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Die betriebsbedingte Kündigung stellt eine Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber dar. Ihr Ausspruch beruht auf betrieblichen Gründen. Diese erfordern mangels bestehender Alternativen dringend die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit kann z. B. auf einem Arbeitsplatzabbau wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten, technologischer Veränderungen, Produktionsumstellungen oder einer Unternehmensumstrukturierung beruhen.
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Der Begriff der "betriebsbedingten" "Kündigung" bezeichnet die Form und den Grund der Beendigung eines Arbeitsvertrages. Die Gründe liegen in der betrieblichen Sphäre. Sie bedingen den Ausspruch einer Kündigung wegen des Fehlens einer Alternative zum Ausspruch einer Kündigung.
Die betriebsbedingte Kündigung ist das Ergebnis einer Unternehmerentscheidung, die sowohl
als auch
Die Unternehmerentscheidung unterliegt deshalb im Falle der Kündigungsschutzklage einer nur eingeschränkten Überprüfung durch das Arbeitsgericht. Nachzuprüfen ist, ob eine solche unternehmerische Entscheidung z.B.in Form der Stilllegung eines Betriebsteils tatsächlich vorliegt, oder nur vorgeschoben wird. Vom Arbeitsgericht zu klären ist auch, ob durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist.
Dagegen ist die Unternehmerentscheidung selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Der Arbeitgeber ist bis zur Grenze der Willkür in seinen Organisationsentscheidungen frei (BAG v. 28.2.2023 - 2 AZR 227/22 in NZA 2023, 578). Er kann zum Beispiel eine Maschine anstelle eines Menschen einsetzen, obwohl dies wirtschaftlich sinnlos ist. Er darf dies aber nicht als Vorwand nutzen, um einen unbeliebten Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen.
Demgemäß dürfen die Arbeitsgericht die unternehmerische Entscheidung nur daraufhin prüfen, ob diese offenbar unsachlich, willkürlich oder unvernünftig ist (BAG v. 28.2.2023 - 2 AZR 227/22 in NZA 2023, 578; BAG v.22.10.2015 - 2 AZR 650/14 in NZA 2016, 630). Im Kündigungsschutzprozess hat der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG v.18.6.20215 - 2 AZR 480/14 in NZA 2015,1315).
Eine betriebsbedingte Kündigung kann ausgesprochen werden, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Sie ist sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Das ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erst beim Fehlen jeder Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz der Fall. Der freie Arbeitsplatz muss zu finden sein
- räumlich
- in derselben Abteilung,
- in dem gesamten Betrieb oder
- im Unternehmen
und
- fachlich
- in derselben oder angrenzenden Ebene, wie der bisher eingenommene
Arbeitsplatz,
- mit Einverständnis des AN in einer erheblich tieferen Ebene
(dazu BAG v. 29.8.2013 - 2 AZR 809/12 in NZA 2014,730)
- nicht jedoch in einer höheren Ebene
und
- von dem Arbeitnehmer nach zumutbarer Einarbeitungszeit ausgefüllt werden können
Letztlich muss der Ausspruch einer Kündigung nicht durch Rückgriff auf Alternativen vermeidbar sein.
Ist der Ausspruch einer Kündigung unvermeidbar, z.B. weil von 10 Bussen nur noch neun im Einsatz sind, bedarf es einer personellen Konkretisierung welcher von mehreren in Betracht kommenden Arbeitnehmer zu entlassen ist. Dabei darf der Arbeitgeber nicht nach Belieben oder billigem Ermessen vorgehen. Er darf auch nicht denjenigen Arbeitnehmer entlassen, der als bisheriger Stelleninhaber von dem Wegfall des Arbeitsplatzes betroffen ist. Das Kündigungsschutzgesetz schreibt dem Arbeitgeber vielmehr eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten vor.
Die soziale Auswahl ist - anders als die Suche nach freien Arbeitsplätzen - nicht unternehmensbezogen durchzuführen. Sie findet rein betriebsbezogen unter den Arbeitnehmern desselben Betriebes statt. Diese Begrenzung der Sozilauswahl auf die Belegschaft des Betriebes beruht auf dem Solidaritätsgedanken. Die Belegschaft eines anderen Betriebes desselben Unternehmens soll Arbeitnehmer nicht zugunsten eines sozial schwächeren Arbeitnehmers einer anderen Solidargemeinschaft räumen.
Zum Betrieb gehören allerdings - anders als in § 4 BetrVG geregelt - auch dessen sämtliche, selbst weit entfernt liegenden Betriebsteile. Das bedeutet, die dort tätigen Arbeitnehmer sind in die soziale Auswahl einzubeziehen.
- tätigkeitsbezogen austauschbare Arbeitnehmer
- derselben hierarchischen Ebene (im Beispiel Busfahrer) zusammenstellen
- Arbeitnehmer einer höheren oder tieferen Ebene sind nicht einzubeziehen;
sie bilden mit den Arbeitnehmern der betroffenen Ebene keine "Risikogemeinschaft"; die Berücksichtigung der Bereitschaft zur Annahme einer unterwertigen Tätigkeit würde eine Risikoverlagerung zu Lasten der tieferen Ebene bewirken;
- Arbeitnehmer müssen fachlich vergleichbar sein, das heißt ohne umfangreiche Einarbeitung die Arbeit des sozial stärkeren Arbeitnehmers übernehmen können
- aus der Gruppe der horizontal vergleichbaren Arbeitnehmer diejenigen Mitarbeiter
herausnehmen, die wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten, Leistungen oder zur
Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im Betrieb weiterbeschäftigt
werden müssen,
- aus dem so gebildeten "Auswahlpool" (Münchner Handbuch Arbeitsrecht, 5. Aufl.
2021, § 115 Rn. 209) einen oder mehrere zu entlassende Mitarbeiter nach sozialen
Gesichtspunkten auswählen.
Bei der Auswahl sind die vier Kriterien: Dauer der Betriebszugehörigkeit,
Lebensalter, Familienstand und eventuelle Schwerbehinderung zu berück-
sichtigen.
Für jedes Kriterium werden heute üblicherweise Punkte vergeben. Je höher
der erreichte Punktwert liegt, umso stärker ist die betreffende Person vor einer be-
triebsbedingten Kündigung geschützt.
Bei der Gewichtung der einzelnen Kriterien steht dem Arbeitgeber ein Spielraum zu.
Deshalb können sich nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer im Kündigungs-
schutzprozess erfolgreich auf einen Auswahlfehler berufen (BAG v. 29.1.2015 - 2 AZR
164/14 in NZA 2015,426 Rn. 11).
Wichtig ist, dass die Gewichtung der vier Kriterien dem Betriebsrat im Rahmen der
Anhörung nach § 102 BetrVG mitgeteilt wird. Besser noch ist es, diese mit dem
Betriebsrat zu vereinbaren.
Im Urteil vom 18.1.1990 - 2 AZR 357/89 - hat das Bundesarbeitsgericht folgendes mit
dem Betriebsrat vereinbarte Punkteschema anerkannt:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- bis 10 Dienstjahre je Dienstjahr 1 Punkt, ab dem 11. Dienstjahr je Dienstjahr 2 Punkte, es werden nur Zeiten der Betriebszugehörigkeit bis zum vollendeten 55. Lebensjahr berücksichtigt, das heißt, es sind maximal möglich 70 Punkte
- Lebensalter
- für jedes volle Lebensjahr 1 Punkt maximal möglich 55 Punkte
Stichtag für die Berechnung der Dienstjahre und des Lebensalters ist der..
- Familienstand
- Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern und Ehegatten/Lebenspartnern: je 4 Punkte für jedes unterhaltsberechtigte Kind bzw. je 8 Punkte für den unterhaltsberechtigten Ehegatten/Lebenspartner
- Schwerbehinderung
bis 50 % Erwerbsminderung | 5 Punkte |
über 50 % für je 10 % | 10 Punkte |
In der Entscheidung vom 8.12.2022 - 6 AZR 31/22 in NZA 2023,692 sieht das Bundesarbeitsgericht
bei der Bewertung des Lebensalters eine Rentennähe von 2 Jahren als zu Lasten des
Arbeitnehmers berücksichtigungsfähig an.
Auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (so genannte "Leistungsträger", § 1 Abs. 3 KSchG).
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Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (§ 102 Abs. 1 BetrVG). Dabei hat der Arbeitgeber die dringenden betrieblichen Erfordernisse (inner- oder außerbetriebliche Gründe), die die Kündigung rechtfertigen, darzulegen. Außerdem hat er dem Betriebsrat die wesentlichen Gründe für die getroffene Sozialauswahl zu nennen. Der Betriebsrat kann einer ordentlichen Kündigung innerhalb einer Woche widersprechen, wenn einer oder mehrere der in § 102 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 BetrVG genannten Widerspruchsgründe vorliegen.
Der Betriebsrat hat mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber bei betriebsbedingten Kündigungen die Sozialauswahl nach einem Punkteschema vornehmen will. Kommt eine Einigung über deren Inhalt nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 95 Abs. 1 BetrVG). In Betrieben mit mehr als 500 AN kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei personellen Auswahlrichtlinien zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so kann jede Seite die Einigungsstelle anrufen (§ 95 Abs. 2 BetrVG). Ein Punkteschema stellt nicht nur dann eine mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie dar, wenn es für alle künftig auszusprechenden Kündigungen vorgesehen ist, sondern auch dann, wenn es lediglich für die konkret anstehenden Kündigungen maßgeblich sein soll. Arbeitgeber und Betriebsrat sind im Rahmen der zu beachtenden Sozialdaten (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung [§ 1 Abs. 3 S. 1 KSchG]) frei in der Vereinbarung des Punktesystems (BAG v. 26.7.2005 - 1 ABR 29/04).
§ 1 Abs. 2 u. 3 KSchG, § 102 Abs. 1 BetrVG
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