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Fristlose Kündigung und Annahmeverzug: Widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers

Dieses Angebot zur Weiterbeschäftigung war offensichtlich nicht ernst gemeint: Einem Arbeitnehmer wurde fristlos gekündigt, weil der Arbeitgeber es für unzumutbar hielt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Gleichzeitig bot er dem Arbeitnehmer aber zur Vermeidung eines Verzugslohnrisikos die Weiterbeschäftigung an. Damit verhielt er sich widersprüchlich, so das Bundesarbeitsgericht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. März 2023, 5 AZR 255/22

Stand:  2.5.2023
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Das ist passiert

Der Kläger war seit August 2018 als technischer Leiter bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Sein Monatsgehalt betrug 5.250,00 EUR brutto. Laut seinem Arbeitsvertrag konnte er erst nach zwei Jahren ordentlich gekündigt werden.

Mit Schreiben vom 02. Dezember 2019 kündigte die Arbeitgeberin ihm fristlos. Gleichzeitig bot sie ihm an, als Softwareentwickler für noch 3.750,00 Euro brutto monatlich zu arbeiten. Auszugsweise heißt es in dem Schreiben: …“im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 05.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt“. Der Arbeitnehmer lehnte das Angebot ab und erschien auch nicht zur Arbeit.

Am 14. Dezember 2019 kündigte die Arbeitgeberin erneut „außerordentlich zum 17.12.2019 um 12:00 Uhr MEZ“. Außerdem wies sie darauf hin, „im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung“ erwarte sie den Kläger „am 17.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt“. Auch hierauf reagierte der Arbeitnehmer nicht wie angeordnet, sondern erhob Kündigungsschutzklage. Es wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Kündigungen nicht wirksam waren.

Zu Anfang April 2020 trat der Arbeitnehmer eine neue Stelle bei einem anderen Arbeitgeber an. In dem vorliegenden Verfahren geht es um seinen Verzugslohn für Dezember 2019 bis März 2020.

Das entschied das Gericht

Nach Ansicht der Vorinstanzen war der Arbeitnehmer nicht leistungsbereit, weil er das Angebot zur Weiterarbeit nicht angenommen hatte. Dies sah das Bundesarbeitsgericht am Ende anders und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung des streitigen Verzugslohns.

Es habe keines Arbeitsangebots bedurft, so das BAG: Die Arbeitgeberin selbst sei davon ausgegangen, dass ihr eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht zuzumuten war. Dieses widersprüchliche Verhalten sei eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie dem Kläger kein ernstgemeintes Angebot zu einer Prozessbeschäftigung unterbreitet habe. Die Arbeitgeberin befand sich aufgrund ihrer unwirksamen fristlosen Kündigungen im Annahmeverzug, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurft hatte.

Insbesondere lasse die Ablehnung der Arbeitsangebote nach erfolgter Kündigung nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers im Sinne des § 297 BGB schließen. Auch schied im Streitfall aus, dass er sich nach § 11 Nr. 2 KSchG böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen müsste. Wegen der gegen ihn im Rahmen der Kündigungen erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person sei ihm eine Prozessbeschäftigung bei der Arbeitgeberin nicht zuzumuten gewesen.

Bedeutung für die Praxis

Interessant an diesem Fall ist, dass der Arbeitnehmer selbst auch im Kündigungsschutzprozess die vorläufige Weiterbeschäftigung beantragt hatte. Dies änderte die Beurteilung des BAG nicht: Nur wenn der Kläger in einem solchen Fall die Weiterbeschäftigung abgelehnt hätte, hätte er sich seinerseits widersprüchlich verhalten.

Für die Weiterbeschäftigung in der Zeit bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung sei es ein Unterschied, ob der Arbeitnehmer trotz der gegen ihn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung erhobenen (gravierenden!) Vorwürfe weiterarbeiten soll – oder er nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess „rehabilitiert“ in den Betrieb zurückkehren kann. (ah/cbo)

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