Familie und Erwerbstätigkeit
Begriff
Die Vereinbarkeit von Pflichten für die Versorgung und Betreuung von Personen der häuslichen Lebensgemeinschaft mit den beruflichen Aufgaben.
Erläuterungen
Sowohl den Anforderungen am Arbeitsplatz als auch den Bedürfnissen zu Haue in der Familie gleichermaßen gerecht zu werden, ist für berufstätige Eltern und insbesondere für alleinerziehende Elternteile meist eine nur schwer zu bewältigende Doppelbelastung. Nicht minder schwierig ist die Situation für Arbeitnehmer, die pflegebedürftige Angehörige zu versorgen haben. Meist sind es die Arbeitnehmerinnen, die von dieser Pflichtenkollision betroffen sind. Eine Reihe gesetzlicher Regelungen enthalten daher Rahmenbedingungen, die geeignet sind, Familie und Erwerbsfähigkeit besser miteinander zu vereinbaren und betroffene Arbeitnehmer vor Benachteiligungen zu schützen. Dazu gehören:
- Anspruch auf Teilzeitarbeit (§§ 6 bis 13 TzBfG): Arbeitnehmer haben unter bestimmten Voraussetzungen einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung. Teilzeitarbeit kann auch in Form von Arbeit auf Abruf (KAPOVAZ, § 12 TzBfG) oder Arbeitsplatzteilung (Job Sharing, § 13 TzBfG) vereinbart werden.
- Anspruch auf Pflegezeit (PflegeZG): Arbeitnehmer können kurzzeitig (bis zu zehn Arbeitstage) der Arbeit fernzubleiben oder vollständig oder teilweise längstens sechs Monate von der Arbeit freigestellt werden, um pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen.
- Wertguthabenvereinbarungen (§§ 7 bis 7f SGBIV): Im Rahmen flexibler Arbeitszeitregelungen kann vereinbart werden, geleistete Arbeitszeit in einem besonderen Wertguthaben anzusammeln und zu einem späteren Zeitpunkt zur mittel- oder sogar längerfristigen Freistellung von der Arbeit einzusetzen.
- Anspruch auf Elternzeit (§§ 15 bis 21 BEEG): Mütter oder Väter haben Anspruch auf Elternzeit, um ihr Kind bis zum 3. Lebensjahr betreuen und danach wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Sie können während der Elternzeit einer Teilzeitzeitbeschäftigung von höchstens 30 Stunden pro Woche nachgehen. (§ 15 Abs. 4 BEEG).
- Anspruch auf aktive Arbeitsförderung(§ 8 SGB III): Die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sollen in ihrer zeitlichen, inhaltlichen und organisatorischen Ausgestaltung die Lebensverhältnisse von Frauen und Männern berücksichtigen, die aufsichtsbedürftige Kinder betreuen und erziehen oder pflegebedürftige Angehörige betreuen oder nach diesen Zeiten wieder in die Erwerbstätigkeit zurückkehren wollen. Berufsrückkehrende sollen die zu ihrer Rückkehr in die Erwerbstätigkeit notwendigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung erhalten. Hierzu gehören insbesondere Beratung und Vermittlung sowie die Förderung der beruflichen Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten.
Bei der Festlegung der Arbeitszeit hat der Arbeitgeber nach dem Grundsatz billigen Ermessens auf schutzwürdige familiäre Belange des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, soweit einer vom Arbeitnehmer gewünschten Verteilung der Arbeitszeit nicht betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer entgegenstehen (BAG v. 23.9.2004 - 6 AZR 567/03).
Beschreibung
Der Betriebsrat hat eine besondere Verantwortung, die Arbeitnehmer bei ihren Bemühungen zur Bewältigung der Pflichtenkollision zwischen Arbeits- und Betreuungspflicht zu unterstützen. Per Gesetz ist er ausdrücklich verpflichtet, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit im Betrieb zu fördern (§ 80 Abs. 1 Nr. 2b). Diesem allgemeinen Auftrag kommt der Betriebsrat zum Einen dadurch nach, dass er darüber wacht, dass die zugunsten der Vereinbarung von Familie und Beruf bestehenden Vorschriften vom Arbeitgeber durchgeführt werden (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Zum Anderen wirkt er durch die folgenden Maßnahmen beim Arbeitgeber aktiv auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen hin:
- Gestaltung der Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 u. 3, Abs. 2 BetrVG): Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der Lage und Dauer der Arbeitszeit nicht nur mitzubestimmen, sondern kann auch im Interesse der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit auf Grund seines Initiativrechts Vorschläge zur Gestaltung einer flexiblen Arbeitszeit einbringen und, falls erforderlich, durch Anrufung der Einigungsstelle durchsetzen.
- Festlegung familienfreundlicher Urlaubsgrundsätze (§ 87 Abs. 1 Nr. 5. Abs. 2 BetrVG): Der Betriebsrat hat bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans mitzubestimmen. Mit Hilfe des Initiativrechts kann er u. a. die Regelung durchsetzen, dass Arbeitnehmern mit schulpflichtigen Kindern bevorzugt in den Schulferien Urlaub nehmen dürfen.
- Nutzung betrieblicher Betreuungseinrichtungen für Kinder (§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG): Zwar kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber nicht verlangen, dass Betriebskindergärten oder –tagesstätten zu errichten sind. Bestehen solche Einrichtungen, hat er bezüglich der Ausgestaltung und Verwaltung (z. B. Prioritätenfestlegung, Aufnahmealter, Einsatz der Mittel) mitzubestimmen.
- Berücksichtigung der Belange von Arbeitnehmern mit Familienpflichten bei der Personalplanung (§ 92 BetrVG): Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und ihre Durchführung machen, in der die besonderen Belange der Arbeitnehmer mit Verpflichtungen zur Betreuung von Kindern berücksichtigt werden.
- Förderung der Berufsbildung für Arbeitnehmer mit Berufspflichten (§§ 96 Abs. 2 S. 2, 98 Abs. 3 BetrVG): Arbeitgeber und Betriebsrat haben darauf zu achten, dass den Arbeitnehmern unter besonderer Berücksichtigung der Beschäftigten mit Familienpflichten die Teilnahme an der Berufsbildung ermöglicht wird. Der Betriebsrat kann durch sein Vorschlagsrecht für die Teilnahme an betrieblichen Bildungsmaßnahmen diese Arbeitnehmergruppe darauf hinwirken, dass diese Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt wird.
- Einrichtung von Telearbeitsplätzen: Der Betriebsrat prüft, welche Arbeitsplätze für Telearbeit im Hause von Arbeitnehmern geeignet sind und unterbreitet dem Arbeitgeber Vorschläge zur Einrichtung dieser Arbeitsmöglichkeiten.
Rechtsquellen
§§ 15 bis 21 BEEG, §§ 80 Abs. 1 Nr. 2b, 87 Abs. 1 Nr. 2, 3, 5, 8, Abs. 2, 92, 96 Abs. 2 S. 2, 98 Abs. 3 BetrVG, PflegeZG, § 8 SGB III, §§ 7 bis 7f SGBIV, §§ 6 bis 13 TzBfG