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Zuständigkeit der Einigungsstelle für die Ausgestaltung mobiler Arbeit

Betriebsräten stehen umfassende Beteiligungsrechte zu, die auch bei mobiler Arbeit greifen. Das gilt unter anderem für die Bereiche Arbeitsschutz, Arbeitszeit und den Einsatz von Überwachungstechnik. Der Betriebsrat hat daher auch ein Recht, die Initiative zu ergreifen und zur Herbeiführung einer Regelung die Einigungsstelle anzurufen. Auch die Homeofficepflicht nach den jeweils gültigen Corona-Schutz-Maßnahmen (aktuell in § 28 b IV 1 Infektionsschutzgesetz) sperrt eine betriebliche Regelung zur mobilen Arbeit nicht, da sich diese Vorschriften immer nur auf die sogenannte Homeofficepflicht während der Pandemie bezieht und nicht auf mobile Arbeit im Allgemeinen.

LAG Köln, Beschluss vom 23.04.2021 – 9 TaBV 9/21

Stand:  8.2.2022
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Das ist passiert:

Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle im Zusammenhang mit mobilem Arbeiten. Die Arbeitgeberin, ein Postunternehmen, unterhält einen eigenen Renten-Service mit ca. 650 Arbeitnehmern. Jedenfalls seit Beginn der Corona-Pandemie arbeiten verschiedene Beschäftigte des Unternehmens ganz oder teilweise außerhalb der Betriebsstätte. Die Arbeitgeberin und der zuständige Betriebsrat nahmen Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten auf. Der Betriebsrat legte hierzu den Entwurf einer entsprechenden Betriebsvereinbarung vor.

Als der Betriebsrat die Verhandlungen als gescheitert betrachtete, beschloss er, „gerichtlich eine Einigungsstelle zur Aufstellung einer Betriebsvereinbarung 'Mobiles Arbeiten' zu betreiben“ und damit seine jetzigen Verfahrensbevollmächtigten zu beauftragen“.

Das zuständige Arbeitsgericht hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen und dies damit begründet, dass der Antrag nicht hinreichend bestimmt sei. Der Betriebsrat verfolgte sein Ansinnen im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens weiter.

Das entschied das Gericht:

Das LAG Köln hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufgehoben und eine Einigungsstelle eingesetzt. Dazu erklärte das Gericht erklärte unter anderem: Der Begriff „mobiles Arbeiten“ hätte sich mittlerweile - unabhängig von dem der Antragsschrift beigefügten Entwurf einer Betriebsvereinbarung - zu einem juristisch hinreichend klar umrissenen Terminus entwickelt. Er umfasse nicht nur die Tätigkeit im Home-Office. Ein Arbeitnehmer arbeite vielmehr immer dann mobil, wenn er oder sie die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informationstechnologie außerhalb der Betriebsstätte von Orten seiner Wahl oder von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort erbringt.

Die Arbeitgeberin hätte auch deutlich gemacht, dass sie keine betriebliche Regelung zu dem Themenkomplex wünscht. Sie hatte auf die bestehenden Betriebsvereinbarungen, tariflichen Regelungen sowie auf die Homeofficepflicht nach den jeweils gültigen Corona-Schutz-Maßnahmen (aktuell in § 28b Abs. 4 S. 1 Infektionsschutzgesetz) als ihrer Ansicht nach „abschließende gesetzliche Regelung“ verwiesen.

Die geltend gemachten Regelungsgegenstände unterliegen der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats, so das Gericht. Den Betriebsräten stünden auch ohne eine gesetzliche Anpassung umfassende Beteiligungsrechte zu, die auch bei mobiler Arbeit greifen:

  1. Für den Bereich „Arbeitsschutz“ ergibt sich dies aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.
  2. Die Festlegung der Arbeitszeit unterliege nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG der Mitbestimmung.
  3. Der Einsatz von Überwachungstechnik ist gemäß § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
  4. Gemäß § 97 Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn ein Arbeitgeber Maßnahmen plant oder durchführt, die dazu führen, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen, was bei mobilem Arbeiten der Fall sein kann.
  5. Die Aufstellung von Beurteilungsbedingungen unterliegt nach § 94 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Die Arbeitgeberin kann auch nicht einwenden, dass dem Betriebsrat in Bezug auf mobile Arbeit kein Initiativrecht zustehe. Grundsätzlich begründen erzwingbare Mitbestimmungsrechte Initiativrechte des Betriebsrats, so das Gericht. Mitbestimmung bedeute gleiche Rechte für beide Teile mit der Folge, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat die Initiative für eine erstrebte Regelung ergreifen und zu deren Herbeiführung erforderlichenfalls die Einigungsstelle anrufen könne.

Der Arbeitgeber dürfe zwar grundsätzlich allein entscheiden, ob er die Möglichkeit der mobilen Arbeit eröffnet. Diese Frage stünde hier aber nicht zur Debatte. Dem Betriebsrat gehe es um die Ausgestaltung der mobilen Arbeit. Von Bedeutung ist insofern nur, dass die Arbeitgeberin bereits von sich aus bestimmten Arbeitnehmern eine Tätigkeit außerhalb der Betriebsstätte gestattet hat. Selbst wenn ihre Entscheidung darüber, wer außerhalb der Betriebsstätte arbeiten darf, individuellen Besonderheiten Rechnung getragen haben mag, begründet die Gestaltung dieser Arbeitsplätze und Einbindung dieser Arbeitnehmer in die Betriebsabläufe den notwendigen kollektiven Bezug für das Entstehen der Mitbestimmungsrechte.

Praxishinweis:

Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich den § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ins Leben gerufen. Die Entscheidung ist aber auch auf die neue Rechtslage übertragbar. Danach hat der Betriebsrat ein unmittelbares eigenes Mitbestimmungsrecht. Das bezieht sich allerdings nur auf die Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die Entscheidung über die Einführung der mobilen Arbeit verbleibt weiterhin allein beim Arbeitgeber. Das neue Mitbestimmungsrecht bildet einen Auffangtatbestand für alle Regelungen, mit denen mobile Arbeit gestaltet werden kann. Die bereits bestehenden Mitbestimmungsrechte gelten unverändert weiter. Zur mobilen Arbeit gehört auch das Home-Office, über dessen Ausgestaltung der Betriebsrat jetzt mitbestimmen kann. (sf)