Liebe Nutzer,

für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.

Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team

Unzulässige Kürzung einer Betriebsratsvergütung bei VW

Es geht um die Kürzung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds bei VW: In den Jahren seiner Freistellung hatte das Unternehmen seine Eingruppierung schrittweise nach oben angepasst. Im Jahr 2023 wurde er plötzlich zurückgestuft und das Gehalt um 639,50 Euro pro Monat gekürzt - aus Sorge vor einer rechtswidrigen Begünstigung. Zu Unrecht, so das LAG Niedersachsen, das damit erstmals in zweiter Instanz einen der vielen aktuell laufenden VW-Fälle entschieden hat.

LAG Niedersachsen, Urteil vom 14.02.2024, 6 Sa 559/23

Stand:  23.4.2024
Teilen: 

Das ist passiert

Wir hatten über den Fall in einem Artikel vom 20.02.2024 berichtet (hier weiterlesen): VW hatte den Kläger, der seit 2002 in Wolfsburg freigestelltes Mitglied im Betriebsrat war, im Februar 2023 rückwirkend ab Oktober 2022 von der Entgeltgruppe 20 (EG 20) auf EG 18 herabgestuft und das Gehalt um 639,50 Euro pro Monat gekürzt. Zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme vor über 20 Jahren war der Kläger in EG 13 eingruppiert. In den Jahren nach seiner Freistellung passte die Beklagte die Eingruppierung des Klägers sukzessive nach oben an und berief sich dabei jeweils auf die Entwicklung der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer. Im Jahr 2015 bot die Beklagte dem Kläger eine Beförderung zum Fertigungskoordinator an, die der Kläger jedoch ablehnte, weil er gerade Vorsitzender eines GBR-Ausschusses geworden war und dieses Amt fortführen wollte.

Zu der Rückstufung im Jahr 2023 sah sich die Beklagte durch das Urteil des BGH vom Januar 2023 wegen der Strafbarkeit rechtswidrig begünstigender Betriebsratsvergütungen veranlasst (BGH vom 10.01.2023 – 6 StR 133/22). Bei der Überprüfung der Gehälter der Betriebsratsmitglieder sei festgestellt worden, dass sich der Median der Vergleichsgruppe des Klägers um 4 Stufen nach oben entwickelt habe, so dass der Kläger korrekterweise von EG 13 auf EG 17 plus eine weitere Stufe aufgrund tariflicher Regelungen einzugruppieren gewesen sei, also EG 18.

Der Kläger verlangte dagegen die Fortsetzung seiner Eingruppierung auf EG 20 und den Differenzausgleich der gekürzten Bezüge.

Das entschied das Gericht

Das Gericht bestätigte das Urteil der Vorinstanz nahezu vollständig und verurteilte VW zur Zahlung der Differenz zur EG 20. Maßgeblich sei nicht die Entwicklung der (strittigen) Vergleichsgruppe, sondern ein unmittelbarer Anspruch des Klägers auf die höhere Vergütung nach den Grundsätzen zur fiktiven Beförderung.

Der Kläger habe erfolgreich dargelegt und beweisen können, dass er gerade und nur wegen seiner Betriebsratstätigkeit einen weiteren beruflichen Aufstieg hin zum Fertigungskoordinator nicht vollzogen hatte, mit dem eine Vergütung nach EG 20 verbunden gewesen wäre. Dieser hypothetischen Betrachtung stehe auch nicht die neue Rechtsprechung des BGH zur Strafbarkeit einer überhöhter Betriebsratsvergütung entgegen. Hierzu führte das LAG Niedersachsen aus: „Zwar mag man die Entscheidung des Bundesgerichtshofes dahingehend interpretieren, dass das Begünstigungsverbot nach § 78 Satz 2 BetrVG verschärft werden sollte, und zwar insoweit, als ein Verstoß bereits dann vorliegt, wenn die Vergütung oberhalb der Vergleichsgruppe erfolgt, obwohl nicht positiv feststeht, dass das Betriebsratsmitglied diese Vergütung auch ohne sein Amt erhalten hätte.“ Jedoch hätte der Bundesgerichtshof nicht über die vorliegende Konstellation zu entscheiden gehabt, ob einem Betriebsratsmitglied die höhere Vergütung nach § 78 Satz 2 BetrVG unter dem Aspekt einer hypothetischen Karriereentwicklung auf Basis eines unstreitigen Stellenangebotes zustehe.

Bedeutung für die Praxis

Die Voraussetzungen einer sogenannten „fiktiven Beförderung“ nach der ständigen Rechtsprechung des BAG sind derart schwer zu begründen, dass in der Literatur teilweise von einer lediglich theoretischen Möglichkeit zur Begründung einer höheren Vergütung gesprochen wird. Denn nach einer abgestuften Beweispflicht muss das Gericht am Ende zu der Überzeugung gelangen, dass das Betriebsratsmitglied die Stelle tatsächlich auch bekommen hätte. Hierzu würdigte das LAG in Hannover gründlich den gewechselten E-Mailverkehr, in dem der Kläger beispielsweise als „Idealbesetzung“ gerühmt wurde. Insofern ist dieser Fall tatsächlich besonders und nicht zu verallgemeinern.

Interessant ist die Würdigung des umstrittenen BGH-Urteils zur Strafbarkeit überhöhter Betriebsratsvergütungen. VW argumentierte, mit Blick auf dieses Urteil wäre eine höhere Vergütung auf Grundlage der hypothetischen Karriere des Klägers der Beklagten nicht möglich gewesen, ohne die Mitglieder der eigenen Unternehmensführung dem Risiko persönlicher Strafbarkeit auszusetzen. Dem trat das LAG Niedersachsen nun ausdrücklich entgegen und ließ zugleich die Revision zum BAG zu. Und während sich dadurch quasi eine argumentative Begegnung der höchsten Gerichte der Straf- und der Arbeitsgerichtsbarkeit anbahnt, geht parallel das Gesetzesverfahren zur Neuregelung der Betriebsratsvergütung in Richtung Ziellinie. Am 22. April 2024 lief dazu eine Ausschuss-Anhörung im Bundestag. In welcher der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes beraten wurde

Man darf gespannt sein, ob und welchen Einfluss die geplante Ergänzung des § 78 BetrVG auf die laufenden Verfahren haben werden. Denn danach soll es zumindest künftig unter bestimmten Voraussetzungen ein Ermessen für die Festlegung einer höheren Vergütung geben. (mb)

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Seminarvorschlag