiheit steht Russland immer wieder in der Kritik.

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