Liebe Nutzer,

für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.

Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team

Unhaltbare Zustände in der Gastronomie

Fast Food-Beschäftigte machen sich warm für Tarifverhandlungen

Dass die Fast-Food-Branche als Arbeitgeber nicht das höchste Ansehen genießt, dürfte an dieser Stelle ein Allgemeinplatz sein. Doch ist der schlechte Ruf immer noch begründet?

Stand:  7.3.2019
Lesezeit:  03:00 min
Teilen: 
unhaltbare-zustaende-in-der-gastronomie | © AdobeStock | 266277356 | Thomas Reimer

von Denise Klein

Mittlerweile sind Gastronomie-Ketten regelrecht explodiert. Waren früher in erster Linie McDonalds und Burger King die Platzhirsche, so ist die Branche gerade im Franchisesektor in den letzten Jahren überaus potent. Offenbar lieben es die Kunden, wenn sie genau wissen, was sie bekommen. Und das in jeder Stadt, von Rosenheim bis Flensburg, von Duisburg bis Görlitz, standardisierte Erwartbarkeit. Hier haben neben den üblichen Verdächtigen neue Trends aus Übersee den Markt längst erobert. Starbucks, Kentucky Fried Chicken, Pizza Hut, Café del Sol oder Vapiano; dem Markt geht es gut. Im Frühjahr 2018 analysierte das Fachmagazin foodserviceden gesamten Markt der Profi-Gastronomie in Deutschland, Österreich und der Schweiz. So konnten die 100 führenden deutschen Systemgastronomien ihren Nettoumsatz auf 13,7 Mrd. € steigern. Das ist ein Plus von 5 %.

Beschäftigte kämpfen gegen Missstände

Damit ließe sich eine Menge machen, schließlich ist die Fast-Food-Branche in Deutschland ein großer Player, sprich: ein großer Arbeitgeber und Ausbilder mit viel Verantwortung für seine Beschäftigten und Azubis. Allein McDonald's beschäftigte im Jahr 2017 rund 60.000 Mitarbeiter. Doch offenbar kommt die Branche dieser Verantwortung nicht zur Zufriedenheit der Beschäftigten nach.

Die „Fast Food Workers United" brachten Ende Januar mit einer medienwirksamen Aktion ihren Unmut auf den Punkt. In Ulm versammelten sich rund 50 Fast-Food-Beschäftigte verschiedenster Betriebe, um auf die vielen Missstände der Branche aufmerksam zu machen. „Diese Aktion war nur der Anfang", erklärt Alexander Münchow, Sekretär der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) des Landesbezirks Südwest. Denn die To-Do-Liste in dieser Branche sei besonders lang. „Schlicht auf den Punkt gebracht wollen wir gute Arbeitsbedingungen zu fairen Löhnen mit mehr Mitbestimmung", so Münchow.

Wenig im Portemonnaie

Ende diesen Jahres läuft der Tarifvertrag aus, den die NGG mit dem Bundesverband der Systemgastronomie e.V. (BdS) Ende 2016 verhandelt hatte. Ein Blick in die Entgelttabellen ernüchtert. So steigerte sich beispielsweise der Bruttomonatsverdienst einer „Kassenkraft im Fullservicebetrieb"– besser gesagt, der netten Dame, die die Burger-Bestellung entgegennimmt, das Tablett befüllt und abkassiert – von 1.529 € Anfang 2017 auf 1.546 € ab August 2018. Ein Mehr im Portemonnaie von 17 €. Brutto. „Dieser Abschluss bietet unseren Beschäftigten weiterhin Entwicklungsmöglichkeiten und belegt unseren Branchenanspruch als Chancengeber", erklärte nach Verhandlungsabschluss Gabriele Fanta, BdS-Präsidentin, in einer Pressemitteilung. Das sieht die NGG naturgemäß anders und will für die anstehenden Tarifverhandlungen ein Maximum an Öffentlichkeit und somit Druck erzeugen.

Betriebsräte im Kreuzfeuer

„Die Beschäftigten profitieren nicht von der guten Lage der Branche, im Gegenteil. Stress und Druck nehmen immer weiter zu. Wir sehen im gesamten Dienstleistungssektor immer mehr, dass Betriebsräte oder die Bestrebungen, einen zu installieren, durch die Arbeitgeber regelrecht bekämpft werden", beschreibt Alexander Münchow die Entwicklung. „Die Beschäftigten müssen zum einen genau wissen, wo sie einzugruppieren sind und zum anderen noch hinterher sein, dass diese Gruppierung auch eingehalten wird."

Schichtdienst, Überstunden und Arbeitsstress

Dass trotz steigender Umsätze die Beschäftigten nicht profitieren, hat sich auch schon bei der kommenden Generation herumgesprochen. 3.500 junge Menschen stecken derzeit in der Ausbildung, doch ist die Anzahl der Azubis in den letzten Jahren deutlich gesunken. 2009 entschieden sich noch doppelt so viele Jugendliche für eine Ausbildung in der Systemgastronomie, also bei einer Gastro-Kette.

Der NGG ist klar, weshalb sich dieser Trend weiter verschärfen wird, denn wer sich für eine Ausbildungsstelle in dieser Branche interessiert, wird durch die harten Parameter wie Vergütung, Schichtwechsel, Überstunden und Arbeitsstress eher abgeschreckt. Deshalb will die Gewerkschaft mehr Öffentlichkeit für ihr Anliegen.

„Die Gesellschaft weiß viel zu wenig über die harten Arbeitsbedingungen in den Fast-Food-Betrieben", so Münchow. So bleibt zu hoffen, dass der Aktionstag der „Fast Food Workers United" nur den Auftakt einer steten und erfolgreich enervierenden Kampagne darstellte, die perspektivisch die Verhandlungsbasis der Beschäftigten stärken wird.

Herr Prof. Dr. Bontrup, was muss eine Gewerkschaft anstellen, um aus den nächsten Tarifverhandlungen WIRKLICH gute Ergebnisse herauszuholen?

NGG muss die unhaltbaren Zustände in der Systemgastronomie öffentlich skandalisieren. Anhand der Wertschöpfungskette muss sie die Missstände in der Branche aufzeigen. Hier muss klargestellt werden, dass die Kunden mit ihrem „Geiz ist geil-Denken" als Erste auf die Anklagebank gehören. Derart niedrige Preise – der Hamburger darf nur 2,50 € kosten – schaffen keine hinreichende Wertschöpfung, selbst bei größten Mengenverkäufen nicht. Und von dieser mageren Wertschöpfung wollen dann auch die Haus-Vermieter der Geschäfte mit einer hohen Grundrente (Miete/Pacht) partizipieren und selbstverständlich die Lizenzgeber der Marken wie Mc Donalds, Burger King oder Starbucks. Danach kommen natürlich auch noch die Franchisenehmer, die Gewinn machen wollen. Und was bleibt dann noch aus der Wertschöpfung an Einkommen für die Beschäftigten übrig? So gut wie nichts, außer harter Schichtarbeit. Und das auch noch mit Kundenfreundlichkeit gepaart, die von den Kunden unisono abverlangt wird. Das ist nicht nur absurd, sondern schon unmoralisch.

Was können die Beschäftigten selbst tun?

Beschäftigte müssen sich solidarisieren und organisieren. Sie brauchen eine gewerkschaftliche Koalition. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist in der Branche aber viel zu gering. So kann die NGG in den Tarifverträgen nicht Punkten und notwendige Arbeitsentgelte und bessere Arbeitsbedingungen, wie z.B. Arbeitszeiten, durchsetzen. Man ist erschrocken, wie niedrig die Tarifentgelte in der Systemgastronomie ausfallen. Und man muss dies immer zu Ende denken. Wer heute nichts hat, der hat auch im Alter nichts, das heißt auch seine Rentenzahlungen fallen entsprechend niedrig aus.

Hätte hier der Staat die Möglichkeit einzugreifen, wenn er denn Interesse hätte?

Ja, er müsste den gesetzlichen Mindestlohn sofort auf mindestens 12 € je geleisteter Arbeitsstunde anheben. Das wären dann selbst bei einer 40-Stunden-Woche nur 2.112 € brutto im Monat. Also etwa 25.000 € brutto im Jahr. Auch über eine Entlastung bei den Sozialabgaben und Steuern ist, bis zu dieser Bruttoeinkommensgrenze, dringend eine staatliche Entlastung notwendig. Mehr als die Gegenfinanzierung kann sich der Staat durch eine adäquate Gewinnbesteuerung der international aufgestellten Fast-Food-Konzerne zurückholen.

 

Heinz-Josef Bontrup | © ifb

Kontakt zur Redaktion

Haben Sie Fragen oder Anregungen? Wenden Sie sich gerne direkt an unsere Redaktion. Wir freuen uns über konstruktives Feedback!

redaktion-dbr@ifb.de

Jetzt weiterlesen