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Arbeitsunfähig wegen entzündeter Tätowierung: Keine Entgeltfortzahlung

Lässt sich eine Arbeitnehmerin tätowieren und kann wegen einer Entzündung der Tätowierung mehrere Tage nicht arbeiten, hat sie keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Denn die Arbeitnehmerin hat die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet. So entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 22. Mai 2025, 5 Sa 284 a/24

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Redaktion
Stand:  8.7.2025
Lesezeit:  02:45 min
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Das ist passiert:

Die Arbeitnehmerin ist als Pflegehilfskraft beschäftigt. In ihrer Freizeit ließ sie sich am Unterarm tätowieren, kurz danach entzündete sich die tätowierte Stelle. Sie wurde deshalb für mehrere Tage krank geschrieben. Die Arbeitgeberin verweigerte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum. Sie ist der Meinung, dass die Arbeitnehmerin mit der Tätowierung in eine gefährliche Körperverletzung eingewilligt und die Erkrankung selbst verschuldet habe. Das Risiko der Infektion sei kein normales Krankheitsrisiko mehr. Die Arbeitnehmerin müsse das Risiko selbst tragen. Die Arbeitnehmerin betonte, ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Ihr gehe es nicht um eine Zahlung für die Zeit des Tätowierungsvorgangs, sondern für eine davon zu trennende später folgende Entzündung der Haut. Mit der Komplikation habe sie nicht rechnen müssen. Tattoos seien inzwischen weit verbreitet und als Teil der privaten Lebensführung geschützt. Sie erhob Klage vor dem Arbeitsgericht.

Das entschied das Gericht:

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben der Arbeitgeberin recht. Nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn der Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge einer Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Der Arbeitnehmer soll somit bei unverschuldeter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit finanziell abgesichert werden. Deshalb sei der Arbeitnehmer auch verpflichtet, seine Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen zu vermeiden. Dagegen habe die Arbeitnehmerin jedoch verstoßen.
 
Die Tätowierung stelle einen medizinisch nicht notwendigen Eingriff in den unversehrten Körper dar. Die Arbeitnehmerin musste mit der Komplikation, die zur Arbeitsunfähigkeit führte, rechnen. Sie habe selbst vorgetragen, dass statistisch nach Tätowierungen in bis zu 5 % der Fälle Entzündungen der Haut auftreten. Das sei keine völlig außergewöhnliche Komplikation mehr. Angesichts der statistischen Wahrscheinlichkeit habe die Arbeitnehmerin die Folgen der Tätowierung billigend in Kauf genommen und ihre Arbeitsunfähigkeit schuldhaft durch vorsätzliches Verhalten herbeigeführt. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung sei somit ausgeschlossen.

 

Hinweise für die Praxis:

Tattoos sind inzwischen tatsächlich für viele etwas Alltägliches. Doch wären die meisten wohl überrascht, wenn sie bei einer Arbeitsunfähigkeit keine Entgeltfortzahlung erhalten, sollten Komplikationen auftreten. Das zeigt auch diese Entscheidung. 
Ob ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet hat, kann nur durch eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Bei einer Tätowierung ist ein wesentlicher Faktor, dass in einen körperlichen Eingriff eingewilligt wird – in dem Bewusstsein möglicher Komplikationen – auch wenn diese nicht sehr wahrscheinlich sind. 

Bei Sportunfällen kann die Arbeitsunfähigkeit dann verschuldet sein, wenn es sich um besonders gefährliche Sportarten handelt. Das ist dann der Fall, wenn das Verletzungsrisiko so groß ist, dass auch ein gut ausgebildeter Sportler bei sorgfältiger Beachtung aller Regeln dieses Risiko nicht vermeiden kann. Das wurde bisher jedoch vom Bundesarbeitsgericht auch nicht für Sportarten wie Wildwasserkanu oder Bungeejumping bejaht. Doch beim Sport sollte man insgesamt im Blick behalten, dass unvorsichtiges Verhalten, Missachtung von Sicherheitsregeln, mangelhafte Vorbereitung oder die Nichtbeachtung der eigenen körperlichen Grenzen dazu führen kann, dass bei einem Unfall eigenes Verschulden angenommen wird.

Bei Arbeitsunfällen kann die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet worden sein, wenn der Arbeitnehmer gegen die Vorgaben der Unfallverhütung verstößt und Anweisungen des Arbeitgebers dazu missachtet. 

Bei Unfällen im Straßenverkehr kann eigenes Verschulden bei einem durch Alkohol- oder Drogenkonsum verursachten Unfall vorliegen. Allerdings muss der Arbeitgeber die Behauptung, der Arbeitnehmer habe die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet, im Prozess beweisen, wenn er die Entgeltfortzahlung mit dieser Begründung verweigert. (jf)