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Die Betriebsparteien können den Kreis derjenigen schwerbehinderten Arbeitnehmer, die eine Sonderleistung im Rahmen des Sozialplans erhalten sollen, anders definieren als nach dem Schwerbehindertengesetz. Auch eine entsprechende Stichtagsregelung, an der die hierfür vereinbarten Voraussetzungen vorliegen müssen, ist zulässig und verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25.06.2024, 2 Sa 163/23
Die Parteien streiten um einen Zuschlag aus einem Sozialplan wegen Schwerbehinderung. Der Sozialplan sah u.a. vor:
Schwerbehinderte ab einem GdB von einschließlich 50 erhalten einen Zuschlag von 5.000,00 € (Voraussetzung ist ein gültiger Schwerbehindertenausweis). (…) Leistungen aus dem Sozialplan, werden bei Ausscheiden des Mitarbeiters grundsätzlich mit der letzten Monatsabrechnung fällig. (…) Leistungen aus diesem Sozialplan sind ausgeschlossen, wenn der Mitarbeiter den Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von drei Monaten nach seinem Ausscheiden bei T. schriftlich geltend macht (…).
Die Arbeitgeberin kündigte der Klägerin das Arbeitsverhältnis am 15.06.2022 wegen Standortschließung zum 31.01.2023.
Am 19.09.2022 ging der Änderungsantrag der Klägerin auf Feststellung einer Behinderung bei dem Landesamt für Gesundheit und Soziales ein. Am 17.07.2023 bestätigte das Landesamt, dass bei der Klägerin ein GdB von 50 seit dem 01.01.2022 vorliegt. Mit E-Mail vom 31.07.2023 teilte die Klägerin der Beklagten das Ergebnis der Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft mit und forderte die Auszahlung des Zuschlages aus dem Sozialplan in Höhe von 5.000,00 €. Die Beklagte verweigerte die begehrte Auszahlung.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, „zwar lägen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Zulagenzahlung nach dem Sozialplan vor, allerdings habe die Klägerin die Ausschlussfrist des Sozialplanes nicht gewahrt, so dass ihr Anspruch ausgeschlossen sei.“
Auch die Berufung blieb erfolglos. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ging das LAG davon aus, dass bereits ein Zahlungsanspruch der Klägerin auf den Zuschlag wegen Schwerbehinderung aus dem Sozialplan nicht entstanden sei. Zu Recht habe das Arbeitsgericht aber angenommen, dass ein gegebenenfalls bestehender Zahlungsanspruch nach der im Sozialplan vorgesehenen Ausschlussfrist verfallen und deshalb erloschen sei, weil eine rechtzeitige Geltendmachung durch die Klägerin nicht vorläge.
Zur Frage, wie die Formulierung im Sozialplan „Voraussetzung ist ein gültiger Schwerbehindertenausweis“ rechtlich zu werten sei, argumentiert das Arbeitsgericht, diese Aussage sei „nicht fälligkeitsbestimmend, sondern diene lediglich als Nachweis des Vorliegens der Voraussetzung für eine Zahlung.“
Dieser Ansicht schließt sich das LAG nicht an und legt den strittigen Passus im Sinne des Arbeitgebers aus: Die Betriebsparteien hätten durch die Regelung im Sozialplan festgelegt, dass die Vorlage eines gültigen Schwerbehindertenausweises Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Zuschlagzahlung zum Stichtag des Ausscheidens gewesen sei. Alleinige Voraussetzung des erhöhten Anspruchs war nicht das Vorliegen einer Schwerbehinderung zum Zeitpunkt des Ausscheidens, diese Voraussetzung ist durch die rückwirkende Anerkennung unstreitig erfüllt, sondern das Vorliegen eines behördlichen Nachweises zum Zeitpunkt des Ausscheidens.
Gegen die Anwendung von Stichtagsregelungen in Sozialplänen hat das Gericht keine rechtlichen Bedenken und begründet dies mit der Zielsetzung von Sozialplänen: Sozialplanzahlungen gewähren „keine Entschädigung für geleistete Dienste, sondern sollen konkret absehbare oder eintretende betriebsänderungsbedingte Nachteile ausgleichen. Diese Nachteile sollen zum Stichtag konkret absehbar sein. Das trifft auf eine zum Zeitpunkt des Ausscheidens noch nicht bestehende Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft, sondern eine solche erst später vorliegende, allerdings rückwirkende Feststellung nicht zu. Zum Zeitpunkt des Stichtages bestand Ungewissheit, ob eine Schwerbehinderung von einem GdB von 50 oder mehr anerkannt werden würde. Infolgedessen waren zum Zeitpunkt des Stichtages konkrete Nachteile für die Klägerin nicht absehbar, welche einen Ausgleich gerechtfertigt hätten.“
Die Sozialplanregelung verstößt auch nicht gegen § 75 Abs. 1 BetrVG. Nach dieser Regelung - die auch für Betriebsvereinbarungen gilt - haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Dazu gehört auch der allgemeine Gleichheitssatz, der verletzt wird, wenn eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund vorgenommen wird. Die Richter konnten hier keinen derartigen Verstoß erkennen, obwohl Nutznießer des Sozialplans nur die schwerbehinderten Arbeitnehmer waren, die zum Stichtag einen entsprechenden Ausweis vorlegen konnten und die Klägerin „leer ausging“, weil Ihre Sb-Eigenschaft erst später rückwirkend festgestellt worden war (s. auch BAG, Urteil vom 19.04.1983 – 1 AZR 498/81).
Auch die unterschiedliche „Wertung“ bei einem Sozialplan im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen ist rechtlich nicht zu beanstanden, so die Richter: „Soweit es um die Rechte nach dem Schwerbehindertengesetz geht, ist zwar die Schwerbehinderteneigenschaft mit dem entsprechenden Schutz gegeben, sobald die Voraussetzungen einer Schwerbehinderung objektiv vorliegen, ohne dass es auf eine förmliche Anerkennung der Schwerbehinderung ankommt. Bei dem Sozialplananspruch geht es jedoch nicht um einen Anspruch auf Grund des Schwerbehindertengesetzes, sondern es geht um die Frage, ob Schwerbehinderten zum Ausgleich besonderer Nachteile eine Abfindungszulage zukommen soll. Hier ist es den Betriebspartnern gestattet, bei der Aufstellung eines Sozialplanes den Kreis der Schwerbehinderten, denen sie Sonderleistungen zukommen lassen wollen, anders abzugrenzen als dies nach dem Schwerbehindertengesetz der Fall ist, sofern diese andere Abgrenzung nicht willkürlich ist (vgl. BAG, Urteil vom 19.04.1983 – 1 AZR 498/81).“
Die hier vorliegende Formulierung mit Stichtagscharakter erfüllt auch die Anforderungen an eine derartige Regelung, wie sie das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat: „Jede Stichtagsregelung bringt unvermeidbar gewisse Härten mit sich. Solche müssen hingenommen werden, wenn die Einführung des Stichtags grundsätzlich und die Wahl des Zeitpunktes sich am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist.“
Dies war hier der Fall, so die Richter: „Bei der Aufstellung eines Sozialplanes sind einerseits die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen und andererseits die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Leistungen des Sozialplanes für das Unternehmen. Es liegt im Interesse des Unternehmens kurzfristig zu wissen, welche finanziellen Belastungen auf es zukommen und welche Mittel es in wirtschaftlich vertretbarer Weise zur Verfügung stellen kann. (…). Es ist deshalb sachlich vertretbar und damit nicht willkürlich, wenn die Betriebsparteien bei Aufstellung des Sozialplanes nur für solche Arbeitnehmer eine Zuschlagszahlung zur Abfindung vorsehen, deren Schwerbehinderteneigenschaft zum Zeitpunkt des Ausscheidens feststeht.“
Weil somit ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist, kann die Klägerin sich nicht auf das Gleichbehandlungsgebot berufen, um ebenfalls Ansprüche aus dem Sozialplan geltend zu machen (gs).