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Tarifliche Schlichtungsstelle

Tarifliche Schlichtungsstelle

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Redaktion
Stand:  14.4.2025
Lesezeit:  01:00 min

Kurz erklärt

Eine tarifliche Schlichtungsstelle ist eine in einem Tarifvertrag vorgesehene Einrichtung zur Konfliktlösung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Sie übernimmt in tarifgebundenen Betrieben die Funktion der Einigungsstelle. Ihre Zuständigkeit ist mit derjenigen der andernfalls zu bildenden Einigungsstelle identisch. Sie ist scharf von einer tariflichen Schiedsstelle zu trennen. Diese wird zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Tarifvertragsparteien, das heißt einem Arbeitgeberverband und der zuständigen Gewerkschaft, in einem Tarifvertrag vereinbart. Deren Schiedssprüche haben dieselbe Wirkung wie rechtskräftige Urteile.

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Begriff

An die Stelle einer Einigungsstelle tretende Einrichtung zur Beilegung von Konflikten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten. 

Bezug zur Betriebsratsarbeit

Errichtung

Durch Tarifvertrag kann bestimmt werden, dass  die Aufgabe der Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle übernimmt (§ 76 Abs. 8 BetrVG). Mit dem Inkrafttreten der tariflichen Regelung entfällt die Zuständigkeit der Einigungsstelle für die der tariflichen Schlichtungsstelle zugewiesenen Angelegenheiten. Die Regelungen des entsprechenden Tarifvertrages gelten bereits bei bloßer Tarifgebundenheit des Arbeitgebers.  Auf die Tarifbindung der Arbeitnehmer kommt es nicht an. Denn die tarifliche Regelung über die Errichtung einer Schlichtungsstelle betrifft eine betriebsverfassungsrechtliche Frage im Sinne des § 3 Abs. 2 TVG. Deren Zuständigkeit endet mit dem Ende des Tarifvertrages über deren Errichtung. Der Tarifvertrag entfaltet in diesem Fall keine Nachwirkung.

Besetzung

Die Besetzung der tariflichen Schlichtungsstelle wird meistens in dem Tarifvertrag über deren Errichtung geregelt.  Sie besteht immer aus einem unparteiischen Vorsitzenden und einer paritätischen Zahl von Beisitzern. Die Beisitzer werden von den Tarifvertragsparteien benannt. Üblich ist, dass der beteiligte Arbeitgeberverband und die beteiligte Gewerkschaft je einen Beisitzer benennen. Ferner ist es angebracht, dass der jeweilige Arbeitgeber oder ein leitender Angestellter des Betriebes und der jeweilige Betriebsratsvorsitzende der tariflichen Schlichtungsstelle angehören. Sie können auch als Auskunftspersonen zugezogen. Dann sind sie allerdings nicht stimmberechtigt. 
Für die Besetzung der Position des Vorsitzenden können namentlich z.B. drei Personen aufgestellt werden, die beispielsweise in alphabetischer Reihenfolge den Vorsitz übernehmen. Ebenso geeignet ist die Bestimmung einer größeren Zahl von Vorsitzenden aus deren Reihen dann themenbezogen eine Auswahl vorgegeben ist. 

Der Vorteil der Besetzungsregelung gegenüber dem fallbezogen einzuleitenden Einigungsstellenverfahren liegt in der Vermeidung eines zeitraubenden Streites der Parteien über die Person des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer. Denselben Effekt könnten die Betriebsparteien mit der Einrichtung einer ständigen Einigungsstelle erzielen. Darauf wird man sich innerbetrieblich wegen deren Kosten meistens nicht einigen können. Für die tarifliche Schlichtungsstelle wird die Kostenfrage in der Regel in dem Tarifvertrag über ihre Errichtung geklärt.   

Verfahren

Das Verfahren vor der tariflichen Schlichtungsstelle folgt wesentlichen Grundsätzen des Einigungsstellenverfahrens. Demgemäß wird die Schlichtungsstelle z.B. nur auf Antrag tätig. Es hat immer eine mündliche Verhandlung stattzufinden. In dieser sind die Betriebsparteien anzuhören, falls sie nicht als Beisitzer in der Schlichtungsstelle vertreten sind. Beim Ausbleiben des oder der Beisitzer einer Seite können der Vorsitzende und die erschienenen Beisitzer nach einer Literaturmeinung nicht allein entscheiden. § 76 Abs. 5 Satz 2 BetrVG soll insoweit nicht gelten (siehe Fitting, BetrVG, 32. Aufl.2024 § 76 Rn. 177;  Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 11. Aufl. 2024, BetrVG, § 76 Rn. 10).Das hieße, dass dadurch die Arbeit der Schlichtungsstelle lahmgelegt werden könnte. Richtiger erscheint es, in entsprechender Anwendung des § 76 Abs. 5 Satz 2 BetrVG einen Spruch ohne den oder die ausbleileibenden Beisitzer zu erlassen (so Münchner Handbuch Arbeitsrecht, Band 3, 6. Aufl. 2025, § 308 Rn. 218). 
Die Tarifvertragsparteien könnten dazu eine Regelung treffen. 
Verfahrensleitende Beschlüsse kann der Vorsitzende ohne die Beisitzer und außerhalb einer mündlichen Verhandlung treffen, z.B. einen ergänzenden Schriftsatz der Beteiligten erbitten und Termine anberaumen. 
Für das Verfahren vor der tariflichen Schlichtungsstelle gelten zwingend die Vorschriften des § 76 Abs. 3 BetrVG zur Beschlussfassung.  Danach gelten für Sachentscheidungen zwingend die Prinzipien

  • Anhörung der Beteiligten
  • mündliche Beratung
  • Abstimmung
  • "Spruch" als Form des Beschlusses
  • schriftliche Abfassung des Beschlusses, Unterzeichnung durch den Vorsitzenden, Zuleitung an Arbeitgeber und Betriebsrat mit Originalunterschrift oder qualifiziert elektronischer Unterschrift
  • der Spruch ist zu begründen, da die von ihm betroffenen Parteien an dem Verfahren nicht beteiligt sein müssen ( Münchner Handbuch Arbeitsrecht, Band 3, 6. Aufl. 2025, § 308 Rn. 220).

Etwaige Anlagen zu dem Spruch müssen entweder paraphiert sein oder eindeutig bezeichnet werden und nur in einer Fassung vorkommen (BAG v. 13.8.2019 - 1 ABR 6/18 in NZA 2019,1717). 
Eine rückwirkende Heilung der den Spruch betreffenden Formvorschriften des entsprechend anzuwendenden § 76 Abs. 3 BetrVG ist nicht möglich. Das Verfahren ist dann nochmals zu beginnen. 

Im Übrigen kann der Spruch wie ein Einigungsstellenspruch von dem Arbeitgeber oder Betriebsrat des betreffenden Betriebes wegen Ermessensüberschreitung binnen zwei Wochen ab ihnen zugegangenem vollständig abgefassten Spruch beim Arbeitsgericht angefochten werden. Die Anfechtung des Spruches hat keine aufschiebende Wirkung. Der Spruch ist bis zur Beendigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vom Arbeitgeber gemäß § 77Abs. 1 Satz 1 BetrVG durchzuführen (LAG Baden-Württemberg v. 20.7.2016 - 21 TaBV 4/16).  
Rechtsfehler der tariflichen Schlichtungsstelle können fristungebunden jederzeit gerichtlich geltend gemacht werden. Ein Rechtsfehler liegt z.B. vor, wenn die Schlichtungsstelle nur Stichworte für eine Betriebsvereinbarung festgelegt hat anstatt die vollständige Betriebsvereinbarung als Spruch abzufassen. Sie hat dann ihren Regelungsauftrag nur unvollständig erfüllt. Ein Rechtsfehler liegt auch vor, wenn die tarifliche Schlichtungsstelle von der Zuständigkeit des BR ausgegangen ist, obwohl der GBR zur Regelung der Angelegenheit zuständig war. 

Rechtsquelle

§ 76 Abs. 8 BetrVG

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Tarifliche Schlichtungsstelle
Basisseminar Konfliktmanagement
Praxistage Mediation
Konfliktmanagement in der BR-Arbeit Teil I
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