Was ist die Rolle des Europäischen Betriebsrats?
Ziel des Europäischen Betriebsrats (kurz EBR) ist, die Rechte der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen und Unternehmensgruppen zu stärken. Dies erfolgt im Wesentlichen durch bestimmte Verfahren der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer.
Wichtig:
Der Europäische Betriebsrat ist kein Betriebsrat im deutschen Sinn. Die Zuständigkeit des EBR beschränkt sich auf Information und Anhörung. Eine echte Mitbestimmung ist nicht vorgesehen, und auch Tarifverhandlungen gibt es nicht. Der EBR soll eine Ergänzung zu den nationalen Arbeitnehmervertretungen sein und beschränkt deren Rechte nicht. Der EBR ist also den nationalen Gremien wie KBR, GBR oder dem örtlichen BR nicht übergeordnet, sondern besteht neben der nationalen Interessenvertretung.
Für welche Unternehmen gilt das „Gesetz über Europäische Betriebsräte“ (EBRG)?
Rechtliche Grundlage für den EBR ist in Deutschland das Gesetz über Europäische Betriebsräte, kurz EBRG. In den übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gelten entsprechende nationale Umsetzungsgesetze.
Das EBRG gilt für gemeinschaftsweit tätige Unternehmen mit Sitz im Inland und für gemeinschaftsweit tätige Unternehmensgruppen mit Sitz des herrschenden Unternehmens im Inland (§ 2 Abs. 1 EBRG).
Achtung:
Das EBRG gilt grundsätzlich nicht für Arbeitnehmer einer Europäischen Gesellschaft (SE).
Wann ist ein Unternehmen gemeinschaftsweit tätig im Sinne des EBRG?
Ein Unternehmen ist dann gemeinschaftsweit tätig, wenn es mindestens 1.000 Arbeitnehmer in den Mitgliedstaaten beschäftigt und davon mindestens 150 Arbeitnehmer in zwei Mitgliedstaaten tätig sind (§ 3 Abs. 1 EBRG).
Beispiel:
Ein Unternehmen mit Sitz in München beschäftigt 900 Mitarbeiter. Zu dem Unternehmen gehören ein Betrieb in Cassis mit 150 Mitarbeitern und ein Betrieb in Paris mit 100 Mitarbeitern.
Eine Unternehmensgruppe ist gemeinschaftsweit tätig, wenn sie mindestens 1.000 Arbeitnehmer in den Mitgliedstaaten beschäftigt und ihr mindestens zwei Unternehmen mit Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten angehören, die jeweils mindestens 150 Arbeitnehmer in verschiedenen Mitgliedsstaaten beschäftigen (§ 3 Abs. 2 EBRG).
Beispiel:
Zu einem Konzern mit Sitz in München gehören zwei dort ansässige Unternehmen mit 800 Mitarbeitern. Dazu gehört noch ein Tochterunternehmen in Mailand mit 400 Mitarbeitern.
Wie wird der Europäische Betriebsrat gegründet?
Nach § 1 Abs. 1 EBRG werden in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen und Unternehmensgruppen Europäische Betriebsräte oder Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer vereinbart. Diese sollen das Recht auf grenzübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer stärken. Kommt es nicht zu einer Vereinbarung, wird ein Europäischer Betriebsrat kraft Gesetzes errichtet.
Das besondere Verhandlungsgremium
Die Verhandlungen zur Bildung eines Europäischen Betriebsrats bzw. zur Vereinbarung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer werden durch das sogenannte „besondere Verhandlungsgremium“ geführt. Für die Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums gibt es zwei Wege: Entweder ergreift die zentrale Leitung des Unternehmens die Initiative oder die Bildung wird von den Arbeitnehmern oder ihren Vertretern schriftlich bei der zentralen Leitung beantragt. Der wirksame Antrag setzt voraus, dass mindestens 100 Arbeitnehmer (oder ihre Interessenvertreter) den Antrag schriftlich stellen und der Antrag aus mindestens zwei Mitgliedstaaten kommt.
Die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums werden von den Mitgliedstaaten nach § 10 Abs. 1, 2 EBRG entsandt. Die zentrale Leitung lädt anschließend die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums unverzüglich zur konstituierenden Sitzung ein. Das besondere Verhandlungsgremium wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und kann sich eine Geschäftsordnung geben (§ 13 Abs. 1 EBRG).
Europäischer Betriebsrat durch Vereinbarung
Die zentrale Leitung und das besondere Verhandlungsgremium verständigen sich darauf, ob die grenzüberschreitende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer durch einen Europäischen Betriebsrat oder mehrere Europäische Betriebsräte oder durch ein Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer erfolgen soll (§ 17 EBRG).
Entscheiden die Verhandlungsparteien, dass ein Europäischer Betriebsrat kraft Vereinbarung errichtet werden soll, muss schriftlich festgelegt werden, wie dieser EBR ausgestaltet ist. Dabei soll im Einzelnen insbesondere Folgendes geregelt werden (§ 18 EBRG):
- Bezeichnung der erfassten Betriebe und Unternehmen
- Zusammensetzung des EBR, Anzahl der Mitglieder, Ersatzmitglieder, Sitzverteilung und Mandatsdauer
- Aufgaben und Befugnisse sowie das Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung
- Ort, Häufigkeit und Dauer der Sitzungen
- die Einrichtung von Ausschüssen
- die dem EBR zur Verfügung zu stellenden finanziellen und sachlichen Mittel.
Praxistipp:
An dieser Stelle kann auch geregelt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen der EBR digitale Sitzungen abhalten kann.
Die Beteiligten sind also frei in der Ausgestaltung des Gremiums und geben sich mit der „Eurobetriebsrats-Vereinbarung“ quasi ihre eigene Rechtsgrundlage. Eine gesetzliche Regelung greift nur dann ein, wenn sich die Beteiligten nicht einig werden können.
Errichtung des Europäischen Betriebsrats kraft Gesetzes
Nach § 21 EBRG wird ein Europäischer Betriebsrat nur dann kraft Gesetzes errichtet, wenn eines der folgenden Szenarien eintritt:
- Die zentrale Leitung und das besondere Verhandlungsgremium erklären das vorzeitige Scheitern der Verhandlungen.
- Die zentrale Leitung verweigert innerhalb von sechs Monaten nach Antragstellung zur Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums die Aufnahme von Verhandlungen.
- Innerhalb von drei Jahren nach Antragstellung zur Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums kommt keine Vereinbarung mit der zentralen Leitung zustande.
Bis heute gibt es europaweit nur eine sehr geringe Anzahl von EBRs, die kraft Gesetzes errichtet wurden. In der Praxis werden die meisten Europäischen Betriebsräte kraft Vereinbarung errichtet.
Wann ist der Europäische Betriebsrat zuständig?
Der EBR ist zuständig in Angelegenheiten, die das gemeinschaftsweit tätige Unternehmen oder die gemeinschaftsweit tätige Unternehmensgruppe insgesamt oder mindestens zwei Betriebe oder zwei Unternehmen in verschiedenen Mitgliedsstaaten betreffen (§ 1 Abs. 2 EBRG). Wenn die zentrale Leitung nicht in einem Mitgliedsstaat liegt, ist der EBR nur in solchen Angelegenheiten zuständig, die sich auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten erstreckt, wenn kein größerer Geltungsbereich vereinbart wird.
Im Umkehrschluss ist der EBR also nicht zuständig, wenn es um die Umsetzung der Unternehmensentscheidungen in den nationalen Betrieben geht. Dann sind wieder die örtlichen Gremien gefragt.
In europaweit tätigen Unternehmen wirken sich Entscheidungen der Unternehmensleitung bzw. der Konzernleitung sehr häufig grenzüberschreitend aus. Wenn beispielsweise eine Produktionsstätte in einem Mitgliedsstaat stillgelegt und in ein anderes Land verlagert wird, in dem vielleicht günstiger produziert werden kann, wäre die Zuständigkeit des EBR gegeben.
Welche Mitwirkungsrechte hat der Europäische Betriebsrat?
Die Vorschriften des EBRG enthalten im Unterschied zum BetrVG keinerlei Mitbestimmungsrechte, sondern reine Unterrichtungs- und Anhörungsrechte!
Die zentrale Leitung muss den EBR einmal im Kalenderjahr über die Entwicklung der Geschäftslage und die Perspektiven des Unternehmens (oder der Unternehmensgruppe) unter rechtzeitiger Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichten und ihn anhören (§ 29 Abs. 1 EBRG). Daneben gibt es eine Unterrichtungs- und Anhörungspflicht bei außergewöhnlichen Umständen oder Entscheidungen. Als außergewöhnliche Umstände gelten insbesondere die Verlegung und Stilllegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen sowie Massenentlassungen (§ 30 EBRG).
Welche Rechte und Pflichten haben die EBR-Mitglieder?
Berichtspflicht
Der EBR hat gegenüber dem örtlichen Betriebsrat (oder wenn es keinen gibt, gegenüber den Arbeitnehmern der Betriebe oder Unternehmen) eine Berichtspflicht über die Unterrichtung und Anhörung (§ 36 Abs. 1 EBRG).
Verschwiegenheit
Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Europäischen Betriebsrats sind verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum EBR bekannt geworden und von der zentralen Leitung ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten (§ 35 Abs. 2 EBRG). Dies gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem EBR.
Wichtig: Entsprechende Rechte aus dem BetrVG
Für die Mitglieder eines EBR und auch für die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums, die in Deutschland beschäftig sind, gelten folgende Bestimmungen des BetrVG entsprechend:
- Arbeitsbefreiung (§ 37 Abs. 2 BetrVG)
- Entgelt- und Tätigkeitsschutz (§ 37 Abs. 4, 5 BetrVG)
- Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot (§ 78 BetrVG)
- Besonderer Kündigungsschutz (§ 15 Abs. 1 u. 3 bis 5 KSchG, § 103 BetrVG) Schulungsanspruch nach § 37 Abs. 6 BetrVG für Schulungen, die nach § 38 EBRG erforderlich sind