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Lexikon
Beweisverwertungsverbot

Beweisverwertungsverbot

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Redaktion
Stand:  5.6.2025
Lesezeit:  02:30 min

Kurz erklärt

Ein Beweisverwertungsverbot durchbricht den in arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Es verbietet dem Gericht die Erhebung angebotener Beweise. Demgemäß können deren Ergebnisse nicht in die Beweiswürdigung einbezogen werden.  Zugleich wird durch ein Beweisverwertungsverbot das Prinzip der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 GG berührt. Denn der dadurch nicht beweisbare Parteivortrag bleibt unbeachtlich. Ein Beweiserhebungsverbot und ebenso ein Sachvortragsverwertungsverbot kommen deshalb nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die Unterlassung der Verwertung muss nach dem Grundgesetz zwingend geboten sein. 

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Begriff

Ausschluss der Verwertung von Beweismitteln für die Aufklärung eines für die Entscheidungsfindung des Gerichts erheblichen Sachverhaltes.

Ausschluss der Nutzung von SachverhaltenBeweismitteln für die Entscheidungsfindung des Gerichts, die als Tatsachen für die unter Verstoß gegen Gesetzesvorschriften gewonnen wurden oder bei rechtmäßiger Gewinnung gegen grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrechte verstoßen

Erläuterung

Allgemeines

Die Zivilprozessordnung und das Arbeitsgerichtsgesetz verlangen, dass jede Partei die für sie günstigen Tatsachen vorträgt. Diese können dann von der Gegenpartei zugestanden oder bestritten werden. 
Werden sie zugestanden, bleiben sie in Ausnahmefällen dennoch unberücksichtigt, wenn sie unter Verstoß gegen grundgesetzlich geschützte Positionen einer Partei erlangt wurden z.B. Anwendung von Gewalt. Dann liegt ein Sachvortragsverwertungsverbot vor. Diese Tatsachen dürfen nicht in die Entscheidungsfindung des Gerichts einfließen. 
Werden die Tatsachen hingegen bestritten, verlagert sich das Problem in die Beweisebene. Angebotene Beweise dürfen dann ausnahmsweise nicht erhoben werden, wenn die Beweismittelgewinnung grundgesetzwidrig erfolgte. Dann besteht ein Beweisverwertungsverbot. Für die Beweisführung benannte Beweismittel wie Zeugen, Sachverständige, Urkunden, Augenschein und Parteivernehmung scheiden dann für die Wahrheitsfindung aus. 
Als Ausnahmeregelung bedarf die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes einer besonderen Begründung (BAG v. 22.9.2016 - 2 AZR 848/15 in NZA 2017,112 Rn. 23). Denn es steht der Findung einer inhaltlich richtigen und gerechten Entscheidung entgegen. 

Verbotsgrundlagen

Die Verwertung von Beweismitteln kann dem Gericht zum einen verwehrt sein, wenn die Beweismittel rechtswidrig erlangt wurden. Rechtswidrig ist die Beschaffung von Beweisen, die unter Verletzung der grundrechtlich geschützten Position einer Partei z. B. ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 GG beschafft wurden. Sie unterliegen einem Beweisverwertungsverbot. Das ist z.B. bei Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden wie Misshandlung oder Verabreichung von Mitteln (§ 136a Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 StPO) der Fall.  Dasselbe gilt für die Verwertung von Aufzeichnungen datenschutzrechtlich nicht gestatteter Videoaufnahmen. Hier allerdings nur dann, wenn dies aufgrund einer am Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters orientierten Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten erscheint (BAG v. 22.9.2016 -2 AZR 848/15 in NZA 2017,112 Rn. 23). 
Zum anderen dürfen Erkenntnisse nicht verwertet werden, die zwar rechtmäßig erhoben wurden, aber deren Verwertung grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrechte verletzen würde. Das könnte zum Beispiel bei der Berücksichtigung von erlaubten Videoaufnahmen der Fall sein. Es könnte darin eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild liegen. Die vorprozessual zulässige Datengewinnung könnte dann trotzdem deren Verwertung im Prozess entgegenstehen. Das wäre der Fall, wenn ihre Verwertung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspräche. 

Grundsätzlich gilt:

  1. Sind die Voraussetzungen des BDSG zur Datenerhebung eingehalten, ist deren Verwertbarkeit immer zu bejahen (Münchner Handbuch Arbeitsrecht, 5. Aufl., 2022, § 390 Rn. 57).
  2. Das heißt nach BAG v. 29.6.2017 -2 AZR 597/16 in NZA 2017,1179 Rn. 31 und 32 ,
             die Datenerhebung muss für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen, z.B. für die Aufklärung von Straftaten oder schwerer
             Pflichtverletzungen 
            und
            der mit der Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers muss auch im Rahmen 
           des § 32 Abs. 1 BDSG einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten.
  3. Die Absicht der Sicherung eines Beweismittels reicht als Rechtfertigung für einen Eingriff in den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 
        des Betroffenen nicht aus. Vielmehr muss sich gerade die Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen 
         (so BAG v. 22.9.2016 -2 AZR 848/15 in NZA 2017,112 Rn. 24).
  4. Aus einem Verstoß gegen das BDSG folgt jedoch nicht immer ein Verwertungsverbot (BAG v. 23.8.2018 - 2 AZR 133/18 in NZA 2018,1329 
            Rn. 15).
  5. Rechtwidrig erlangte Beweismittel können für die Gerichte weder stets unbeachtlich noch stets beachtlich sein. Es hat für 
           deren Verwertung eine Interessenabwägung am Maßstab des Grundgesetzes stattzufinden. 

Vorstrafen  

Nicht verwertet werden dürfen getilgte oder tilgungsreife Vorstrafen (§ 51 BZRG).

Mitgehörte Telefongespräche

Die Rechtsprechung hat sich u. a. mit Verstößen gegen die Rechte am gesprochenen Wort und am eigenen Bild (Art. 2 GG) auseinandergesetzt. 
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners eines Telefonates ist verletzt, wenn jemand einen Dritten durch aktives Handeln zielgerichtet veranlasst, ein Telefongespräch heimlich mitzuhören. Dies kann z.B. durch Einschalten eines Raumlautsprechers oder das Weghalten des Telefons vom Ohr geschehen. Aus der rechtswidrigen Erlangung des Beweismittels folgt ein Beweisverwertungsverbot. Der Dritte darf nicht als Zeuge zum Inhalt der Äußerungen des getäuschten Gesprächspartners vernommen werden. 
Konnte jedoch ein Dritter zufällig, ohne dass der Beweispflichtige etwas dazu beigetragen hat, den Inhalt des Telefongesprächs mithören, liegt keine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Gesprächspartners vor. In diesem Fall besteht deshalb auch kein Beweisverwertungsverbot. Der Dritte kann daher als Zeuge vernommen werden (BAG v. 23.4.2009 - 6 AZR 189/08 in NZA 2009, 974).
Das Persönlichkeitsrecht wird auch nicht verletzt, wenn der Gesprächspartner einwilligt oder positiv weiß, dass sein Gespräch mitgehört wird.

Videoüberwachung

Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume, zu denen auch Verkaufsräume und Tankstellen während der Öffnungszeiten zählen, mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig und somit in Streitfällen als Beweismittel verwertbar, soweit sie

  • zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
  • zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
  • zur Sicherung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke 

erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen (§ 6b Abs. 1 BDSG). 

Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers kann z. B. darin liegen, Ladendiebstähle aufzudecken. Es hat in dem gebotenen Interessenabwägungsvorgang gegenüber dem aus Art. 2 GG folgenden Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers nur dann höheres Gewicht, wenn die Art der Informationsbeschaffung im Abwägungsprozess den höheren Stellenwert hat.  Das ist der Fall, wenn keine anderen erfolgversprechenden Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung standen. 

Danach ist die heimliche (verdeckte) Videoüberwachung eines Arbeitnehmers zulässig, wenn

  • der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht,
  • weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind,
  • die verdeckte Video-Überwachung praktisch das einzig verbliebene Mittel zur Zweckerreichung darstellt und
  • insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (BAG v. 27.3.2003 - 2 AZR 51/02 in NZA 2003, 1193).

Der Verdacht muss in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlichen und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern bestehen. Allgemeine Mutmaßung, es könnten Straftaten begangen werden, reichen nicht. Er muss sich jedoch nicht notwendig nur auf einen bestimmten Arbeitnehmer beziehen. 
Sind sämtliche dieser Voraussetzungen erfüllt, kann das durch eine verdeckte Videoüberwachung zur Überführung einer Kassiererin, die eine Zigarettenpackung aus dem Warenbestand entwendet hat, gewonnene Beweismaterial in einem Kündigungsschutzprozess verwertet werden. Das gilt auch dann, wenn die nach § 6b Abs. 2 BDSG vorgeschriebene Anbringung von Hinweisschildern unterblieben ist. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot (BAG v. 21.6.2012 - 2 AZR 153/11 in NZA 2012,1025). Sie ist nicht auf den durch Art. 2 GG gesicherten Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Arbeitnehmers ausgerichtet.  

Beweismittel, die durch das unbefugte Eindringen in die Persönlichkeitssphäre erlangt werden, unterliegen daher grundsätzlich dem Beweisverwertungsverbot.Gesetzlich verboten ist z. B. die Verwertung von Beweisen, diedurch verbotene Vernehmungsmethoden (Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Quälerei, Täuschung oder Hypnose, § 136a Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 StPO) gewonnen werden. Nicht verwertet werden dürfen weiterhin getilgte oder tilgungsreife Vorstrafen (§ 51 Bundeszentralregistergesetz, BZRG).

Bezug zur Betriebsratsarbeit

Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei der Einführung und Anwendung einer Videoanlage im Betrieb aus zwei Gründen mitzubestimmen:

  • Die Beobachtung von Betriebsräumen berührt Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).
  • Die Videoüberwachungsanlage ist eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

Ist die Videoüberwachung ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) durchgeführt worden, so ergibt sich aus diesem Verstoß jedenfalls dann kein eigenständiges Beweisverwertungsverbot, wenn der Betriebsrat der Verwendung des Beweismittels und der darauf gestützten Kündigung zustimmt und die Beweisverwertung nach den allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigt ist (BAG v. 27.3.2003 - 2 AZR 51/02 in NZA 2003, 1193).

Rechtsquellen

Art. 1 Abs. 1 GG, § 136a Abs. 1 u. 3 StPO, § 51 Bundeszentralregistergesetz (BZRG)

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