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Müssen Arbeitnehmer ihre Abwesenheit vom Betrieb begründen, um Briefwahlunterlagen für die Betriebsratswahl zu erhalten? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dieser Frage eine klare Absage erteilt: Ein formloses Verlangen reicht aus – eine Begründung ist nicht erforderlich. Auch ein Beschluss des Wahlvorstands ist in diesen Fällen nicht nötig. Das BAG stellt klar: Wer das Wahlverfahren rechtssicher gestalten will, darf keine unnötigen Hürden aufstellen – weder durch formale Prüfpflichten noch durch unnötige Regularien.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.01.2025, 7 ABR 1/24
In einem Betrieb eines Eisenbahnverkehrsunternehmens wurde im Mai 2022 der elfköpfige Betriebsrat gewählt. Insgesamt 71 Wahlberechtigte beantragten Briefwahlunterlagen – 23 davon formlos per E-Mail, ohne eine Begründung anzugeben. Ein Mitglied des Wahlvorstands übersandte die Unterlagen an die wahlberechtigten Arbeitnehmer, ohne zuvor eine Beschlussfassung des Wahlvorstands herbeigeführt zu haben. Ein Arbeitnehmer erhielt die Unterlagen nicht, da er sich stationär in einer Klinik befand.
Im Rahmen der Auszählung erklärte der Wahlvorstand vier Stimmen für ungültig. Grund: Die Stimmzettel waren mit dem Schriftbild nach außen gefaltet – ein Verstoß gegen die Formvorgaben der Wahlordnung.
Die vier betroffenen Beschäftigten fochten die Wahl an. Das Landesarbeitsgericht gab in zweiter Instanz dem Antrag statt. Doch der Betriebsrat wehrte sich mit seiner Rechtsbeschwerde zum BAG – mit Erfolg.
Die zentralen Fragen in den drei Instanzen: Hätte der Wahlvorstand das Verlangen auf Briefwahl formal prüfen müssen? Reichten die Hinweise zum Falten des Stimmzettels aus, um eine fehlerhafte Stimmabgabe zu vermeiden? Und war das Prozedere bezüglich des kranken Beschäftigten rechtmäßig?
Das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidung des LAG auf und bestätigte die Wirksamkeit der Betriebsratswahl. Nach Auffassung des Siebten Senats war der Wahlvorstand verpflichtet, die Briefwahlunterlagen auf bloßes Verlangen hin auszuhändigen oder zu übersenden – eine Begründung war nicht erforderlich. Auch eine förmliche Beschlussfassung über den Versand war nicht notwendig.
Die Richter betonten, dass § 24 Abs. 1 Satz 1 der Wahlordnung keine Begründungspflicht vorsieht. Die Vorschrift spricht ausdrücklich von einem „Verlangen“ – nicht etwa von einem „Antrag“, der eine Prüfung nahelegen würde. Der Wahlvorstand darf sich grundsätzlich auf die Richtigkeit der Erklärung verlassen. Nur wenn sich konkrete Zweifel aufdrängen – etwa bei nachgewiesener Anwesenheit des Wahlberechtigten im Betrieb während des Wahlzeitraums –, wäre eine Prüfung zulässig. Die formale Gleichheit der Wahl verbietet es, den Zugang zur Briefwahl durch zusätzliche Anforderungen zu erschweren. Eine pauschale Prüfungspflicht oder eine verpflichtende Begründung würde gegen die Wahlordnung verstoßen.
Auch die Einstufung der vier falsch gefalteten Stimmzettel als ungültig trug das BAG mit. Die Wahlordnung verlangt in § 25 Satz 1 Nr. 1 WO eindeutig, dass der Stimmzettel so gefaltet wird, dass die Stimmabgabe erst nach dem Öffnen erkennbar ist. Die Richter bestätigten: Stimmzettel, bei denen dies nicht der Fall ist, sind ungültig. Die Hinweise auf dem Merkblatt und dem Stimmzettel seien inhaltlich deckungsgleich und ausreichend klar. Die Briefwahlunterlagen enthielten ein Merkblatt mit dem Hinweis: „Falten Sie den Stimmzettel so, dass die Stimmabgabe erst nach dem Auseinanderfalten erkennbar ist und legen Sie nur den Stimmzettel in den Wahlumschlag und verschließen Sie ihn (bitte nicht zukleben).“ Auf dem Stimmzettel stand in der untersten Zeile: „Stimmzettel bitte mit dem Schriftbild nach innen falten!“
Dass die Hinweise in Höflichkeitsform formuliert waren, schmälere ihre Verbindlichkeit nicht – zumal der Hinweis auf dem Stimmzettel mit einem Ausrufezeichen abgeschlossen war.
Das BAG bestätigt indirekt den – mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen - Teil der Entscheidung des LAG, dass sich ein Wahlvorstand zwar um die ordnungsgemäße Zustellung der Briefwahlunterlagen bemühen muss. S,ch wenn ein Wähler trotz erkennbarer Bemühungen nicht erreichbar ist, führt dies allein nicht zur Unwirksamkeit der Wahl.
Der Beschluss des BAG verschafft Rechtssicherheit für die kommenden Betriebsratswahlen. Er zeigt deutlich, dass der Zugang zur Briefwahl nicht durch unnötige Formalitäten erschwert werden darf. Das BAG betont: Ein Wahlberechtigter muss keine Gründe angeben, um Briefwahlunterlagen zu erhalten. Und der Wahlvorstand muss über deren Versand keinen Beschluss fassen. Wer das Verfahren verkompliziert, riskiert rechtliche Unsicherheiten.
Zugleich stärkt der Beschluss die Bedeutung der Einhaltung formaler Vorgaben: Wer seine Stimme per Brief abgibt, muss sich an die Regeln halten. Falsch gefaltete Stimmzettel sind ungültig – auch wenn die Formulierung zur Faltung als höfliche „Bitte“ erscheint. Entscheidend ist der Inhalt, nicht der Ton. Der Inhalt reduziert die Fehlerquellen im Wahldurchlauf und schützt das Wahlrecht der Arbeitnehmer. Gleichzeitig erinnert er daran, dass der Schutz der geheimen Wahl oberste Priorität hat. Wahlvorstände sind daher gut beraten, ihre Unterlagen klar und eindeutig zu gestalten.
Und: Entscheidend ist das Bemühen, nicht das Ergebnis der Zustellung. Der Wahlvorstand muss sich um die Zustellung der Wahlunterlagen ernsthaft bemühen. Ist ein Wahlberechtigter trotz zumutbarer Bemühungen nicht erreichbar, bleibt die Wahl wirksam. (al)