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Im Streit um den Besuch von Betriebsratsschulungen holte sich ein BR-Mitglied rechtsanwaltliche Unterstützung, ohne dass dies vorher im Betriebsrat beschlossen wurde. Die Arbeitgeberin beglich die Rechnung und behielt die Kosten vom Lohn des Betriebsratsmitglieds ein. Zwar stellte das BAG fest, dass die Arbeitgeberin nicht in der Pflicht war, die Kosten zu tragen; dennoch durfte sie die Rechtsanwaltskosten nicht vom Arbeitslohn einbehalten und musste diese zurückzahlen.
BAG, Urteil vom 25.10.2023, 7 AZR 338/22
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Gehalt, das die Arbeitgeberin im Dezember 2020 vom Entgelt des Klägers einbehalten hatte.
Der Kläger arbeitet als Busfahrer eines Nahverkehrsunternehmens der Beklagten und ist Mitglied des Betriebsrats. Dieser hatte im Oktober 2019 beschlossen, den Kläger zu zwei Schulungen zu entsenden. Nachdem die Arbeitgeberin der Entsendung widersprochen hatte, erhielt sie im Juni 2020 ein Schreiben einer Anwaltskanzlei, das sie über die Beauftragung zur Geltendmachung von Schulungsansprüchen seitens des Betriebsratsmitglieds informierte. Im Juli 2020 erhielt die Arbeitgeberin hierüber eine Rechnung der Anwaltskanzlei mit dem Gesamtbetrag von 480,12 €. Diese Rechnung leitete die Arbeitgeberin an den Betriebsrat mit dem Hinweis weiter, dass zu der Beauftragung der Anwaltskanzlei ein Beschluss fehle. Ihrer Meinung nach sollte der Betriebsrat die Rechnung an den Kläger übermitteln und dieser sollte die Rechnung selbst begleichen.
Nachdem der Kläger dem nicht nachgekommen war, beglich die Arbeitgeberin die Rechnung und behielt vom Nettogehalt des Klägers für den Monat Dezember 2020 413,90 € ein.
Hiergegen wehrt sich der Kläger. Er ist der Auffassung, die beklagte Arbeitgeberin müsse gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG für die Anwaltskosten aufkommen. Durch den Entsendungsbeschluss des Betriebsrats habe er als BR-Mitglied eine eigene Rechtsstellung zur Durchsetzung des Anspruchs erworben. Deshalb handele es sich um erforderliche Kosten der Betriebsratsarbeit, die die Beklagte zu tragen habe.
Nach zwei widersprüchlichen Entscheidungen vom Arbeitsgericht Stade und dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen landete der Fall jetzt vor dem Bundesarbeitsgericht.
Dieses entschied im Sinne des Betriebsratsmitglieds und sprach ihm die einbehaltene Lohnforderung zu. Dies folgt allerdings nicht daraus, dass es sich bei den Rechtsanwaltskosten um Kosten der Betriebsratstätigkeit handelt, die nach § 40 Abs. 1 BetrVG die Arbeitgeberin trägt. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich nur diejenigen Kosten einer anwaltlichen Tätigkeit zu tragen, die auf eine Beauftragung aufgrund eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses zurückgehen und die dieser für erforderlich halten durfte (vgl. BAG vom 8. März 2023, 7 ABR 10/22).
Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn ein Rechtsstreit allein die Rechtsstellung des einzelnen BR-Mitglieds zum Betriebsrat betrifft, etwa bei einem Ausschussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG.
Wenn es wie im vorliegenden Fall jedoch um die Durchsetzung der Teilnahme an Schulungs- oder Bildungsveranstaltung geht, ist ein Betriebsratsbeschluss notwendig.
Dennoch hat die Arbeitgeberin hier keinen aufrechenbaren Anspruch gegen das Betriebsratsmitglied auf Erstattung der von ihr beglichenen Rechtsanwaltskosten. Es greifen weder die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677ff. 683 ff. BGB) noch das Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB).
Dies führt zu dem paradoxen Ergebnis, dass die Arbeitgeberin zwar nicht für die verursachten Anwaltskosten aufkommen musste, aber dennoch keinen Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht beglichenen Rechnung durchsetzen kann.
Das hat einen rein prozessualen Hintergrund: Für Streitigkeiten, die betriebsverfassungsrechtliche Gegenstände zum Inhalt haben, ist das Beschlussverfahren nach §§ 2a, 80 Abs. 1 ArbGG einschlägig. Streiten Parteien also über die Kostentragungspflicht nach § 40 BetrVG, ist allein das Beschlussverfahren durchzuführen. Anders als im Urteilsverfahren gibt es hier einen Amtsvermittlungs- und Untersuchungsgrundsatz und es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Dadurch, dass die Arbeitgeberin die Rechtsanwaltskosten vom Lohn des BR-Mitglieds einbehielt, zwang sie jenes jedoch dazu, sich im Urteilsverfahren hiergegen zu wehren, denn der Streit über vom Arbeitgeber erhobenen Regressforderungen ist dem Urteilsverfahren zugewiesen.
In diesem Fall verschaffe sich der Arbeitgeber erst die Stellung als Rückgriffgläubiger und verlagert dadurch den Streit über die betriebsverfassungsrechtliche Erforderlichkeit der Kosten und erhalt damit andere verfahrensrechtliche Prinzipien. Dieses Ergebnis wäre weder sach- noch interessengerecht und widerspricht den schutzwürdigen Interessen des Betriebsrats und seiner Mitglieder.
Das Gericht wies ferner darauf hin, dass die Arbeitgeberin, wenn sie der Auffassung ist, dass ihr gegenüber geltend gemachte Rechtsanwaltskosten nicht i.S.d. § 40 Abs. 1 BetrVG erforderlich sind, die Übernahme schlichtweg verweigern kann. (nw)