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Dürfen Videoaufnahmen des Arbeitgebers in einem Kündigungsprozess wegen des Vorwurfs des Arbeitszeitbetrugs als Beweis verwertet werden? Nein, so das LAG Niedersachen: Die Videoüberwachung am Firmen-Eingangstor ist grundsätzlich ungeeignet, um die geleistete Arbeitszeit der Mitarbeiter zu kontrollieren.
LAG Niedersachsen, Urteil vom 06.07.2022, 8 Sa 1150/20
Achtung: Zu diesem Urteil gibt es mittlerweile eine neue Rechtsprechung vom 29. Juli 2023!
Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlich ausgesprochenen, verhaltensbedingten Kündigung. Der Kläger, Mitarbeiter einer Gießerei, soll laut Vorwurf des Arbeitgebers mehrfach seinen Arbeitsplatz unerlaubt vorzeitig verlassen haben. Nach einem anonymen Hinweis an den Arbeitgeber im Juni 2019 über ein Whistleblowing-System stellte dieser mit den Daten aus einer Videoüberwachung am Eingangstor der Firma sowie über die elektronische Zeiterfassung entsprechende Nachforschungen an und sprach eine fristlose Kündigung aus.
Die Kündigung war unwirksam, so die Richter. Grundsätzlich kann eine vorsätzlich falsche Erfassung von Arbeitszeiten zwar einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen. Beweisen muss diesen Arbeitszeitbetrug allerdings der Arbeitgeber. Die Videoaufnahmen des Arbeitgebers durften in diesem Fall aber nicht als Beweis im Kündigungsschutzverfahren verwertet werden, ebenso wenig wie die Daten aus der elektronischen Zeiterfassung. Es bestand ein Beweisverwertungsverbot:
Für die elektronische Zeiterfassung in Gestalt eines „elektronischen Hakens“, der der frühzeitigen Information der betrieblichen Vorgesetzten über die Anwesenheit dienen sollte, gab es die Regelung in einer Betriebsvereinbarung, dass keine personenbezogene Auswertung der Daten erfolgt. Diese Regelung sei so auszulegen, dass eine personenbezogene Auswertung über die Kenntnisnahme der Vorgesetzen hinaus ausdrücklich nicht erfolgen darf. Der Kläger genieße insofern Vertrauensschutz.
Auch in Bezug auf die Videoaufzeichnungen schob das Gericht der Verwertung einen Riegel vor. Die Heranziehung, Betrachtung und Auswertung der Videoaufzeichnungen am Firmentor, um herauszufinden, ob der Kläger das Betriebsgelände betreten und verlassen hat, stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten dar (vgl. § 26 Abs. 1 BDSG). Diese war aber weder für die Durchführung noch für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder für die Aufdeckung einer Straftat erforderlich. Aufzeichnungen der Videokameras dokumentieren lediglich den Zutritt von Arbeitnehmer auf das Werksgelände sowie das Verlassen desselben, so das Gericht. Damit könne nicht auf die Anwesenheit am Arbeitsplatz geschlossen werden. Die Datenerhebung war zudem unzulässig, weil sie sachlich und zeitlich in erheblicher Weise in das Persönlichkeitsrecht (Art. 1 GG) des Klägers eingreift. Hinweisschilder der Videoüberwachung wiesen eine Speicherdauer von maximal 96 Stunden aus. Der Arbeitgeber habe gegen seine eigene Regelung der Speicherdauer verstoßen, da zwischen dem Vorfall im Mai 2018 und der Auswertung des Videomaterials im Juni 2019 mehr als ein Jahr vergangen war. Dies sei ein eklatanter Verstoß gegen Grundsätze der Datenminimierung und Speicherbegrenzung.
Dies ist wieder einmal ein Beispiel, wie wichtig es ist, Beschäftigtendaten datenschutzkonform zu verarbeiten – diesmal wohl aus Arbeitgebersicht.
Mancher Arbeitgeber könnte nun wegen der Videos noch auf die Idee kommen, die Personen, die sich die Videoaufzeichnungen angesehen hatten, als Zeugen zu vernehmen. Aber auch dem schob das Gericht einen Riegel vor: Das Verwertungsverbot erstreckte sich auch auf die indirekte Verwertung, etwa durch Zeugenaussagen, die über die Beobachtungen berichten sollen, die sich aus der Sichtung der Videoaufzeichnungen ergeben.
Die Revision ist anhängig unter dem Aktenzeichen 2 AZR 299/22. (cbo)