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Öffentliche Arbeitgeber: Einladungspflicht zum Bewerbungsgespräch trotz Zweifel an der Eignung

Die Verletzung der in  § 165 Satz 3 SGB IX geregelten Verpflichtung, im öffentlichen Dienst schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen Schwerbehinderung. Von einer Einladung kann nur abgesehen werden, wenn der Bewerber „offensichtlich” fachlich ungeeignet ist, d.h. dem geforderten Anforderungsprofil unzweifelhaft nicht entspricht. Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung genügen hierbei nicht, denn diese lassen sich im Vorstellungsgespräch ggf. ausräumen.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern vom 07.01.2020 – 5 Sa 128/19

Stand:  5.3.2020
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Der schwerbehinderte Mensch soll die Chance erhalten, sich im Bewerbungsgespräch zu präsentieren und den Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen.

Eine Vielzahl an erfolglos versandten Bewerbungen und diverse Entschädigungsprozesse lassen nicht zwingend auf rechtsmissbräuchliches Handeln des Bewerbers schließen.

Das ist passiert:

Der Kläger bewarb sich bei einer Gemeinde auf eine ausgeschriebene Tätigkeit als Betriebsleiter. Laut Stellenausschreibung war ein abgeschlossenes Studium in den Fächern BWL, Tourismus, Marketing oder Kommunikation bzw. ein vergleichbarer Abschluss notwendig. Berufliche Erfahrungen war ausdrücklich erwünscht. In seinem Anschreiben hat der Kläger auf seine Gleichstellung hingewiesen, der entsprechende Bescheid war beigefügt. Laut Lebenslauf war er sowohl im Polizeivollzugsdienst als auch im Straßenverkehrsamt tätig gewesen; daneben hatte er einen Masterstudiengang u.a. mit den Fächern Marketing, Controlling und Personalmanagement belegt.

Die beklagte Gemeinde prüfte die Bewerbung, lud den Kläger jedoch nicht zum Vorstellungsgespräch ein. Dieser verlangte eine Entschädigung, da er vermutete, aufgrund seiner Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Die Gemeinde behauptete, sie habe den Hinweis auf die Gleichstellung übersehen und diese Tatsache somit gar nicht in ihre Entscheidung einbezogen. Daher könne man nicht von einer Benachteiligung wegen Behinderung ausgehen.

Das sagt das Gericht:

Sowohl Arbeitsgericht als auch Landesarbeitsgerichgericht gaben der Klage des Bewerbers statt. Als Bewerber ist der Kläger nach § 6 Absatz 1 Satz 2 AGG einem Beschäftigten gleichzusetzen. Er kann daher Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG verlangen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG vorliegt.

Die Richter wiesen darauf hin, dass der Kläger wegen der Beweiserleichterung des AGG nur die Indizien beweisen muss, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Die andere Seite trägt dann die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen habe.

Die Vermutung einer Benachteiligung wegen Behinderung folgte bereits aus dem Verstoß gegen § 165 Satz 3 SGB IX: Gegen diese Vorschrift hatte die beklagte Gemeinde verstoßen, da der Hinweis auf die Gleichstellung dem Bewerbungsanschreiben deutlich zu entnehmen war, die Behinderung der Gemeinde somit bekannt war. Auch die Studieninhalte des Masterstudienganges entsprachen nach Auffassung der Richter dem geforderten Anforderungsprofil, so dass der Kläger für die ausgeschriebene Stelle fachlich geeignet war.

Diese Vermutung konnte die beklagte Gemeinde nicht widerlegen. Die Richter bezogen sich hier auf die Grundsätze, die das BAG zum Widerlegen einer solchen Vermutung aufgestellt hat: Voraussetzung ist, „dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Bewerbers berühren“ (BAG, Urteil vom 20. Januar 2016 – 8 AZR 194/14). Diesen Nachweis konnte die Gemeinde nicht erbringen. Bei ihrem Vortrag, sie habe den Hinweis auf die Schwerbehinderung schlichtweg übersehen, handelt es sich gerade nicht um einen Umstand, der keinen Bezug zur Behinderung aufweist.

Einen möglichen Rechtsmissbrauch im Hinblick auf die Vielzahl von Bewerbungen und die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen seitens des Klägers konnte die Gemeinde nicht nachweisen.

Der Kläger hatte daher einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Absatz 2 AGG.