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Können einzelne Betriebsratsmitglieder auch ohne Beschluss des Gremiums im eigenen Namen vom Arbeitgeber die Überlassung von Sachmitteln für die Betriebsratstätigkeit verlangen? Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen sagt: Ja, wenn sie „eigenverantwortlich“ handeln.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 25.04.2025, 17 TaBV 62/24
Die Arbeitgeberin stellte nur einer kleinen Auswahl von Führungskräften und Betriebsratsmitgliedern unbeschränkte und personalisierte E-Mail-Adressen zur Verfügung. Einzelne Mitglieder ohne eigene personalisierte E-Mail-Adresse verlangten dasselbe Recht für sich, ohne dass darüber im Gremium beschlossen wurde. Die Arbeitgeberin argumentierte, der Anspruch aus § 40 Abs. 2 BetrVG auf die Bereitstellung von Sachmitteln stehe nur dem Gremium als ganzem zu, nicht einzelnen Betriebsratsmitgliedern. Die Antragsteller hielten dagegen, der Betriebsrat habe nicht über die Erforderlichkeit von E-Mail-Adressen zu entscheiden. Andernfalls könnte eine Mehrheit des Betriebsrats die Bereitstellung von Sachmitteln für eine Minderheit im Betriebsrat verhindern.
Das Gericht gab dem Antrag statt, mit dem der Arbeitgeberin aufgegeben wird, die verlangten E-Mail-Adressen einzurichten. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts gibt die rechtliche Auslegung von § 40 BetrVG weder etwas dafür her, dass die Ansprüche zur Bereitstellung von erforderlichen Sachmitteln für die Betriebsratstätigkeit nur dem Gremium und nicht einzelnen Mitgliedern zustehen würden, noch folge daraus, dass es zur Verfolgung solcher Ansprüche einen Beschluss des Betriebsrats bedürfe. Es gebe Fälle, in denen ein einzelnes Betriebsratsmitglied in eigener Verantwortung tätig werde und tätig werden dürfe, denn jedes Betriebsratsmitglied übe sein Amt in eigener Verantwortung aus. Es sei selbstverständliche Aufgabe der Betriebsratsmitglieder – auch ohne Beschluss des Betriebsrats – als Ansprechpartner im Betrieb den Arbeitnehmern zur Verfügung zu stehen. Die insoweit erforderlichen Sachmittel (hier: E-Mail-Adresse) könne ein Betriebsratsmitglied daher aus eigenem Recht nach § 40 Abs. 2 BetrVG verlangen.
Im Regelfall geht es bei Streitigkeiten um die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 Abs. 2 BetrVG um Erfordernisse für „den Betriebsrat“, also das Gremium an sich. Daher ist diese Entscheidung speziell, zumal sich ja direkt einige Fragen anschließen. Zum Beispiel, ob damit auch die Kosten der Rechtsverfolgung in diesem Fall vom Arbeitgeber erstattet werden müssen, ohne dass der Betriebsrat zuvor einen Beschluss zur Beauftragung eines Rechtsanwalts getroffen hat. Und diese Frage lässt sich weiter zuspitzen: Wie ist es mit den Anwaltskosten, wenn ein einzelnes Betriebsratsmitglied entgegen einem ablehnenden Beschluss des Gremiums handelt? Und was ist, wenn das Gericht hinterher die Erforderlichkeit der Sachmittel ablehnt? Dem Gremium wird nach der Rechtsprechung bei Hinzuziehung eines Anwalts ein relativ großzügiger Beurteilungsspielraum eingeräumt. Gilt der dann in gleicher Weise auch für das einzelne Mitglied?
All diese Fragen lässt die Entscheidung offen. Quasi nebenbei beantwortet das Gericht dagegen eine wichtige Frage zum Schulungsanspruch, nämlich: Lässt sich diese Entscheidung auch auf die Erstattung von Schulungskosten nach § 40 BetrVG i.V.m. § 37 Abs. 6 BetrVG übertragen? Also kann ein Betriebsratsmitglied „eigenverantwortlich“ für sich selbst bestimmen, welche Schulung es für erforderlich hält und notfalls auch ohne Betriebsratsbeschluss auf Schulung gehen?
Das Gericht sagt: Nein, beim Schulungsanspruch bleibt es dabei, der steht immer nur dem Gremium als Organ zu, nicht dem einzelnen Mitglied. Das folgt übrigens schon direkt aus § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG, wonach es bei diesem Anspruch um Kenntnisse geht, die „für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind“ – und nicht des einzelnen Mitglieds.
Was passiert dann aber, wenn eine Mehrheit im Gremium eine Minderheit von Schulungen ausschließt? Auch dazu lässt sich das Gericht indirekt aus, indem es konstruiert, gäbe es keinen eigenen Anspruch des Betriebsratsmitglieds nach § 40 BetrVG, dann müssten die betreffenden Betriebsratsmitglieder zunächst gerichtlich gegen den Betriebsrat vorgehen mit dem Ziel, dass dieser einen positiven Beschluss über die Erforderlichkeit der Sachmittel trifft und den Arbeitgeber auffordert, diese Sachmittel zur Verfügung zu stellen. Was zur Folge hätte, dass der Betriebsrat Rechte geltend zu machen hätte, hinter denen er nicht stünde. Das ist zwar eine interessante Sicht, die aber wohl verkennt, dass ein Gerichtsbeschluss mangels Vollstreckbarkeit keinen Gremiumsbeschluss „anordnen“ kann. Und damit stoßen wir in solchen (Extrem-)Fällen schnell an die Grenzen der Möglichkeiten des Rechts. In der Praxis bleibt bei einer echten Unterdrückung einer Minderheit durch die Mehrheit eines dominierten Gremiums daher nur der politische Weg, also über die Belegschaftsöffentlichkeit, was am Ende zu einer Betriebsratsauflösung nach § 23 BetrVG führen kann. (mbr)