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Lexikon
Beschwerden (Arbeitnehmer)

Beschwerden (Arbeitnehmer)

Erwin Willing
Stand:  3.7.2023
Lesezeit:  03:00 min

Kurz erklärt

Beschwerden sind Beanstandungen von Arbeitnehmern, die sich vom Arbeitgeber oder anderen Arbeitnehmern sowie Führungskräften des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in anderer Weise beeinträchtigt fühlen.

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Begriff

Beanstandungen von Arbeitnehmern, die sich vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in anderer Weise beeinträchtigt fühlen.

Erläuterungen

Recht auf Beschwerde

Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Er kann ein Mitglied des Betriebsrats zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen (§ 84 Abs. 1 BetrVG). Der Arbeitgeber hat zu prüfen, ob die Beschwerde berechtigt ist und seine Entscheidung dem Arbeitnehmer mitzuteilen. Dauert die Prüfung länger, soll der Arbeitgeber einen Zwischenbescheid erteilen. Erkennt er die Beschwerde als berechtigt an, entsteht für den betroffenen Arbeitnehmer ein Rechtsanspruch auf Abstellung des Beschwerdegrundes (§ 84 Abs. 2 BetrVG). Wird die Beschwerde zurückgewiesen, hat der Arbeitgeber dies zu begründen. Wegen der Erhebung einer Beschwerde dürfen dem Arbeitnehmer keine Nachteile entstehen (§ 84 Abs. 3 BetrVG).

Zuständige Stellen

Arbeitnehmer können Beschwerden entweder bei den zuständigen Stellen (in der Regel bei Vorgesetzten) des Betriebs (§ 84 BetrVG) oder beim Betriebsrat (§ 85 BetrVG) einlegen. Ausdrücklich geregelt ist das Recht auf Beschwerde bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot (§ 7 Abs. 1 AGG). Beschäftigte, die sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt fühlen, haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs oder Unternehmens (Beschwerdestelle) zu beschweren. Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen (§ 13 Abs. 1 AGG). Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden zuständige Beschwerdestelle sind im Betrieb bekannt zu machen. Die Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder den Einsatz der im Betrieb üblichen Informations- und Kommunikationstechnik erfolgen (§ 12 Abs. 5 AGG).

Bezug zur Betriebsratsarbeit

Beschwerdestelle Betriebsrat

Der Betriebsrat hat Beschwerden von Arbeitnehmern entgegenzunehmen und, falls er sie für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken (§ 85 Abs. 1 BetrVG). Den Arbeitnehmern steht es frei, ob sie ihre Beschwerde beim Vorgesetzten (§ 84 BetrVG), nur beim Betriebsrat, beim Betriebsrat und gleichzeitig beim Vorgesetzten oder beim Betriebsrat erst nach erfolgloser Beschwerde beim Vorgesetzten einlegen wollen. Wird die Beschwerde beim Betriebsrat vorgetragen, hat er zu prüfen, ob sie berechtigt ist. Ist sie unberechtigt, hat er dies dem Beschwerde führenden Arbeitnehmer mit Begründung mitzuteilen. Berechtigte Beschwerden leitet der Betriebsrat an den Arbeitgeber weiter mit der Aufforderung, der Beschwerde nachzugehen und abzuhelfen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, mit dem Betriebsrat über die Erledigung der Beschwerde zu verhandeln.

Meinungsverschiedenheiten

Bestehen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber Meinungsverschiedenheitenüber die Berechtigung der Beschwerde, so kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Sie entscheidet über die Berechtigung der Beschwerde. Dies gilt nicht, soweit Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch (z. B. ein Urlaubsanspruch) ist (§ 85 Abs. 2 BetrVG). In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer sein Recht beim Arbeitsgericht einklagen (BAG v. 28.6.1984 – 6 ABR 5/83). Sowohl der Betriebsrat als auch der Beschwerdeführer sind vom Arbeitgeber über Zwischenstand und Ergebnis der Beschwerdebearbeitung, insbesondere die Art der Abhilfe, zu informieren (§ 85 Abs. 3 BetrVG).

Beschwerdeordnung

Durch Tarifvertrag oder freiwillige Betriebsvereinbarung können die Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens in einer Beschwerdeordnung geregelt werden (§ 86 S. 1 BetrVG). Sie sollte vor allem Bestimmungen über die Entgegennahme von Beschwerden, Anhörung der Beteiligten, den Instanzenweg im Betrieb, Fristen und Form der Beschwerdebescheide und Zwischenbescheide sowie Maßregelungsverbot enthalten. In der Beschwerdeordnung kann außerdem vereinbart werden, dass für die Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Berechtigung von Beschwerden, die beim Betriebsrat eingelegt werden, nicht die Einigungsstelle, sondern eine betriebliche Beschwerdestelle zuständig ist (§ 86 S. 2 BetrVG i. V. m. § 85 Abs. 2 BetrVG).

Betriebliche Beschwerdestelle

Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung (freiwillige BV.) kann bestimmt werden, dass eine betriebliche Beschwerdestelle errichtet wird, die die Aufgaben der gesetzlich vorgeschriebenen Einigungsstelle zur Klärung der Berechtigung von Arbeitnehmerbeschwerden, die beim Betriebsrat eingelegt wurden, übernimmt (§ 86 i. V. m. § 85 Abs. 2 BetrVG). Dabei muss der  gleichgewichtige Einfluss von Betriebsrat und Arbeitgeber sichergestellt werden. Diese Funktion kann ggf. auch einer tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8 BetrVG) übertragen werden. Der Betriebsrat hat nicht mitzubestimmen bei der Frage, wo der Arbeitgeber eine Beschwerdestelleerrichtet. Es handelt sich insoweit um eine mitbestimmungsfreie organisatorische Entscheidung des Arbeitgebers. Ebenso wenig besteht ein Mitbestimmungsrecht bei der personellen Besetzung einer Beschwerdestelle. Errichtet der Arbeitgeber eine überbetriebliche Beschwerdestelle, steht das Mitbestimmungsrecht beim Beschwerdeverfahren nicht dem örtlichen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu (BAG v. 21.7.2009 - 1 ABR 42/08).

Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot

Die Einführung und Ausgestaltung eines Verfahrens zur Ausübung des Beschwerderechts (§ 13 AGG) für Fälle von Benachteiligung von Beschäftigten aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (§ 1 AGG) betrifft die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeitnehmer des Betriebs. Der Betriebsrat hat daher bei der Einführung und Ausgestaltung des Verfahrens einer Beschwerdestelle (§ 13 Abs. 1 S. 1 AGG i. V. m. § 12 Abs. 5 Satz 1 AGG) mitzubestimmen. Der Betriebsrat kann zu diesem Zweck selbst initiativ werden und entsprechende Regelungen über die Einigungsstelle durchsetzen (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

Beschwerden gegen den Betriebsrat

Beschwerden von Arbeitnehmern gegen den Betriebsrat sind nicht zulässig. Die Belegschaft kann jedoch beim Arbeitsgericht beantragen, den Betriebsrat aufzulösen oder einzelne Mitglieder wegen grober Pflichtverletzung aus dem Betriebsrat auszuschließen. Ein solcher Antrag muss mindestens von einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer gestellt werden (§ 23 Abs. 1 BetrVG).

Rechtsquellen

§§ 84, 85, 86. 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, §§ 1, 7 Abs.1, 12 Abs. 5, 13 Abs. 1 AGG

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