Der Abstieg aus der Fußball-Bundesliga im Sommer 2023 hatte Hertha BSC Berlin finanziell gewaltig getroffen. Allein die Einnahmen aus der nationalen und internationalen Vermarktung seitens der Deutschen Fußball-Liga (DFL) brachten rund 27 Millionen Euro weniger ein als in der Spielzeit zuvor – sogar die Lizenz war kurzzeitig in Gefahr. Um zu sparen, sollten rund 50 bis 60 Beschäftigte den Verein verlassen, weshalb einige Mitarbeiter gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen Betriebsrat gründen wollten. Auf einer einberufenen Betriebsversammlung soll es Medienberichten zufolge zu Uneinigkeiten unter den Anwesenden gekommen sein: Die Belegschaft sei in zwei Lager gespalten. Seither war es rund um eine mögliche Interessenvertretung ruhig geworden bei Hertha BSC.
Mitarbeitervertretung bei Hertha BSC
Anfang 2024 hieß es nun, dass die Hertha-Beschäftigten eine Mitarbeitervertretung bekommen. Eigentlich eine tolle Nachricht, aber: Die Mitarbeiter sollen zukünftig nicht von einem Betriebsrat, sondern einem Belegschaftsausschuss vertreten werden. Keine gute Nachricht für die Mitbestimmung! Laut Pressemeldungen sollen die Ausschussmitglieder schon zeitnah gewählt werden, ver.di habe ein am Amtsgericht Berlin angestrengtes Beschlussverfahren zur Gründung eines Betriebsrats mittlerweile zurückgezogen.
Wie viele Mitglieder der Belegschaftsausschuss haben wird und ob diese tatsächlich gewählt oder vom Arbeitgeber bestimmt werden, darüber gibt es bei einem solchen Ausschuss – im Gegensatz zu einem Betriebsrat – keine gesetzlichen Vorgaben. Das heißt: Freie Hand für den Arbeitgeber, keine Rechtssicherheit für die Belegschaft.
Betriebsrat: keine Einmischung in Spielertransfers
In einer von der beratenden Rechtsanwaltskanzlei Heuking veröffentlichten Mitteilung wird Thomas E. Herrich, Geschäftsführer der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA, folgendermaßen zitiert: „Die Gründung des Belegschaftsausschusses ist ein tolles Zeichen, dass wir bei Hertha BSC imstande sind, zeitgemäße Formate und Instrumentarien zur Mitarbeitendenmitbestimmung aus der Mitte des Clubs heraus zu initiieren.“ Wer genau die Initiatoren des Belegschaftsausschusses sind, wie also diese „Mitte des Clubs“ aussieht und ob es sich dabei nicht vielleicht doch um leitende Angestellte handelt, darüber steht nichts in der Pressemitteilung. Stattdessen freut sich der beteiligte Rechtsberater über „eine im Vergleich zum gesetzlichen Modell des Betriebsrats flexiblere, unbürokratischere und kostengünstigere Lösung“, womit „die Besonderheiten der jeweiligen Branche – hier des Profifußballs – ideal abgebildet werden“. Was genau damit gemeint ist? Unklar. Klar ist nur, dass „kostengünstig“ für den Arbeitgeber leider nicht besser für die Belegschaft ist. Ganz im Gegenteil.
Hendrik Lüttmer, Betriebsratsvorsitzender des FC St. Pauli (die älteste Interessenvertretung im deutschen Profifußball), hat im ifb-Interview jedenfalls klargestellt, dass es für sein Gremium klare Grenzen gibt. So mischt sich der Pauli-Betriebsrat beispielsweise nicht in Spielertransfers ein – ein häufig verwendetes Argument von Betriebsratsgegnern im professionellen Fußball.
Attraktive Lösung für Arbeitgeber?
Wie die Mitbestimmung im Belegschaftsausschuss von Hertha BSC Berlin zukünftig ausgestaltet wird, bleibt also abzuwarten. Wegen des fehlenden gesetzlichen Rahmens und auch, weil Gewerkschaften wenig Einfluss haben, ist das vor allem für Arbeitgeberseite eine attraktive Lösung. Markus Brandt, Jurist und Bildungsreferent beim ifb, mit einer Einschätzung:
Ein Betriebsrat kann vor Gericht ziehen, ein Belegschaftsausschuss nicht.
Markus Brandt, Jurist und Bildungsreferent beim ifb
„Vorsicht, ein sogenannter ‚Belegschaftsausschuss‘ kann sich rasch als Mogelpackung erweisen. Der Wert der Mitbestimmung erweist sich besonders dann, wenn es wirklich hart auf hart kommt. Ein Betriebsrat kann vor Gericht ziehen, ein Belegschaftsausschuss nicht. Seine Mitglieder sind gesetzlich geschützt, die des Ausschusses nicht. Seine Wahl ist gesetzlich geregelt, die Spielregeln für die Zusammensetzung des Ausschusses müssen verhandelt werden – mit klarer Machtverteilung auf Seite des Arbeitgebers. Die gesetzlich weiterhin bestehende Möglichkeit einer Betriebsratsgründung würde dem Belegschaftsausschuss rechtlich ein Ende setzten. Das nützt dem Arbeitgeber, einer Betriebsratsgründung entgegenzuwirken. Dadurch erweist sich am Ende der Belegschaftsausschuss womöglich nicht als schicke, moderne Alternative zum vermeintlich starren, überdimensionierten Betriebsverfassungsrecht, sondern als Verhinderung einer wirkungsvollen, echten Mitbestimmung.“ (tis)