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Die Elternzeit und damit das Kündigungsverbot während der Elternzeit enden, sobald eine der inhaltlichen Voraussetzungen der Elternzeit, z.B. wegen des Wechsels der Betreuungsperson, nachträglich wegfällt. Auf die Zustimmung der Arbeitgeberin kommt es dabei nicht an.
LAG Baden-Württemberg Urteil vom 17.9.2021, 12 Sa 23/21
Die Arbeitnehmerin ist seit 2009 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlich, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Im Jahr 2019 wurden die Zwillinge der Arbeitnehmerin geboren. Nach Ablauf der Mutterschutzfrist befand sie sich in Elternzeit, die bis zum 29. April 2022 vorgesehen war. Im November 2019 wurde eine Teilzeittätigkeit während der Elternzeit für den Zeitraum April 2020 bis 2021 vereinbart.
Im Mai 2020 teilte das zuständige Amtsgericht der Arbeitgeberin mit, dass für die Arbeitnehmerin eine Betreuung angeordnet war. Daraufhin lehnte die Arbeitgeberin die Beschäftigung der Arbeitnehmerin ab. Die Arbeitnehmerin wurde gebeten, zunächst ein ärztliches Attest einzureichen, welches ihre vollständige Arbeitsfähigkeit bestätige.
In der ersten Jahreshälfte 2020 verließ der Ehemann der Arbeitnehmerin mit den drei Kindern auf Anweisung des Jugendamts das Haus der Familie. Zumindest in den Monaten Januar, März und Mai lebten die Kinder nicht bei der Arbeitnehmerin. Im Juli 2020 erschienen auf dem Facebook-Account der Arbeitnehmerin zahlreiche Posts zu Beschäftigten der Arbeitgeberin und einem Vorstandsmitglied. Die Posts enthielten die Namen und Fotografien der betroffenen Personen. Jeder Facebook-Nutzer konnte die Posts einsehen. Das Landesarbeitsgericht wertete im Verfahren die Posts als grobe Beleidigungen und üble Nachreden, da die Klägerin
Die Arbeitgeberin erlangte Kenntnis von den Facebook-Posts und kündigte das Arbeitsverhältnis form- und fristgerecht außerordentlich sowie vorsorglich ordentlich.
Das Amtsgericht hatte in der Familiensache entschieden, der Arbeitnehmerin eine Wohnung außerhalb des Hauses der Familie zuzuweisen. Auf Grund dieser Entscheidung verließ die Arbeitnehmerin am 24. Juli 2020 das Haus der Familie.
Die außerordentliche Kündigung der Arbeitnehmerin ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen das Kündigungsverbot des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG). Der Arbeitgeberin war es auf Grund der Posts auf dem Facebook-Account der Klägerin bei Berücksichtigung aller Umstände und der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist aufrechtzuerhalten.
Die außerordentliche Kündigung vom 24. Juli 2020 ist nicht gemäß § 134 BGB i.V. mit § 18 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 1 BEEG unwirksam. Das Kündigungsverbot gilt auch für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Kündigung während der Elternzeit bei demselben Arbeitgeber Teilzeitarbeit leisten. Das Gericht stellte fest, dass sich die Arbeitnehmerin, die mit der Beklagten eine Teilzeitbeschäftigung vereinbart hatte, bei Zugang der außerordentlichen Kündigung nicht mehr in der Elternzeit befand. Sie war am Vortag aus dem Haus der Familie ausgezogen und betreute ihre Kinder nicht mehr. Damit waren die Voraussetzungen des Anspruchs auf Elternzeit entfallen.
Die Elternzeit endet, wenn eine der Anspruchsvoraussetzungen nachträglich entfällt. Beschäftigte haben nach den Regeln des BEEG das Recht, bei Einhaltung der Form- und Fristvorschriften Elternzeit in Anspruch zu nehmen und damit eine Freistellung von der vertraglichen Arbeitspflicht zu erwirken, ohne dass es dazu einer Erklärung des Arbeitgebers bedarf. Dieses Recht wird zwar nur einmal vor Beginn der Elternzeit ausgeübt. Seine Rechtswirkungen könne aber grundsätzlich nur so lange fortdauern, wie seine Voraussetzungen bestehen. Besteht der Zweck der Elternzeit darin, dass sich ein Elternteil der Betreuung und Erziehung des Kindes widmen kann, hat sie auch faktisch keine Grundlage mehr, wenn die Betreuung des Kindes auf eine andere Person übergeht.
Das Ende der Elternzeit bei nachträglichem Wegfall einer Voraussetzung hängt auch nicht von der Zustimmung des Arbeitgebers ab. Die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG kommt in diesen Fällen nicht zur Anwendung. Die Elternzeit endet auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig, wenn die Voraussetzungen der Elternzeit nach dem BEEG, das Zusammenleben mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt und die Betreuung des Kindes, nachträglich entfallen.
Hiervon ausgehend endete die Elternzeit der Arbeitnehmerin spätestens am 24. Juli 2020. Mit dem - vom Amtsgericht erzwungenen - Auszug aus dem Haus der Familie bestand kein gemeinsamer Haushalt mehr mit den Zwillingen. Ohne bei den Kindern zu wohnen, konnte die Arbeitnehmerin diese auch nicht mehr betreuen. Sorgerecht und regelmäßiger Kontakt können nicht mit einer fortdauernden Kindesbetreuung gleichgesetzt werden. Die Arbeitnehmerin befand sich am 25. Juli 2020, bei Zugang der Kündigung, nicht mehr in der Elternzeit.
Da LAG Baden-Württemberg hat die Revision zugelassen. Über den weiteren Verfahrensverlauf werden wir berichten.
Vorschriften:
134 Gesetzliches Verbot
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
§ 16 Absatz 3 Satz 1 BEEG
(3) Die Elternzeit kann vorzeitig beendet oder im Rahmen des § 15 Absatz 2 verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt.
§ 18 Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 Nr. 1 BEEG
(1) Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, nicht kündigen. Der Kündigungsschutz nach Satz 1 beginnt … .
Während der Elternzeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. …
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen
1. während der Elternzeit bei demselben Arbeitgeber Teilzeitarbeit leisten …