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Will der Arbeitgeber in seinem Betrieb innerhalb von 30 Kalendertagen eine größere Anzahl von Arbeitnehmern entlassen, so muss er dies unter Berücksichtigung der Schwellenwerte nach § 17 KSchG bei der Agentur für Arbeit als Massenentlassung anzeigen. Zu den Kündigungen, welche zu einer Massenentlassung führen können, gehören neben den betriebsbedingten Kündigungen auch personen- und krankheitsbedingte Kündigungen. Verletzt der Arbeitgeber seine Anzeigepflicht, sind die Kündigungen unwirksam.
LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2021, 7 Sa 405/21
Der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberin streiten über die Wirksamkeit zweier krankheitsbedingter Kündigungen. Der Arbeitnehmer arbeitet bei der Arbeitgeberin als Luftsicherheitsassistent in einem 6-2-Schichtsystem. Das Unternehmen erbringt Sicherheitsdienstleistungen am Flughafen Düsseldorf und beschäftigt in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin trug vor, dass der Arbeitnehmer wie folgt in den Jahren 2018 bis 2020 arbeitsunfähig erkrankt war: 2018: 61 Tage, 2019: 74 Tage und 2020: 45 Tage. Die Arbeitgeberin kündigte dem Arbeitnehmer am 27.11.2020 zum 30.04.2021. Insgesamt sprach sie im Zeitraum vom 25.11.2020 bis zum 22.12.2020 in ihrem Betrieb 34 Kündigungen aus krankheitsbedingten Gründen aus. Eine Anzeige bei der Agentur für Arbeit erstattete sie nicht. Mit Schreiben vom 22.01.2021 kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers hilfsweise erneut zum 30.06.2021. Der Arbeitnehmer hält beide Kündigungen für unwirksam.
Beide Kündigungen sind rechtsunwirksam. Die erste Kündigung scheitert bereits an der fehlenden Massenentlassungsanzeige. Nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck von § 17 KSchG besteht die Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit auch bei krankheitsbedingten Massenentlassungen. Unabhängig davon seien beide Kündigungen unwirksam, weil sie nicht die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Anforderungen für krankheitsbedingte Kündigungen aufgrund häufiger Kurzzeiterkrankungen erfüllen würden. Die konkreten Krankheitszeiten, die im Jahr 2020 wieder zurückgegangen sind, begründen nicht die notwendige negative Gesundheitsprognose. Das Gericht sah auch keine unzumutbaren wirtschaftlichen Belastungen der Arbeitgeberin. Diese musste nur in einem Jahr Entgeltfortzahlungskosten von mehr als 42 Tagen aufwenden. Die aufgrund von krankheitsbedingten Ausfällen auch kurzfristig erforderliche Anpassung des Dienstplans allein begründe keine erhebliche Betriebsablaufstörung. Dabei handle es sich um eine Maßnahme, die jedem krankheitsbedingten Arbeitsausfall immanent sei.
Beschäftigt ein Arbeitgeber mindestens 500 Arbeitnehmer, muss er der Agentur für Arbeit eine Massenentlassung anzeigen, bevor er mindestens 30 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Dass hierbei auch personenbedingte und krankheitsbedingte Kündigungen zu berücksichtigen sind, ebenso wie Aufhebungsverträge, die auf Veranlassung des Arbeitgebers geschlossen werden, wird gern von Arbeitgebern übersehen.
Aus diesem Grund sollten Sie als Betriebsrat besonders aufmerksam sein, wenn in einem engen Zeitfenster mehrere Arbeitsverhältnisse beendet werden. Ist die Grenze zur Massenentlassung überschritten, ist der Arbeitgeber nämlich auch verpflichtet, dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn umfassend schriftlich zu unterrichten. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen sich beraten, um Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.
Übrigens: Das LAG hat die Revision nicht zugelassen, weil beide Kündigungen bereits auf der Grundlage der Rechtsprechung des BAG zu häufigen Kurzzeiterkrankungen unwirksam sind. (sf)