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Whistleblowing bezieht sich auf den Akt, bei dem eine Person vertrauliche oder interne Informationen über illegales, unethisches oder missbräuchliches Verhalten innerhalb einer Organisation oder Institution offenlegt. Diese Offenlegung kann sowohl intern an die Unternehmensleitung als auch extern an die Öffentlichkeit, Behörden oder Medien erfolgen. Whistleblower setzen sich häufig persönlichen Risiken aus, aber ihr Handeln zielt darauf ab, Missstände aufzudecken und Transparenz sowie Verantwortlichkeit zu fördern.
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Meldung über Missstände, Rechtsverstöße (z. B. Korruption, Insiderhandel) oder allgemeine Gefahren an zuständige betriebsinterne (Vorgesetzte, Betriebsrat) oder externe Stellen (z. B. Gewerbeaufsichtsamt, Strafverfolgungsbehörde).
Der englische Begriff bedeutet wörtlich übersetzt „Pfeife blasen", im übertragenen Sinne, jemanden wegen eines Rechts- oder Regelverstoßes bei der zuständigen Stelle anzeigen oder gar „anschwärzen". Whistleblower kann man mit „Hinweisgeber" oder „Informant" übersetzen. Das sind Personen, die interne Stellen oder externe Kontroll- oder Strafverfolgungsbehörden auf illegale Handlungen, Missstände und Gesetzesverstöße in ihrem Lebens- und Arbeitsbereich aufmerksam machen. Whistleblowing kann notwendig und daher gerechtfertigt sein z. B. zur Aufdeckung von
Whistleblower handeln aus Verantwortungsbewusstsein mit dem Ziel, verantwortliche Stellen zur Beseitigung von Missständen und Regelverstößen zu veranlassen bzw. Straftätern das Handwerk zu legen. Dadurch unterscheiden sie sich von Denunzianten, die, meist von Rachegelüsten getrieben, nach Missständen suchen, um Vorgesetzte oder Kollegen anzuschwärzen und ihnen zu schaden. Whistleblowing kann auch dadurch missbraucht werden, dass Arbeitnehmer verpflichtet werden, Kollegen, die z. B. gegen Ethikrichtlinien des Unternehmens (Verhaltenskodex) verstoßen, zu melden (ausgeprägt in US-geführten Unternehmen). Damit wird der Denunziation im Betrieb Tür und Tor geöffnet und das Ziel von Ethikrichtlinien, die Arbeitszufriedenheit zu verbessern, in sein Gegenteil verkehrt.
Grundsätzlich sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen verpflichtet (§ 241 Abs. 2 BGB). Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) müssen wegen der Pflicht des Arbeitnehmers zu Loyalität und Vertraulichkeit Informationen über Missstände zunächst dem Vorgesetzten gegeben werden. Nur wenn das nicht möglich ist, kann der Arbeitnehmer als letztes Mittel damit an die Öffentlichkeit gehen (EGMR v. 21.7.2011 - 28274/08). Ein Arbeitnehmer, der auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung ist, dass im Betrieb oder bei einer betrieblichen Tätigkeit gesetzliche Pflichten oder sonstige Regeln verletzt werden, ist daher verpflichtet, zunächst eine innerbetriebliche Klärung zu versuchen. Ansprechpartner für die Arbeitnehmer können außer den Vorgesetzten der Compliance-Officer (sofern diese Einrichtung im Betrieb besteht) oder der Betriebsrat sein. Kommt der Arbeitgeber dem Verlangen nach Abhilfe nicht, nicht in angemessener Frist oder nach Auffassung des Arbeitnehmers nicht ausreichend nach, hat der Arbeitnehmer das Recht, sich an eine zuständige außerbetriebliche Stelle zu wenden. Ausnahmsweise kann auch auf eine vorherige innerbetriebliche Meldung und Klärung verzichtet werden, wenn sie dem Arbeitnehmer unzumutbar oder Abhilfe berechtigterweise nicht zu erwarten ist (BVerfG v. 2.7.2001 - 1 BvR 2049/0, BAG v. 3.7.2003 - 2 AZR 235/ 02). In Fällen, die eine Strafverfolgung nach sich ziehen, ist im Einzelfall zu prüfen, wann dem Arbeitnehmer eine vorherige innerbetriebliche Anzeige ohne Weiteres zumutbar ist und ein Unterlassen ein pflichtwidriges Verhalten darstellt. Unzumutbar ist jedenfalls eine innerbetriebliche Klärung mit dem Arbeitgeber, wenn
Der Arbeitnehmer, der Hinweise über Missstände, Regel- oder Gesetzesverstöße im Betrieb an innerbetriebliche Stellen oder externe Kontroll- oder Strafverfolgungsbehörden weitergeben möchte, ist auch durch das Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)) geschützt. Bei der Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung hat der Arbeitnehmer die Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Bei der erforderlichen Interessenabwägung ist von Bedeutung, ob an der Information ein öffentliches Interesse besteht und ob sie fundiert ist. Jeder, der Informationen weitergeben will, muss auch grundsätzlich prüfen, ob sie genau und zuverlässig sind. Außerdem müssen der mögliche Schaden für den Arbeitgeber sowie die Gründe für die Information und die Art der Sanktion in die Überlegungen einbezogen werden. Eine Strafanzeige wegen Missständen am Arbeitsplatz kann gerechtfertigt sein, wenn vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass innerbetriebliche Beschwerden zu einer Untersuchung und Abhilfe führen (EGMR v. 21.7.2011 - 28274/08). Mit der Erstattung einer Strafanzeige nimmt der Arbeitnehmer eine von der Verfassung geforderte und von der Rechtsordnung erlaubte und gebilligte Möglichkeit der Rechtsverfolgung wahr (BVerfG v. 25.2.1987 - 1 BvR 1086/85). Dieses Recht ist nicht davon abhängig, ob die Begehung der strafbaren Handlung bereits feststeht oder später festgestellt wird. Sie ist in der Regel nur dann nicht mehr als berechtigt angesehen, wenn der Arbeitnehmer schon bei Erstattung der Anzeige weiß, dass der erhobene Vorwurf nicht zutrifft oder dies jedenfalls leicht erkennen kann oder einen unverhältnismäßigen Gebrauch von seinem Recht macht (BAG v. 7.12.2006 - 2 AZR 400/05).
Whistleblowing erfordert Zivilcourage. Jeder Hinweisgeber nimmt sowohl mit der Meldung von Missständen und Regelverstößen an innerbetriebliche Stellen als auch mit der Weitergabe von internen Informationen an Behörden und insbesondere bei Strafanzeigen gegen seinen Arbeitgeber hohe Risiken in Kauf. Wer den Mund aufmacht, wird häufig als Nestbeschmutzer beschimpft und läuft Gefahr, von Vorgesetzten und Kollegen ausgegrenzt oder gemobbt zu werden. Der Arbeitnehmer, der Hinweise über Missstände, Regel- oder Gesetzesverstöße im Betrieb an innerbetriebliche Stellen oder externe Kontroll- oder Strafverfolgungsbehörden geben möchte, muss sehr gründlich prüfen, ob der Sachverhalt vollständig, richtig und belastbar dargelegt werden kann. Bei einer leichtfertig erstatteten Strafanzeige riskiert er, sich selbst strafbar zu machen. Mit Strafe bedroht sind z. B. die Tatbestände der
Die Einreichung einer Strafanzeige eines Mitarbeiters gegen einen Vorgesetzten rechtfertigt als Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte grundsätzlich keine Kündigung. Etwas Anderes kann gelten, wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der erhobene Vorwurf nicht zutrifft, er dies jedenfalls leicht erkennen kann oder er einen unverhältnismäßigen Gebrauch von seinem Recht macht (BAG 03.07.2003 - 2 AZR 235/02). Im Falle einer Kündigung wegen „Whistleblowing“ ist abzuwägen, ob das Recht auf freie Meinungsäußerung und das öffentliche Interesse gegenüber den Interessen des Arbeitgebers überwiegen. Das öffentliche Interesse z. B. an Informationen über Mängel in der Altenpflege in staatlichen Pflegeheimen hat so viel Gewicht, dass es höher zu bewerten ist als das Interesse des Unternehmens am Schutz seines guten Rufs im Geschäftsverkehr und seiner geschäftlichen Interessen (EGMR v. 21.7.2011 - 28274/08). Wird der Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer vorschnell bei einer Behörde angezeigt, ohne dass ein vorhergehendes, zumutbares Gespräch versucht wurde, wird das Vertrauensverhältnis in einer Weise belastet, dass dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung bis Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar ist (LAG Köln v. 5.7.2012 – 6 Sa 71/12). Hat ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber angezeigt, ohne vorher mit ihm eine Klärung versucht zu haben, so kann das Arbeitsverhältnis gerichtlich gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen sein, wenn eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien regelmäßig nicht zu erwarten ist (§ 9 Abs. 1 S. 2 KSchG). Dabei ist nicht erforderlich, dass die Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft gerichtet ist. Vielmehr reicht es aus, wenn eine Anzeige bei einer Behörde zu Ermittlungen gegen den Arbeitgeber führt (LAG Schleswig-Holstein v. 20.3.2012 - 2 Sa 331/11).
Die Festlegung eines Whistle-Blowing-Verfahrens berührt Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb und ist daher mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 1). Der Betriebsrat hat bei der Erstellung der Inhalte von Ethikrichtlinien, die das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer regeln, mitzubestimmen. Das beinhaltet auch die Mitbestimmung bei der Festlegung der Verfahren zur Meldung und Behandlung von Verstößen gegen die Verhaltensregeln. Fragen des Datenschutzes fordern die besondere Aufmerksamkeit des Betriebsrats. Der Betriebsrat sollte mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern, dass eine Kultur der gegenseitigen Anschwärzung im Betrieb Platz greift.
Auch der Betriebsrat kann im Rahmen seiner Aufgaben zum Whistle-Blowing verpflichtet sein. Beispielsweise hat er Aufsichtsbehörden auf Mängel beim Arbeitsschutz im Betrieb hinzuweisen (z. B. Überschreitung der Höchstarbeitszeiten) und, falls erforderlich, Kontrollen anzuregen. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist er gehalten, eine Behörde erst dann von Missständen und Beanstandungen im Betrieb zu unterrichten, wenn ein innerbetrieblicher Abhilfeversuch mit dem Arbeitgeber gescheitert ist (BAG v. 3.6.2003 - 1 ABR 19/02).
§ 241 Abs. 2 BGB, Art. 10
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