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Mit einem Hinweis auf eine Betriebsratstätigkeit auf den Stimmzetteln verstößt der Wahlvorstand gegen die Wahlordnung. Außerdem müssen die Bewerber in derselben Reihenfolge auf dem Stimmzettel benannt werden, wie sie in der Vorschlagsliste aufgeführt sind. Eine Veränderung berechtigt zur Wahlanfechtung. Dazu zählt auch, wenn nicht alle Bewerber nacheinander auf einer Seite des Stimmzettels fortlaufend genannt werden, sondern ein Teil der Kandidaten auf der Rückseite des Stimmzettels aufgeführt ist.
Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 22.11.2023, 2 TaBV 6/22
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer am 22. März 2022 durchgeführten Betriebsratswahl. Die Arbeitgeberin entwickelt Produktlösungen für die Medizintechnik, Wissenschaft und Industrie. In ihrem Betrieb in Hamburg beschäftigt sie etwa 630 Frauen und 886 Männer.
Auf dem Stimmzettel zur Betriebsratswahl war nach dem Namen unter der Rubrik „Art der Beschäftigung im Betrieb“ bei einer Bewerberin „Betriebsratsvorsitzende / Sachbearbeiterin Medical“ und bei einem Bewerber „Stellv. Betriebsratsvorsitzender / Außendienst“ aufgeführt.
Außerdem wurde die Bewerberliste auf dem Stimmzettel teilweise auf der Rückseite des Stimmzettels fortgesetzt: Die verwendeten Stimmzettel waren beidseitig bedruckt; auf der Vorderseite waren neun Kandidaten vermerkt, auf der Rückseite 16. Auf der Vorderseite befand sich hervorgehoben der Aufdruck „Bitte Wenden! Please turn!“. Zudem enthielt der Stimmzettel einen Hinweis, wonach er in einer Weise zu falten ist, dass die abgegebene Stimme nicht erkennbar ist. Dieser Hinweis war nicht hervorgehoben.
Durch den Zusatz „Betriebsratsvorsitzende“ bei der Kandidatin und den Zusatz „stellvertretender Betriebsratsvorsitzender“ bei dem Kandidaten hat der Wahlvorstand gegen § 20 Abs. 2 WO verstoßen. Schon die Formulierung des Paragrafen spreche dafür, dass dort die in den Stimmzettel aufzunehmenden Angaben abschließend festlegt sind.
Ein weiterer Verstoß gegen § 20 Abs. 2 WO liegt darin, dass der Stimmzettel nur einen Teil der Betriebsratskandidaten (neun Bewerber) auf der Vorderseite des Stimmzettels auflistet, einen weiteren Teil (16 Bewerber) auf der Rückseite. Zwar ist in § 20 Abs. 2 WO nicht ausdrücklich gefordert, den Stimmzettel nur einseitig zu bedrucken. Allerdings regelt die Vorschrift, dass die Bewerber in genau derselben Reihenfolge auf dem Stimmzettel benannt werden müssen, wie sie in der Vorschlagsliste aufgeführt sind. Wird die Reihenfolge verändert, berechtigt dies zur Wahlanfechtung. Die Reihenfolge ist aber nicht nur verändert, wenn auf dem Stimmzettel ein Austausch der Positionen erfolgt. Es ist die Reihenfolge der Vorschlagsliste auch dann nicht mehr eingehalten, wenn die Bewerber nicht alle nacheinander auf einer Seite fortlaufend genannt werden, sondern ein Teil der Kandidaten auf der Rückseite des Stimmzettels aufgeführt ist. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der strengen Vorgabe zur Reihenfolge der Bewerber in § 20 Abs. 2 WO.
Gemäß § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Betriebsratswahl, wenn durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
Mittels der notwendigen hypothetischen Betrachtungsweise ist nicht feststellbar, dass sich ohne den Zusatz „Betriebsratsvorsitzende“ bzw. „stellvertretender Betriebsratsvorsitzender“ zwingend dasselbe Wahlergebnis – im Sinne der Zusammensetzung des Betriebsratsgremiums – ergeben hätte. Umgekehrt lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, dass die beiden Kandidaten auch ohne den Hinweis auf ihre Betriebsratstätigkeit auf den Stimmzetteln jedenfalls mindestens so viele Stimmen erhalten hätten, dass sie sicher Betriebsratsmitglied geworden wären. Gerade erstmals Wahlberechtigte neue Mitarbeiter oder in Betriebsratsfragen unerfahrene Mitarbeiter werden durch die Angaben beeinflusst.
Auch bezüglich der Aufteilung der Kandidaten auf Vorder- und Rückseite des Stimmzettels kann nicht festgestellt werden, dass sich dieser Umstand mit Sicherheit nicht auf das Wahlergebnis ausgewirkt hat. Von den insgesamt neun auf der Vorderseite aufgelisteten Bewerbern wurden acht Personen in den Betriebsrat gewählt, von den insgesamt 16 Kandidaten auf der Rückseite waren dies nur sieben. Die Bewerber auf der Vorderseite des Stimmzettels konnten nahezu alle (bis auf einen Bewerber) jeweils deutlich mehr als 100 Stimmen erzielen, zum Teil fast die doppelte Anzahl. Bei den Bewerbern auf der Rückseite ergibt sich ein deutlich gemischteres Bild. Nahezu die Hälfte der Bewerber (nämlich sieben Personen) hat jeweils weniger als hundert Stimmen erhalten, zum Teil deutlich weniger. Man kann nicht sicher ausschließen, dass die Position auf der Vorderseite einen Vorteil verschafft hat.
Dieser in der Praxis immer wieder anzutreffenden Thematik ist auch durch eine Kontrolle und Überprüfung der von vergangenen Betriebsratswahlen übernommenen Arbeitshilfen, Vorlagen und eingeübten Vorgehensweisen und Kommunikation an alle Beteiligten entgegenzuwirken. (dz)