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Alter allein ist kein Grund für die Ablehnung einer Umschulung

Lohnt sich eine Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahme noch in jedem Alter? Oder ist man ab einer gewissen Zahl an Lebensjahren ohnehin in der Schublade „nicht vermittelbar"?
Bei der Bewilligung von Umschulungen als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat sich in der Praxis leider häufig gezeigt, dass das Lebensalter des Antragstellers ein wesentliches Hindernis darstellt. Dem hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg nun in einem aktuellen Urteil einen Riegel vorgeschoben.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26.07.2007 – L 10 R 5394/06

Stand:  26.7.2007
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Das ist passiert:

Der Antragsteller, ein 45jähriger gelernter Schlosser, konnte aufgrund mehrerer chronischer Leiden nicht mehr in seinem bisherigen Beruf arbeiten und wurde arbeitslos. Da ihm nur noch die Verrichtung leichter Tätigkeiten möglich war, wollte er eine Ausbildung zum Techniker oder Technischen Zeichner machen. So stellte er im August 2004 bei seinem Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation) und gab an, er wolle eine Umschulung durchführen.

Diese Umschulung lehnte der Rentenversicherungsträger jedoch ab. Auf Grund seines derzeitigen Alters von bereits 45 Jahren bestehe bei einer zweijährigen Ausbildungszeit nach Beendigung der Maßnahme keine Möglichkeit der Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt. Es sei unwahrscheinlich, dass ihn ein deutscher Arbeitgeber als beruflichen Neuling mit 47 Jahren anstelle. Vielmehr würden jüngere Arbeitnehmer bei gleichem Ausbildungsstand in der Regel bevorzugt. Kurzum: Der Antragsteller sei zu alt.

Diese Entscheidung hielt der Antragsteller für falsch. Nach erfolglos eingelegtem Widerspruch und Klage beim Sozialgericht legte er schließlich Berufung beim Landessozialgericht ein.
Mit dem mittlerweile auf 67 Jahre heraufgesetztem Renteneintrittsalter habe er noch 20 Jahre vor sich, die er mit seiner Berufstätigkeit ausfüllen müsse. In Anbetracht dessen sei eine Umschulung, die eine Dauer von zwei bis drei Jahren betrage, durchaus angemessen und aus volkswirtschaftlichen Gründen sowie sozialpolitischen Erwägungen erforderlich. Zudem werde in der Wirtschaft wieder über Facharbeitermangel geklagt.

Das sagt das Gericht:

Das Landessozialgericht gab dem Antragsteller Recht: Die Ablehnung durch den Rentenversicherungsträger sei ermessensfehlerhaft und müsse neu getroffen werden.

Fehlerhaft sei das Ermessen durch die Behörde ausgeübt worden, denn sie hätte die Umschulung nicht in erster Linie mit dem Hinweis auf das Alter des Antragstellers und der Arbeitsmarktsituation ablehnen dürfen.

Aus Sicht des Gerichts mag es zwar zutreffen, dass die Vermittlungschancen für ältere Arbeitnehmer allgemein im Zeitpunkt der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers schwierig waren. Diese vereinfachte Sichtweise sei jedoch unzulässig und rechtfertige allein noch keine Ablehnung der Umschulung.

Der Rentenversicherungsträger habe bei seiner Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich der Arbeitsmarkt auch verändern kann. So sei nicht allein der im Zeitpunkt der Entscheidung aktuelle Arbeitsmarkt für die Vermittlungsprognose zu Grunde zu legen.

Zudem hätte sich der Rentenversicherungsträger bei der Prüfung der Arbeitsmarktsituation nicht nur allgemein auf die schlechten Vermittlungschancen älterer Arbeitnehmer beziehen dürfen. Sondern er hätte auch den möglichen Einsatzbereich eines Technikers bzw. Technischen Zeichners in seine Überlegungen einbeziehen müssen.

Des Weiteren habe der Rentenversicherungsträger nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung und eine mehrjährige Berufserfahrung besitzt. Diese seien gegenüber jungen Absolventen der hier beantragten Ausbildungen als ein Qualifikationsvorteil zu werten, welcher die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt erhöhe.

Für diese Sicht der Dinge spreche auch die stufenweise Anhebung der Altersgrenze für die Regelaltersrente von bisher 65 Jahren auf das 67. Lebensjahr. Diese Anhebung bewirkt konkret im Falle des Antragstellers, dass er bei einer im Jahr 2005 begonnenen zweijährigen Umschulung nach Abschluss der Maßnahme noch fast 20 Jahre seines Berufslebens - also weit mehr als ein Drittel - vor sich gehabt hätte.

Das heißt es für die Praxis:

Die Ablehnung einer gewünschten Umschulungsmaßnahme als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben lediglich mit dem Hinweis auf das Alter ist nicht rechtens.

Dies führt allerdings nicht zwangsläufig zu einem Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Umschulung. Verlangen kann er aber eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Rehabilitationsträgers. Eine Ablehnung des Antrags bleibt durchaus denkbar, insbesondere im Hinblick auf mögliche Alternativen zu den in Rede stehenden Bildungsmaßnahmen und der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.

 

 

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